Nach dem Verkauf: ATV ringt mit Behörden und bringt Quote
Der letzte Sonntag war ein Feiertag für ATV. Wieder lag man an einem Wahltag deutlich vor Puls4 – mit dem man seit dem Verkauf durch Herbert Kloiber im April in einer Senderfamilie verbunden ist. Die Diskussion der Spitzkandidaten verfolgten bei ATV 277.000, bei Puls4 waren es 212.000 Seher (siehe Grafik unten). Doch just diese Kooperation sorgt nun für Probleme mit der Medienbehörde. Sie überprüft, ob gegen Auflagen der Wettbewerbsbehörde verstoßen wurde. Ein Interview mit Interview mit ATV-Programmgeschäftsführer Thomas Gruber sowie Bernhard Albrecht, ATV-Finanzgeschäftsführer.
KURIER: Die Nationalratswahlen waren der erste Härtetest für ATV nach dem Verkauf im April. Wie beurteilen Sie die Performance von ATV am Wahltag?
Thomas Gruber: Wir sind, was die Quoten angeht, sehr zufrieden. ATV war unter den Privatsendern federführend über die ganze Wahlstrecke hinweg. Grundsätzlich freut es mich auch, dass es mit der Elefantenrunde zur einer Gemeinschafts-Produktion von ATV und Puls4 sowie ServusTV und SchauTV gekommen ist. Das war ein starkes Zeichen des österreichischen Privatfernsehens, von dem alle beteiligten Sender profitieren. Im Schnitt haben 640.000 Menschen die Diskussion der Spitzenkandidaten um 20:15“gesehen, was es nie zuvor gegeben hat.
ATV ist an Wahltagen stets stärker als Puls4. Warum?
Gruber: ATV ist an Wahltagen immer sehr präsent, verfügt mit dem Politikexperten Thomas Hofer und Meinungsforscher Peter Hajek über anerkannte Experten, man ist stets am Ort des Geschehens. ATV hat sich diese Stärke seit 2008, als die erste große Wahlberichterstattung gemacht wurde, auf- und bis heute weiter ausgebaut.
Gruber: Ein Verstoß gegen Auflagen ist uns nicht bekannt. Die Puls4-Redaktion und jene von ATV agieren autark und unabhängig voneinander. Jeder Sender produziert seine Beiträge eigenständig. Auch wenn sie Teil einer gemeinsamen Senderfamilie sind, gibt es weiterhin einen Konkurrenzkampf. Denn beide Sender buhlen um die Gunst der Seher und um Marktanteile und die Information ist hier ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. „ATV Aktuell“ ist die reichweitenstärkste Informationssendung im österreichischen Privatfernsehen. Durch neue Sendeplätze um 17.20 und 18.20 wird das noch verstärkt.
Was tut ProSiebenSAT.1Puls4 dafür, die Wettbewerbsbehörde, der es um die Eigenständigkeit von ATV geht, auch ein wenig zu beruhigen?
Bernhard Albrecht: Es gibt dazu einen, mit den Amtsparteien abgestimmten, Treuhänder, der sämtliche Prozesse überwacht und in regelmäßigen Abständen Berichte erstellt.
Es gab bei ATV einige prominente Abgänge und derzeit amtiert nur ein provisorischen Chefredakteur. Wie gehen Sie damit weiter um?
Gruber: Wir haben mit Werner Bartl einen interimistischen Chefredakteur installiert, weil wir einen inhaltlichen Qualitätsverlust während der Phase des Umzugs und der technischen Zusammenführung verhindern wollten. Gleichzeitig haben wir mit Georg Grabner, dem langjährigen CvD bei ATV Aktuell, einen Stellvertreter ernannt, der sich um das Inhaltliche kümmert. Er war am Wahltag federführend für die Berichterstattung zuständig. Grabner wird mit Anfang 2018 die redaktionelle Leitung übernehmen.
Stichwort Umzug von ATV, das ja in den Puls4-Komplex in St. Marx übersiedelt – wann soll das abgeschlossen sein?
Albrecht: Unser Plan der Zusammenlegung der Sender-Standorte ist mitten in der Umsetzung. Wenn alles gut geht, haben wir Ende des Jahres den größten Teil dieser Siedlung bereits hinter uns. Wir bauen zudem gerade in Neu-Marx ein komplett neues Sendeabwicklungszentrum für die Sender Puls4, ATV und ATV2. Das ist für uns ein Meilenstein, weil dann alle Sender direkt aus Neu-Marx senden können. Damit einher geht auch der vollständige technologische Sprung auf HD für beide ATV-Sender.
Was im Zusammenhang mit einer realen Eigenständig von ATV ebenfalls immer wieder thematisiert wird, ist die Personalfrage. Es war ursprünglich im Zuge des Kaufs angekündigt, dass 70 ATV-Mitarbeiter gehen müssen. Jüngst hieß es, es seien nunmehr 40 Mitarbeiter beim AMS angemeldet worden. Was passiert nun tatsächlich?
Albrecht: Ich bitte um Verständnis, dass wir Zahlen derzeit nicht bestätigen. Wir sind mitten in der organisatorischen Restrukturierung. Da liegen wir im Plan. Es ist aber definitiv noch zu früh für ein Resümee. Positiv ist anzumerken, dass wir bereits zwölf ATV-Kollegen auf offene Stellen bei Puls4 bzw. ProSiebenSAT.1Puls4 transferieren konnten. Das ist ein sensibler und schwieriger Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist.
Es muss ja eine Planung, eine Vorstellung seitens des Konzerns geben?
Nun zu ATV selbst: Wie geht es den Sendern? Augenfällig sind einige Änderungen in deren Programmierung und Ausrichtung.
Gruber: Wir haben den Quoten-Turnaround bei ATV und ATV2 geschafft und das früher, als wir das ursprünglich angenommen haben. Bei ATV haben wir die Talsohle durchschritten - als wir am 6. April die Gruppe übernommen haben, hatte ATV im März 2017 einen Marktanteil von 2,8 Prozent - im Oktober stehen wir jetzt bei 4,6 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe. Seit August sind wir bei ATV stets über 4 Prozent. Und auch ATV2, was mich besonders freut, hat die besten Monate seit Bestehen. Bereits im ersten Monat der Übernahme haben wir die Ein-Prozent-Marke überschritten und das ist bis dato so geblieben. Es steckt aber noch einiges an Potentialin den ATV-Sendern.
Es wurde besonders an der Daytime und auch am Vorabend gearbeitet.
Gruber: Es wurde von Anbeginn kommuniziert, dass wir eine klare komplementäre Programmierung zu Puls4 wollen, mit dem Ziel einer breiten Auswahl an attraktivem Programm. Bei ATV hat sich besonders die Daytime geändert. Wir setzen untertags wie auch am Vorabend auf Crime. Auch bei ATV2 haben wir die Daytime, aber auch die Primetime stark verändert, wo wir auf hochwertigere Filme setzen. Diese Maßnahmen machen sich entsprechend in den Marktanteilen bemerkbar.
Wohin soll programmlich die Reise bei ATV gehen? Von der Wettbewerbsbehörde vorgeben sind zwei Tage mit Eigenproduktionen.
Gruber: Wir setzen auf einen Mix aus bestehenden Formaten und Sendungen sowie neuen Produktionen. So laufen bekannte Reihen wie „Pfusch am Bau“, „Wachzimmer Ottakring“ oder „Teenager werden Mütter“ weiter. Besser als zuletzt gestartet ist eben „Bauer sucht Frau“. Mit neuen Ideen wollen wir zum einen in Richtung Feelgood-Formate gehen – dazu zählt fürs nächste Jahr „Die Hochzeit meiner besten Freundin“ - oder auch Service-Sendungen wie „Die Balkonprofis“. Dazu kommen noch neue, ATV-typische Reportage-Reihen wie zum Beispiel „Balkan-Hochzeiten“. Ein besonderes Highlight ist die erstmalige Ausstrahlung von „Austria’s Next Top-Model“ ab 2. November bei ATV.
Geändert hat sich auch der Sonntag bei ATV. Warum das?
Gruber: Den Sonntag haben wir umgestellt, um ihn für eine breitere Zielgruppe attraktiv zu machen: Hier punkten wir mit „Hubert & Staller“ im Dreifach-Pack. Damit kommen wir regelmäßig über 150.000 Zuseher, manchmal auch auf 200.000. Deshalb wollen wir an dieser Stelle auch noch anderes probieren: Das ist etwa „Beim Andy“ mit Andy Borg, womit wir bei ATV erstmals auch das Thema Schlager auf Sendung bringen wollen. Dazu zählt auch „Gut Aiderbichl“ am Sonntag vor Weihnachten.
Wie geht sich das aus? Zwischen Andy Borg und der werberelevanten jungen Zielgruppe mit Feelgood-Formaten oder „Topmodel“ klafft doch altersmäßig eine ziemliche Lücke?
Gruber: Wir sind ein Vollprogramm für alle Österreicher, wir holen uns die Marktanteile dort, wo wir sie bekommen können. Wir haben den Sonntag deshalb auf ATV nun älter, also breiter, positioniert.
Gruber: Durch die Umstellung der Programmierung ist ATV insgesamt etwas weiblicher geworden. Es ist aber dennoch kein Frauen-Sender, auch wenn „Topmodel“ das vermuten lässt. „Pfusch am Bau“ ist zum Beispiel im Geschlechterverhältnis ausgeglichen, „Bauer sucht Frau“ ist wiederum leicht weiblich. Über alles hinweg gilt: Das Programm folgt dem, was ATV beim Gesamtmarktanteil 12 bis 49 Jahre weiterhilft und dafür müssen wir breiter aufgestellt sein. Deshalb ist der Sonntag anders ausgerichtet als etwa ein Donnerstag, wo „Topmodel“ laufen wird.
„Hubert & Staller“ ist eine Produktion der Tele München des vormaligen ATV-Besitzers Herbert Kloiber. Im Zuge des Verkaufs, darf man annehmen, wurde auch ein Rechte-Paket mitverhandelt. Was findet sich darin neben „Hubert & Staller“ noch?
Gruber: Ein Teil des aktuellen Programmstocks stammt aus diesem Paket. Die Tele München ist, wie andere auch, nun ein ganz normaler Lizenzgeber und wir konnten uns ein sehr ansprechendes Rechte-Paket mit Serien und Filmen sichern. Das hilft uns bei den Marktanteilen. Was noch kommen wird ist u. a. bei ATV2 im Frühjahr die BBC-Serie „Taboo“ von und mit Tom Hardy sowie Franka Potente.
Es wird also ATV2 weitergeben?
Gruber: ATV2 wird es auf alle Fälle weiterhin geben. Wir haben dort ein wenig umgestellt, aber die Reise ist noch lange nicht vorbei. ATV2 soll der stärkste Sender der dritten Generation in Österreich sein. Nach dem Überschreiten der Ein-Prozent-Marke bei den Markanteilen soll sich ATV2, so unser Ziel, der Zwei-Prozent-Hürde nähern.
Und wo liegen die Quoten-Ziele beim Hauptsender ATV?
Gruber: Die Quoten-Ziele, die wir uns vorab gesetzt haben, wurden bereits nach kurzer Zeit erreicht. Was wir nun wollen, ist klar: weiter wachsen. Das erste Quartal 2017 – noch vor der Übernahme - ist sehr schlecht gewesen, aber das liegt eindeutig hinter uns. Eine mit Zahlen definierte Marke gibt es nicht, aber unsere Devise lautet: Wachstum.
Das kommerzielle Fernsehen lebt von den Werbeeinnahmen. Was bringt es den ATV-Sendern, Teil einer großen Privat-TV-Gruppe zu sein?
Gruber: Ein Riesenvorteil ist, dass wir als Teil von ProSiebenSat.1 Puls4 eine gemeinschaftliche Vertriebsmannschaft haben. Michael Stix und sein Sales-Team arbeiten gezielt daran nun auch die ATV-Sender am Werbemarkt entsprechend zu platzieren.
Und man muss sich nicht mehr gegenseitig am Werbemarkt mit 90-prozentigen Rabatten bekämpfen…
Albrecht: Sowas gab es auch bisher nicht. Diese Einbettung ist natürlich ein großer Vorteil. Heuer verkauft ATV eigentlich noch separat. Aber auch hier werden die technischen Systeme mit Anfang 2018 zusammengeführt. Damit steht allen Werbekunden unserer Gruppe das gleiche Produktportfolio zur Verfügung. Aufgrund des schwierigen ersten Quartals von ATV war die wirtschaftliche Ausgangs-Situation 2017 nicht perfekt. Inzwischen sieht man aber erhebliche Verbesserungen. Aufgrund der so positiven Reichweitenentwicklung ist ATV für Werbekunden ja sehr günstig und attraktiv. Wir rechnen deshalb auch damit, dass von der Umsatzseite eine Unterstützung für die laufende Umstrukturierung kommen wird. Und außerdem können Werbekunden, wenn sie wollen, ATV auch weiterhin getrennt buchen.
Wenn man die Quoten betrachtet, könnte man zum Schluss kommen, ATV gewinnt auf Kosten von Puls4, was ja nicht so ganz im Interesse des Konzerns sein dürfte. Denn der braucht Wachstum.
Gruber: Die Entwicklung in den vergangenen zwei Monaten ist so, dass sämtliche österreichischen Privatsender zulegen – österreichisches Privat-TV ist also im Aufwind. Das gilt auch für Puls4 und ServusTV, wie auch für ATV und ATV2. Es ist also nicht so, dass einer auf Kosten anderer Privater zulegen würde.
Gruber: Nicht zuletzt durch die Reichweitenerfolge in der Wahlberichterstattung jetzt und in den vergangenen Jahren haben sich Österreichs Privatsender in Sachen Relevanz ein deutlich besseres Standing bei der Politik erarbeitet. Es ist aber für heimische Privatsender extrem schwierig, Marktanteile zu gewinnen. Da wäre eine weitergehende wirtschaftliche Unterstützung wünschenswert.
Albrecht: Auf wirtschaftlich soliden Beinen zu stehen, ist für Privatsender in Österreich nicht leicht. Ein Aspekt dabei ist die Größe und Übermacht des ORF, der natürlich auch ein starker kommerzieller Player ist und den Werbemarkt entsprechend beeinflusst. Der ORF müsste unserer Auffassung noch einen stärkeren Beitrag leisten, damit sich Privatfernsehen in Österreich – und damit Vielfalt – nachhaltig etablieren kann.
Einen Beitrag kann die ProSiebenSAT.1Puls4-Gruppe auch selbst leisten, in dem das ihr von Markt-Teilnehmern nachgesagte Preis-Dumping bei der Werbung zurückgefahren wird. Ist es für Sie vorstellbar, dass die Preise für TV-Werbung wieder anziehen?
Albrecht: Wenn die Reichweitenentwicklung der ATV-Sender eine derart positive bleibt und wir nachhaltig größte Zielgruppen erreichen, ist auch auf der Tarifseite einiges wieder möglich. Das ist eine Perspektive für ATV.
Ist eigentlich daran gedacht, Formate bei ATV2 zu testen, um sie dann im Erfolgsfall in einen größeren Sender im Konzern zu heben?
Gruber: Nein, das macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Und auch wenn wir zu einer Senderfamilie gehören, stehen die ATV-Sender in Konkurrenz zu Puls4.
Albrecht: Wir gewinnen durch die nun vorhandene Technik an Flexibilität. ATV2 ist nun ein Sender, der im Live-Bereich Events bringen kann, die auf dem großen Sender nicht ausreichend funktionieren würden. Da werden wir 2018 das eine oder andere probieren. Denkbar sind etwa Ereignisse aus den Bereichen Politik oder Sport.
Wieviel Zeit haben Sie jetzt, um ATV in die schwarzen Zahlen zu führen – auch um den Kaufpreis (von kolportierten 23 Millionen, Anm.) zurückzuverdienen?
Albrecht: Ziel ist, schon 2019 den Turnaround nachhaltig geschafft zu haben. Die Sanierung passiert auf verschiedenen Ebenen: der Technik, dem Vertrieb, dem Personal, Verwaltung, Ablaufprozesse etcetera. Wir kommen da gut voran, aber es bleibt eine große Herausforderung. In Summe müssen wir die operativen Kosten um etwa 15 Millionen senken. Das ist knapp ein Drittel der Situation vor dem Verkauf. Dadurch sind auch alle Bereiche betroffen und müssen einen Beitrag leisten. Aber ich glaube, der Plan, den wir beim Erwerb der ATV-Sender hatten, funktioniert und die Entwicklung verläuft positiv, braucht aber noch ein wenig Zeit.
Die Programmpläne bei ATV
Dominic „Heinzl und die VIPs“ gehen weiter, nachdem die zweite Folge aus ATV-Sicht sehr gut gelaufen ist. Heinzl könnte in Kitzbühel und bei der Streif vorbeischauen. ATV wird auch das Thema Opernball wahrnehmen, kündigt Programmgeschäftsführer Thomas Gruber an. Ob das mit Richard Lugner geschieht oder mit Heinzl oder gar beiden, wird man dann sehen.
Verstärkt testet ATV nun Formate mit Pilotfolgen: So treffen sich Schlagerfreunde erstmalig „Beim Andy“ Borg (12. 11.); auch Vier Pfoten in Not (Arbeitstitel) ist ein Test. . 2018 geht es weiter mit den Reportagen-Reihen: Neu kommt „Balkan-Hochzeiten“, die in Österreich mit 500 bis 1000 Gästen gefeiert werden. Ein neues Format, typisch für ATV, „Betrogen“ - Privatdetektive, die Fremdgeher ermitteln sollen, sind bereits ausgewählt. Jetzt werden Betroffene gesucht. Ein ATV2-Highlight im Frühjahr wird die BBC-Serie „Taboo“ von und mit Tom Hardy und Franka Potente.
Alle Castings unter: http://atv.at /bewerben/
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