Nachruf: Christian Locker glaubte an die Zeitlosigkeit

Nachruf: Christian Locker glaubte an die Zeitlosigkeit
Der letzte Roman des Wieners ist ein surrealer Krimi und erscheint Ende September posthum

Der Wiener Schriftsteller und Maler Christian Locker ist tot. Er war 55 Jahre alt. Im September wird ein allerletzter Roman in der Kremser Edition Roesner von ihm erscheinen, sein erster Krimi:
Der berühmte Philosoph Zerner wird vor Dutzenden Zeugen von einer unbekannten Frau erschossen. Während der Ermittlungen taucht ein weiterer Dr. Zerner auf – er scheint direkt aus den 1930ern ins heutige Wien zu kommen ... und die deutsche Wehrmacht könnte demnächst wieder einmal einmarschieren.
Locker beschäftigte sich viel mit Zeitreisen; und mit Parallelwelten. Selbst im letzten Interview , das er mit dem Journalisten Martin Haidinger führte, äußerte er Gedanken in der Art:
Was wäre, wenn man den eigenen Großvater erschlägt? Kommt man dann überhaupt auf die Welt?
Er glaube an die Zeitlosigkeit. Ein Blick in seine surrealen Geschichten unterstreicht es. Zum Beispiel  „Setzen! Nicht genügend“ (2015): 30 Jahre nach der Matura treffen sich alte Schulkollegen, und ein längst verstorbener Mitschüler setzt sich dazu. Einfach so. Er packt sein Lateinbuch aus.

Unterirdisch

Oder „Den Galgenvogel abgeschossen“ aus 2016: Jemand verlässt mit bamstigem Gesicht den Zahnarzt – und eine Kaiserin regiert das Land. So schnell geht das. Im Wirtshaus wird mit Neu-Heller gezahlt, und 15 Neu-Heller sind extra fällig, wenn jemand am Plumpsklo mehr als drei Blatt Papier verwendet.
Es war der  Publizist und einstige KURIER-Theaterkritiker David Axmann, auch schon tot, der nach Christian Lockers erstem Roman den Autor mit Herzmanovsky-Orlando verglich: „Einfach jeder“ (2012)  spielt zwischen Rax und Schneeberg, wo – unterirdisch – Gericht gehalten wird: Menschen werden guillotiniert, den Löwen zum Fraß vorgeworfen, und dazu trinkt man Bier.
Ein Plädoyer gegen die Todesstrafe ... wie man langsam merken wird.
Die Veröffentlichung des Romans „Unnötiges Österreich“  im April erlebte Locker noch. Erstmals ein autobiografisches Buch – was man nicht für möglich halten würde. Denn es geht um den Untergang Österreichs. Der Bundeskanzler ist bereits abgepascht, die Frau Innenministerin irrt noch umher und verirrt sich in ein Altersheim, wo die Bewohner wissen wollen: Geht es weiter?
Man bemüht sich halt.
 

 

Christian
Locker:

„Zeitig – Der Fall Zerner“
Edition Roesner.
ca. 360 Seiten.
26,90 Euro.
Erscheint Ende September.

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