"My Fair Lady" an der Volksoper: Am Ende haben die Herren das Nachsehen

"My Fair Lady" an der Volksoper: Am Ende haben die Herren das Nachsehen
Paula Nocker und Markus Meyer brillieren in Ruth Brauer-Kvams Neueinstudierung.

von Susanne Zobl

Auf einen ersten Blick hat sich bei der Neueinstudierung von „My Fair Lady“ an der Volksoper an der Inszenierung von Robert Herzl nicht viel geändert. Die Bühne von Rolf Langenfass führt bewährt ins London des beginnenden 20. Jahrhunderts. Dennoch gelingt es Ruth Brauer-Kvam, Alan Jay Lerners und Frederick Loewes Bearbeitung von Bernard Shaws „Pygmalion“ so zu erzählen, dass sie in einer auf Gleichstellung orientierten Gesellschaft erstaunlich gut funktioniert. Denn am Ende haben die Herren das Nachsehen. Eliza radelt Higgins und ihrem Verehrer Freddy davon.

Paula Nockers Eliza ist eine erfrischend geradlinige, junge Frau, die sich freiwillig Higgins’ strengem Unterricht aussetzt, um den sozialen Aufstieg vom Blumenmädchen zur Karrierefrau zu schaffen. Ihre Dialektpassagen artikuliert sie in einer etwas schwer verständlichen Kunstsprache. Bei ihrem ersten Test als Lady in Ascot agiert sie wie eine Puppe. Bei Hits wie „Es grünt so grün“ verlegt sie den Schwerpunkt auf die Sprachübungen – das ist klug, denn das passt zum Sprechgesang von Markus Meyer als Higgins. 
 

Der zeigt einen sympathischen, besessenen, etwas schrulligen Gelehrten. Sogar sein Drill hat etwas Liebevolles. Von diesem Professor würde man sich gern unterrichten lassen. Manuel Rubey zeigt Pickering mit nobler Zurückhaltung. Alfred P. Doolittle ist eine Glanzrolle für Karl Markovics. Er tritt wie eine Nestroy-Figur auf, beeindruckt beim Gesang und mit stummfilmreifen Slapstick-Einlagen. Lionel von Lawrence ist ein vokal solider Freddy, Marianne Nentwich eine charmante Mutter Higgins. 

Charlotte Corderoy treibt das gut disponierte Volksopernorchester mit Verve an, setzt zunächst auf zu viel Fortissimo und Tempo, was auf Kosten der Textverständlichkeit geht, stellt aber im Laufe des Abends die Balance her. Herzlicher Applaus. In Ruth Brauer-Kvams Neueinstudierung von „My Fair Lady“ haben die Herren im besten Wortsinn das Nachsehen. Denn Eliza Doolittle radelt davon in ein neues, unabhängiges Leben. 

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