Der anfängliche Eindruck, dass das Programm heuer mit 48 Beiträgen im Bereich des innovativen Kinos kunstaffiner geworden wäre als bisher, trüge aber, so Dominik Kamalzadeh: Im Vergleich zum Vorjahr habe sich das Volumen nur um ein Einzelprogramm vergrößert.
Tatsächlich aber hätte der Bereich „Innovatives Kino“ – der von experimentellen Langfilmen bis hin zu Animationen und Musikvideos reicht – die meisten Einreichungen gehabt und bilde somit die vielseitige Produktivität der heimischen Filmszene ab: „Die Experimentierfreude des österreichischen Kinos hat eine lange Tradition“, beobachtet Kamalzadeh: „Es gibt wenige Länder, in denen man so großen Variantenreichtum und so viel Verspieltheit findet wie im heimischen Kino.“
Was neu ist
Nicht nur das Logo der Diagonale wurde verändert, auch sonst gibt es einige Neuerungen, mit denen das Leitungsduo antritt. Was die Infrastruktur des Festivals betrifft, wurde mit dem Heimatsaal des Volkskundemuseums in Graz ein neuer Ort hinzugezogen: Dort sollen Preisverleihungen, aber auch Diskussionsveranstaltungen und informelle Treffen stattfinden, kurzum: „Es soll ein neues Festivalzentrum etabliert werden.“
Inhaltlich erhielten einige der Programmschienen neue Namen – und damit auch neue Ausrichtungen: „Position“, zum Beispiel.
Anstelle einer Personale oder Werkschau wolle man mit „Position“ neue Themenfelder und Kontexte erschließen und verstärkt auch internationale Stimmen zu Wort kommen lassen. So ist die diesjährige „Position“ dem deutschen Filmemacher Christoph Hochhäusler und seinem Werk gewidmet, dessen Noir-Thriller „Bis ans Ende der Nacht“ mit der österreichischen Hauptdarstellerin Thea Ehre auf der Berlinale 2023 reüssierte.
Schlagzeilen rund um den Bezirk Favoriten
Der historische Schwerpunkt firmiert unter dem Titel „Filmgeschichte“ und beschäftigt sich in „Die erste Schicht“ mit 60 Jahren Arbeitsmigration aus der Sicht der Herkunftsländer: „Es soll auch eine Perspektive gezeigt werden, von der aus wir als Österreicher ‚exotisiert‘ gesehen werden“, so Dominik Kamalzadeh.
Die Eröffnung mit Ruth Beckermanns „Favoriten“, in dem die Filmemacherin eine Volksschulklasse im Wiener Brennpunktbezirk begleitet, ist ebenfalls Programm: „Ruth Beckermann ist eine tolle Filmemacherin, die sehr wandelbar ist und deren Filme auch immer politische Brisanz haben“, findet Claudia Slanar. Zudem setze der Film aktuellen politischen Schlagzeilen rund um den Bezirk Favoriten „genaue Beobachtungen und Empathie entgegen, ohne die Dinge, die im Argen liegen, zu verschweigen“, fügt Dominik Kamalzadeh hinzu.
Mehr Glanz für Graz?
Stark im Programm ausgeschildert sind auch die Premieren, wie beispielsweise die Österreichpremiere von Daniel Hoesls Gesellschaftssatire „Veni Vidi Vici“; oder die Weltpremiere des schwarzhumorigen Beziehungsdramas „Asche“ von Elena Wolff.
Mehr Glanz für Graz?
„Glamour kann nicht schaden“, gibt Kamalzadeh zu: „Dazu gehört auch der beste Rahmen, um seine Filme zu präsentieren. Ein Hintergedanke ist auch, dass nicht nur der Eröffnungsfilm stark im Fokus steht, sondern auch auf die Vielseitigkeit der anderen Filme hingewiesen wird.“
Was die Stellung des österreichischen Kinos beim Publikum betrifft, würde sich der heimische Film unter seinem Wert schlagen, sind sich beide Festivalleiter einig: Da müsse man sich neue Strategien einfallen lassen, um das Image aufzubessern. So sei zum Beispiel der Schauspieler Lukas Miko, der heuer den Diagonale-Preis erhält, beim Publikum nur wenig bekannt und müsste sich viel größerer Beliebtheit erfreuen.
Man erinnere sich: „Auch Christoph Waltz ist lange in deutsch-österreichischen Produktionen herumgegrundelt. Es musste erst ein Tarantino daher kommen, um ihn zu entdecken. Die Talente im eigenen Land sollten stärker hervorgekehrt werden.“
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