Gespielt wurde in der glühend heißen Szene Salzburg, gezeigt wurde eine Koproduktion mit dem Schauspielhaus Zürich. Nach zweieinhalb schweißtreibenden Stunden ergriff ein Teil des ermatteten Publikums die Flucht, der andere Teil spendete müden Applaus.
Familienaufstellung
Schnitzlers Original, uraufgeführt 1912, war ein ungeheurer Theaterskandal. Es geht dabei um Sex (der aber nie dargestellt wird) und in Wahrheit doch nicht. Schnitzler, der Psychoanalytiker unter den Dramatikern, zeigt die Begegnungen von Menschen unterschiedlicher Gesellschaftsschichten, die unfähig sind, anders als durch schnellen, kalten Sex miteinander zu kommunizieren. In Wahrheit ist das Stück eine Familienaufstellung der Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts.
Die Theatermacherin und Regisseurin Yana Ross hat versucht, mosaikartig ein Proträt unserer Zeit zusammen zu stellen. Zehn Autorinnen und Autoren schrieben Szenen, die vage von Schnitzler inspiriert sind: Lydia Haider, Sofi Oksanen, Leïla Slimani, Sharon Dodua Otoo, Leif Randt, Mikhail Durnenkov, Hengameh Yaghoobifarah, Kata Wéber, Jonas Hassen Khemiri und Lukas Bärfuss.
Es beginnt mit Lydia Haiders erprobten derben Wortspielen, die Männer als schwanzgesteuerte Idioten darstellen - genauer "Danebenbrunzer", und tatsächlich befriedigt sich der Soldat, indem er sich eine Glock rektal verabreicht. In der zweiten Szene wird der Soldat zum bezahlten Internet-Troll in Putins Diensten, das Stubenmädchen zur Essensbotin. Zwischen beiden spielt sich aber wenig ab, weil er lieber eine Schauspielerin via Internet stalkt und dabei onaniert. Szene drei macht dann aus dem Dialog zwischen Stubenmädchen und jungem Herren durchaus konsequenterweise eine Gerichtsverhandlung im Zeichen von "MeToo".
Prostata
Die nächste Szene (von Sharon Dodua Otoo) zeigt dann höchst witzig die Begegnung zweier Frauen: Die eine träumt davon, Kinder zu haben - die andere davon, ihre drei Kinder zu meucheln, weil sie ihr so auf die Nerven gehen. Im fünften Dialog erleben wir ein Ehepaar, das wenig vereint, abgesehen von der Tatsache, miteinander die Pandemie überstanden zu haben. Der Wein verlangt nach einem Säureblocker für den Magen, und morgen wartet auch noch die Prostata-Untersuchung, da haben die ungelenken romantischen Übungen wenig Chancen auf Erfolg. Das via Skype geführte - und als Film zugespielte - Gespräch eines russischen Regimekritikers mit seinen Eltern hat mit Schnitzler gar nichts zu tun, ist aber durchaus berührend, und gibt der Inszenierung die Möglichkeit, sich aktuell zu nennen.
Sehr gelungen ist die Szene von Hengameh Yaghoobifarah: Schnitzlers Dichter ist hier eine Dichterin, die einem "süßen Mädel" sexuell hörig ist. Warum die beiden dann plötzlich in die Nazizeit versetzt und von der SS verfolgt werden, bleibt ein wenig rätselhaft. Im nächsten Dialog setzt die Schauspielerin ihre sexuellen Reize ein, um eine Rolle zu bekommen. Das gelingt ihr nicht, und sie verzweifelt an der Tatsache, dass sie sich alt fühlt. Danach sucht und findet eine andere Schauspielerin einen Geldgeber für ein Filmprojekt. Der Geldgeber entpuppt sich in der letzten Szene als Waffenhändler und Ausbeuter eines afrikanischen Landes - ganz am Ende steht die Betriebsanleitung für eine Pistole.
Kein Stück
Das alles - dargeboten in einer Restaurant-Szenerie - ist in Details durchaus reizvoll, aber insgesamt viel zu langatmig und beliebig, und ergibt vor allem kein Stück.
Das Ensemble gibt sich viel Mühe, es wäre unfair, einzelne Darsteller hervorzuheben. Wobei: Lena Schwarz und Tabita Johannes spielen schon sehr gut.
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