Das Debüt von Johannes Krisch in der Josefstadt, nach 30 Jahren am Burgtheater karenziert, wurde Donnerstag im Theater in der Josefstadt prompt zum Ereignis.
Sein Weinberl ist ein Filou mit Wiener Schmäh, ein charmanter Tausendsassa und eine gequälte Seele mit Lebensangst, just dieses Leben zu versäumen.
Ein skrupulöser Draufgänger, bei dem neben seinem Appetit auf allerlei Abenteuer auch die Gebrochenheit der Figur, ihre Melancholie und ihre Verzweiflung spürbar sind.
Das erste Bühnenbild (von Sophie Lux), eine Multifunktionswand, die alles kann, wie Menschen ausspucken und in immer neuen Öffnungen wieder verschwinden lassen, ist – weil schon so oft gesehen – wenig originell.
Ein harter Kontrast zu Schwarz-Weiß-Video-Projektionen mit moderner Grafik zwischendurch ist ein Farbenrausch bei der überhöht gestylten Biedermeier-Ästhetik mit gerafften Vorhängen und Damenkleidern – mit Schnürl hochziehbar – im Modesalon von Madame Knorr (Kostüme: Birgit Hutter).
Man hätte sich von der Inszenierung mehr Schärfe, mehr Profil, mehr Kontur erhofft. Aber der Schweizer Stephan Müller, der seinen ersten Nestroy inszeniert hat, spart die Gesellschaftskritik aus. Er kleidet das wirbelige Verwechslungsspiel, in dem Geld die Welt regiert und der äußere Schein alles ist, in einen stilistisch-schrägen Mix aus Kasperltheater, Klamauk und viel Zappelei, übertriebenes Grimassieren, Slapstick und schrulliger Putzigkeit.
Ganz ohne Sarkasmus.
Dem bunten Treiben Rhythmus zu geben, gelingt nur zum Teil – zur Livemusik von Thomas Hojsa (Akkordeon) und Matthias Jakisic (E-Geige).
Die Gestalten sind dem Zufall ausgeliefert von der Regie. Aber auch wenn Nestroys Possen Schicksalstragödien sind, in denen der Zufall regiert: Einen Funken von Vernunft, von Aufbegehren gegen das blinde Schicksal, gibt es auch im „Jux“. Und der zündet hier nicht. Der springt nicht über.
„Es ist praktisch für die Wirtschaft, aber schicken tut sich’s nicht …“ Die Couplettexte von Thomas Arzt zu MeToo und Klimaschutz, zum Thema Flüchtlinge und soziale Medien sind erstaunlich harmlos und ohne Biss. Und erschöpfen sich in einem buchstäblich aus dem Hut gezauberten Politstatement „Die rechte Hand in die Höh’ – das is’ ganz a blöde Idee.“
Martin Zauner ist als Hausknecht Melchior mit seiner stehenden Redewendung „Das ist klassisch!“ komisch in seiner bornierten Beschränktheit, im Selbstbehagen der Dummheit.
Robert Joseph Bartl, auch bekannt als Münchner „Tatort“-Gerichtsmediziner Mathias Steinbrecher, bramabarsiert als Gewürzkrämer Zangler drollig den Haustyrannen.
Herrlich exaltiert Elfriede Schüsseleder als Fräulein Blumenblatt. Julian Valerio Rehrl erheitert als quirliger und stets leicht panischer Lehrling Christopherl und Weinberls Kompagnon im Duo der verunglückten Ausreißer. Und mit viel Temperament gibt Tobias Rheintaller den August Sonders.
Am Ende stellt sich die Frage, ob das Stück gut ausgeht. Die Tante stirbt, die Liebenden können heiraten.
Ist’s ein „Happy End“? Sagt doch Nestroy: „Die Liebe ist ein Traum, die Ehe ist ein Geschäft.“ Und Weinberl über Zanglers Heiratspläne im 1. Akt: „Er ist ein alter Herr, der heiratet, folglich mit Blindheit geschlagen.“
Wer sich trotz aller Wirrnisse des Lebens den Humor bewahrt, bei wem im Dasein die Unterhaltung nicht zu kurz kommt, der ist schon über seinen eigenen Schatten gesprungen. Der kann am Schluss im Sinne Nestroys triumphieren: Nicht das vermeintlich Wichtige, mit dem sich die Menschen das Leben schwer machen, ist wichtig, sondern der Jux, weil er das Leben leicht und freudvoll macht.
Nach dem Jubel am Premierenabend zu urteilen, wird diese Produktion sicher ihr Publikum finden.
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