Nach Lockdown: Kinos wollen öffnen, aber Filme fehlen
„The Show Must Go On“, lautet ein altes Sprichwort in Hollywood. Doch diese Forderung gestaltet sich für die Kinos derzeit schon allein deswegen als schwierig – weil es keine neuen Filme gibt.
In Österreich haben bereits Ende Mai vereinzelt Programmkinos überraschend ihre Tore geöffnet. Sie locken ihr Publikum – oft nur an den Wochenenden – mit Filmen, die bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie gestartet wurden, veranstalten Special Events oder kuratieren themenspezifische Programme wie „Black Lives Matter“. Mit Ende dieser Woche öffnen in Wien nun weitere Programmkinos wie das Votiv Kino, Filmcasino, Gartenbau und das Stadtkino.
„Es wäre mir selbstverständlich lieber gewesen, alle Kinos hätten zum gleichen Zeitpunkt gestartet“, sagt Michael Stejskal, Geschäftsführer des Filmverleih Filmladens und Betreiber des Votiv Kinos und Kino de France: „Es hätte mehr Vorbereitungszeit gegeben – etwa, um das Personal aus der Kurzarbeit zu holen und Hygienekonzepte zu entwickeln. Und es wäre für das Publikum leichter erfassbar gewesen, dass die Kinos wieder offen haben.“
Gegen einen punktuellen Spielbetrieb habe man sich bewusst entschieden, denn: „Wenn wir aufsperren, wollen wir soweit wie möglich einen normalen Kinobetrieb mit zwei Vorstellungen täglich fahren – mit allem, was dazu gehört.“
Wenn das Votiv Kino am Freitag öffnet, steht unter anderem der saudi-arabische Film „Die perfekte Kandidatin“ auf dem Programm. Auch er ist ein „alter“ Film, weil er bereits einen Starttermin hatte, tatsächlich aber nur einen einzigen Tag im Kino lief: „Der Film ist de facto neu“.
Schon ab 26. Juni kann dann das Votiv Kino mit „Monsieur Killerstyle“ einen brandneuen Film anbieten: „Da tun wir uns im Arthouse-Sektor ein bisschen leichter, denn die Landschaft des Independent-Films ist flexibler und bunter“, so Stejskal: „Wir können unsere Filmstarts teilweise vorziehen.“
Nolans „Tenet“
Gar nichts vorziehen hingegen lässt sich im Bereich des großen Unterhaltungskinos. Die Amerikaner liefern derzeit keine Blockbuster aus, weil sie fürchten, ihre teuren Produktionen könnten weltweit aufgrund der Sicherheitsbeschränkungen nicht auf genügend Leinwänden abgespielt werden und zuwenig Einspielergebnisse lukrieren. Zwar planen auch die US-Kinos bis Mitte Juli ihre Öffnung, aber die Unsicherheit ist bei den großen Studios trotzdem enorm hoch.
Christopher Nolans über 200 Millionen Dollar schwerer Sci-Fi-Spionage-Thriller „Tenet“ stand mit seinem Starttermin am 12. Juli lange Zeit wie ein Fels in der Brandung. Doch kürzlich gab das Warner Studio zur allgemeinen Konsternierung eine Verschiebung des Kinostarts auf Ende Juli bekannt.
Dadurch wackelt etwa auch die ursprünglich für 1. Juli geplante Wiedereröffnung der Multiplex-Kinos der Kinokette Cineplexx, Österreichs größtem Kinobetreiber: „Erst wenn eine relevante Anzahl an Kinobetrieben weltweit offen hat, werden wieder internationale Titel auf den Markt gebracht“, bestätigt Christof Papousek, Geschäftsführer der Cineplexx Kinobetriebe: „Die Wiedereröffnung unserer Kinos hängt von der finalen Bestätigung der Startdaten ab. Wir hoffen, dass wir ab Mitte Juli schrittweise zu einem Normalbetrieb mit stetiger Filmversorgung zurückkehren können.“
Einzig Disney hält bisher am Starttermin seiner Live-Action-Verfilmung „Mulan“ am 23. Juli fest. „Wonder Woman 1984“ wurde auf Oktober verschoben, Marvels „Black Widow“ ist erst für den 6. November geplant und James Bonds „No Time to Die“ startet nicht vor 11. November: „Diese Verschiebungen sind für die Kinos eine weitere Erschwerung der Situation. Ein Film machte es noch nicht aus: Man braucht eine gewisse Dichte an Programm“, bekräftigt auch Christian Dörfler, Betreiber des Haydn Kinos und Präsident des österreichischen Kinoverbandes: „Die ganze Branche lebt davon, dass zehn bis 15 Filme in der Woche starten, aber seit März ist keiner herausgekommen. Das Kino ist ein Zweikomponenten-Produkt: Das eine ist das Kino selbst, das andere die Filme. Wenn eine Komponente fehlt, funktioniert es nicht.“
Von einem Normalbetrieb kann also noch lange nicht die Rede sein, zumal die Kinosäle aufgrund der Sicherheitsbestimmungen nicht in ihrer vollen Kapazität ausgelastet werden können: „Von unseren regulären Umsätzen sind wir weit entfernt“, so Dörfler: „Insofern ist es wichtig, dass die Regierung nun nach langem Drängen beschlossen hat, den Fixkostenzuschuss auf sechs Monate zu verlängern.“
Sehnsucht
Diese Forderung wurde auch von Stejskal und Papousek vehement vertreten. Wichtig sei auch eine Unterstützung für jene geringfügig Beschäftigten, die im Freizeitbereich eine große Rolle spielen, aber nicht durch die Kurzarbeitsbeihilfe gedeckt sind.
Auch darin sind sich die Kinobetreiber einig: Bei vielen Menschen herrscht große Sehnsucht nach Kino. „Meine Hoffnung ist eine Annäherung an eine Normalität, die den Namen verdient“, wünscht sich Michael Stejskal: „Ich meine damit nicht die neue Normalität, wo man Abstand halten muss, sondern die alte Normalität: Wo man menschliche Nähe mag, nicht fürchtet, und aneinandergedrängt im Erlebnisraum Kino einen super Film sieht.“
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