Nun ist freilich die politische Debatte, wie nahe er Wladimir Putin wirklich steht (und der Salzburger Umgang damit), das Eine. Das Andere, von dem hier die Rede sein soll (trennen wir es einmal brav), gilt der Kunst, also seinem Dirigat und der musikalischen Umsetzung zweier komplexer, aber antithetischer Werke. Und die war an diesem Abend fabelhaft. Am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters sorgte Currentzis für höchste Sensibilität, schönste Pianokultur, dann wieder für enorme Dramatik und mitreißende Wucht. So auf die Essenz fokussiert, sich selbst derart zurücknehmend hat ihn zumindest der Autor dieser Zeilen in Salzburg noch nicht erlebt.
Auf dem Programm: "Herzog Blaubarts Burg" von Bela Bartok und "De temporum fine comoedia" von Carl Orff. Ein Abend mit völlig unterschiedlichen musikalischen Gesichtern: "Blaubart" ist ein intensives, grandios instrumentiertes, fein gewobenes Kammerstück, Orffs "Spiel vom Ende der Zeiten" ein wuchtiges Hau-Rein-Chorwerk, das in manchen Passagen ebenso auf die Westtribüne des Rapid-Stadions passen würde. Wie ein Einpeitscher versucht Orff die Massen auf der Bühne und das Publikum mit dem Weltuntergang zu konfrontieren. Klar geht es um höchste Intellektualität, um das jüngste Gericht, um die Angst der Menschen davor - mindest ebenso geht es aber auch um die Effekte, und die sind ziemlich vordergründig. Vor knapp 50 Jahren wurde das Stück in Salzburg von Karajan uraufgeführt. Wenn es nun weitere 50 Jahre schlummert, wäre es wohl kein ernsthaftes Problem.
Romeo Castellucci, der große Verrätsler und Kreierer phänomenaler Bilder, versucht die beiden Werke zusammenzuhalten. Das gelingt dadurch, dass beide fast ausschließlich im Dunkeln spielen. Bei Bartok gibt es die Elemente Feuer und Wasser als optische Akzente, bei Orff die enormen Chormassen.
Schade, dass die Felsenreitschule dafür mit schwarzen Vorhängen völlig zugebaut ist. Die Kraft dieser Inszenierung ist aber dennoch gewaltig.
Bei Bartok gibt es keine Türen, die Judith öffnet - es spielt sich alles in ihrem Kopf an. Um ihr Kindheitstrauma (warum fällt man sonst auf einen Mann wie Blaubart herein?) zu erklären, beginnt das Stück mit einem schreienden Baby und einer weinenden Mutter. Bei Orff ist vor allem das Schlussbild, wenn die Toten wie Zombies aus den Gräbern steigen, beeindruckend.
Ausrine Stundyte singt die Judith erstklassig, Mika Kares den Blaubart schön, aber nicht sehr dramatisch. Bei Orff agieren der musicAeterna-Chor und der Salzburger Bachchor präzise und mächtig, zwischendurch muss mehr gebrüllt als gesungen werden.
Das Publikum applaudierte am Ende durchaus intensiv. Ein Teil zog jedoch ratlos ab. Um in der Sportsprache zu bleiben (die Orff ja auch deshalb kennt, weil er für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin komponierte): "Blaubart" gegen "De temporum fine comoedia" - ein Kantersieg für Bartok.
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