Nestroy im Chatroom und ein gutes Rockkonzert

Kritik: „Höllenangst. No enlightenment please“ im TAG.

2006 gelang Martin Kušej eine atemberaubende Neudeutung von Johann Nestroys „Höllenangst“: Im Mittelpunkt steht Wendelin, dem das Schicksal übel mitgespielt hat, der zwischen die Intrigen der Mächtigen gerät und sich bald im Irrgarten seiner Paranoia und seines Aberglaubens verirrt.

Im TAG in Wien-Gumpendorf hat Bernd Liepold-Mosser jetzt Nestroy „überschrieben“, herausgekommen ist „Höllenangst. No enlightenment please!“. Der Raum, in dem der teuflische Verfolgungswahn wächst, ist hier das Internet – und das ist eine sehr richtige Beobachtung.

Dennoch geht sich diese engagierte Unternehmung nicht aus.  Der Text verliert sich in auf Dauer sehr anstrengenden Wortspielen  bezüglich einer ebenso digitalen wie kapitalistischen Welt. Hier wird jemand nicht freigelassen, sondern „freigeschaltet“ – ja eh.

Die Handlung will sozialkritisch sein, das ist sie auch, sie will aber auch witzig sein, das ist sie nicht. Vor allem aber ist sie in diesem Setting schwer zu verfolgen – wer spinnt hier gerade welche Intrige?

Was den Abend dennoch sehens-, oder besser: hörenswert macht, ist die Tatsache, dass er auch ein Konzert von Oliver Welter ist. Der Musiker der Band Naked Lunch lässt seine Gitarre heulen und zähneklappern und hat zu Nestroys Couplets sehr schöne, schräge Kärntnerlieder geschrieben. Davon hätte man gerne viel mehr erlebt.

Das Ensemble – allen voran Andreas Gaida als Wendelin – gibt alles.

Vom Premierenpublikum gab es langen Applaus.

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