Musikwirtschaft Österreich: unterschätzt und mit Forderungen

Musikwirtschaft Österreich: unterschätzt und mit Forderungen
Die österreichische Musikwirtschaft gibt sich mit Studie einen "Selbstbewusstseinsboost", bringt sich in Stellung und fordert von der Politik mehr Unterstützung.

"Schaut her, die österreichische Musikwirtschaft ist für die heimische Wirtschaft wichtiger als bislang gedacht". So könnte man die am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellte Studie mit dem etwas langweiligen Titel "Wertschöpfung der Musikwirtschaft in Österreich“ kurz zusammenfassen. Die vom Fachverband der Film- und Musikwirtschaft (FAMA), dem Verband der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI) und der AKM in Auftrag gegebene Studie zeigt das Problem einer Querschnittsmaterie auf und ist (natürlich) Wasser auf den Mühlen der Auftraggeber.

Riese ohne Selbstvertrauen

Die Musikwirtschaft, so die eigentliche Überschrift der Studie, sei ein "heimlicher", "unsichtbarer" und "schlafender Riese“, der sich viel zu oft selbst schlechter redet, als er ist. Er müsste eigentlich mehr Selbstvertrauen haben, denn er spült jährlich Millionen in die Steuerkassa des Finanzministers. 95.000 Personen sind direkt durch Aktivitäten der Musikwirtschaft beschäftigt und erzielen 4,8 Milliarden Euro direkte Bruttowertschöpfung. Damit sei man die drittstärkste Branche, die 2,8 Prozent des BIP erwirtschafte, besagt die Studie.

Für alle, die mit diesen Zahlen wenig bis nichts anfangen können, lieferten die Studienautoren dann Vergleiche mit anderen Branchen: Im Vergleich liege man mit 117.000 Arbeitsplätzen, die insgesamt an der Branche hängen, auf Platz zwei hinter dem Einzelhandel (127.000 Jobs). 

Musikwirtschaft Österreich: unterschätzt und mit Forderungen

Ina Regen

Ina Regen, die Sängerin und Musikproduzentin, die neben den beiden Studienautoren Anna Kleissner und Michael Paul sowie Peter Vieweger (Präsident der Verwertungsgesellschaft AKM), Franz Medwenitsch, (Geschäftsführer, Verband der Österreichischen Musikwirtschaft – IFPI Austria) und Hannes Tschürtz (Vorsitzender der Berufsgruppe „Label“, Fachverband der Film- und Musikwirtschaft und geschäftsführender Gesellschafter, ink Music GmbH) saß, lieferte dann Beispiele aus der Praxis und freute sich über das Ergebnis der Studie, das für jede Musikerin und jeden Musiker ein „Selbstbewusstseinsboost“ sei. 

Ina Regen zählt zu den 7.000 „Kernmusikschaffenden“ in diesem Land, von deren Erfolg teilweise 100 Menschen abhängig sind: "Mit meinem Durchbruch 2017 mit signifikanter Tagesrotation in den größten heimischen Radios und medialer Reichweite in TV- und Printmedien bin ich von einer One-Woman-Show binnen weniger Wochen zur Auftraggeberin für mehr als 100 Selbstständigen geworden. Hinter jedem erfolgreichen Künstler stehen viele Menschen", sagt sie. Daher habe man als Künstler auch eine große Verantwortung, der sich auch die Politik und die Medien bewusst sein sollten. Es sei also wichtig, dass über heimische Künstlerinnen und Künstler berichtet und ihre Musik im Radio gespielt wird. Die Rechnung ist einfach: Keine Aufmerksamkeit, keine Einnahmen. 

Musikwirtschaft Österreich: unterschätzt und mit Forderungen

Potenzial besser nutzen, runter mit der Mehrwertsteuer

Die Schlussfolgerungen gehen laut Hannes Tschürz klar aus der Studie hervor: „Je klüger und besser wir die Kreativen in der lokalen Musikwirtschaft unterstützen können, desto stärker werden die Wertschöpfungseffekte“ Daraus ergibt sich eine Art Handlungsanweisung für die musikalische Zukunft Österreichs: Der Schlüssel zu einer stärkeren heimischen Musikwirtschaft – und damit zum besseren Ausschöpfen von deren wirtschaftlichem Potenzial – sind Investitionen in den musikalischen und musikwirtschaftlichen Ausbildungsbereich, „die für sich selbst genommen schon große wirtschaftliche Effekte bringen. Die Investitionen kommen um ein Vielfaches multipliziert zurück“, betont Tschürtz.

Österreichs kleiner Musikmarkt könne die notwendigen Investitionen oft nicht allein stemmen, sagt IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch. „Deshalb muss der Staat bereit sein, ausreichend Fördermittel für die heimische Musikproduktion und die internationale Vermarktung zur Verfügung zu stellen.“

Um den globalen Druck standhalten zu können, brauche es passende gesetzliche Rahmenbedingungen – Stichworte: Urheberrecht, KI-Gesetz, Erhöhung des Musikfonds hinauf auf 5 Millionen Euro (aktuell 2, 2 Millionen Euro jährlich) und eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Tonträger und Musikservices: 10 statt bislang 20 Prozent. Wie das auch bei Büchern oder Konzerttickets der Fall ist. 

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Mehr österreichische Musik im Radio, Musikunterricht in Schulen gehört gefördert

AKM-Präsident Peter Vieweger hatte dann eine Bitte an Eltern, Lehrer, Direktoren und den Bildungsminister: "Wir müssen die Kids vom Smartphone in den Proberaum holen". Weiters nahm er die öffentlich-rechtlichen Radiosender (allen voran das Hitradio Ö3) in die Pflicht und kritisierte die Entscheidungsträger beim ORF

Die Prozentzahl der in den ORF-Radios gespielten Musik aus Österreich ist wieder rückläufig. Die vor Jahren mit dem ehemaligen ORF-General Alexander Wrabetz vereinbarte Quote sei von Roland Weißmann nicht verlängert worden, so Peter Vieweger. Von den damals vereinbarten 15 Prozent sei man derzeit bei Ö3 weit entfernt: "Die nationalen Radiostationen setzen wieder vorwiegend auf Altbekanntes oder internationale Hits. Damit schade sich Österreich nachhaltig selbst. Denn eine Erhöhung des Anteils heimischer Musik im Radio um fünf Prozent würde "zu jährlichen Direkteinnahmen von mehr als einer Million Euro" führen, rechnet Vieweger vor. Etwas mehr Aufmerksamkeit hätte sich der "unsichtbare Riese" auf jeden Fall verdient. 

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