Neues Morrissey-Album: Kassasturz für den kleinen Mann

Morrissey legt mit "World Peace is None of Your Business" neues Album vor.

Man kann Morrisseys Werk ausnahmslos als Aneinanderreihung perfekter Akte der Koketterie lesen. Kaum ein Künstler hat es geschafft, sich präziser über das schwere Spannungsfeld ausschweifender Selbst- und Fremdliebe zu definieren als der frühere The-Smiths-Frontmann. Und dabei radikal geltende Normen infrage zu stellen: Der Provokateur Morrissey gilt quasi als Evergreen der englischen Musikpresse.

Fünf Jahre nach dem melancholischen "Years of Refusal" legt Steven Patrick Morrissey nun ein feingliedriges und mysteriöses Werk nach. "World Peace is None of Your Business" heißt das Album, in dem er sich weiter am Menschsein abarbeitet, unter besonderer Berücksichtigung der Beziehung des Ich zur Gesellschaft.

Steuern zahlen

Der titelgebende Song ist folgerichtig ein lakonischer Kassasturz für den kleinen Mann, der sich gefälligst damit zufriedengeben möge, brav Steuern zu zahlen und sich sonst aus dem Weltgeschehen bitteschön heraushalte. Der Spott für die da oben fehlt natürlich nicht.

Auch sonst wird die (patriarchal geprägte) Gesellschaftsordnung lustvoll angeknurrt: "Ich würde niemals ein Tier essen oder töten. Und ich würde nie den Planeten zerstören, auf dem ich mich befinde", bekennt der mürrische Tierschützer einmal mehr in "I am not a Man".

Das Leitmotiv des getriebenen Selbst-Überhöhers ist die intellektuelle Verfeinerung und Verfremdung diverser Aspekte von Geschlechterrolle, Sexualität, Politik: Wie kann ich die Kraft der Gedanken dazu nutzen, mich von der Bestie zu unterscheiden?

Neues Morrissey-Album: Kassasturz für den kleinen Mann
Cover

Am Cover sieht man Morrissey mit Füllfeder vor einem Hund hocken. Die Macht des Schreibgerätes, die den Menschen vom Tier unterscheidet: Er kann Zusammenhänge herstellen, räsonieren, der Hund nur gehorchen.

Klar, einen Selbstmord als hymnischen Refrain vorzutragen, bedarf einer gewissen Kaltschnäuzigkeit, die ein Morrissey aus dem Ärmel schüttelt ("Staircase at the University"). Melancholisch und versöhnlich haucht er danach seinem Messermörder "You’ll be ok" zu (in "Smiler with a Knife").

Fazit: Das neue Album ist eines für Fans der Church of Morrissey, deren Kult sich abseits des Pop-Mainstream über Jahrzehnte verselbstständigte. Der Hohepriester verkörpert die wandelnde Ambivalenz: Ekel und Gottersatz in Personalunion. Diesmal begleitet von spanischen Gitarren, dem passenden Instrument für gesetzte Herren.

KURIER-Wertung:

Neues Morrissey-Album: Kassasturz für den kleinen Mann
  

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