Museums-Selfies im Minenfeld

Nicht nur Katzen-Content, auch Kunst befeuert das Social-Media-Business
Besucher-Fotos in Ausstellungen, einst verboten, werden heute forciert. Welche Regeln gelten?

Heute, Mittwoch, ist es so weit: Es ist @MuseumSelfieDay. Der globale Aktionstag, 2014 von der Britin Mar Dixon lanciert, fördert massive Mengen an Museums-Bildern ins Netz – über 34 Millionen Tweets und rund 5000 Instagram-Posts waren es im Vorjahr, der Rekord wird heute wohl gebrochen. Denn gerade Instagram gewinnt laufend User: In Österreich nutzten 2016 eine Million Menschen, größtenteils unter 39 Jahre alt, die Plattform.

Für diese Klientel ist das Fotografieren und Teilen so natürlich wie das Schauen, sagt Ivana Novoselac-Binder, die seit 2015 die Social-Media-Aktivitäten der Wiener Albertina verantwortet.

Wie viele andere Institutionen hat sich das Museum in dieser Zeit offensiv in die Social-Media-Welt eingeklinkt. Es veranstaltet Twitter-Führungen und lädt auch heute dazu ein, Selfies zu posten: Der Event garantiert Präsenz beim Publikum und bringt neue „Followers“, die nicht nur Werbung des Hauses empfangen, sondern auch Feedback geben: „Social Media haben große Aussagekraft darüber, was gut ankommt – es ist eine passive Besucherbefragung“, sagt Novoselac-Binder.

Sehen und Teilen

Die Zeiten, als das Mitführen einer Kamera im Museum für alarmiertes Aufsichtspersonal sorgte, sind allerdings noch nicht so lange her – und viele Regeln haben den Schritt ins Social-Media-Zeitalter nicht mitgemacht. Die konservatorische Maxime, dass Werke nicht mit Blitz fotografiert werden dürfen, gilt unverändert, bei sensiblen Materialien wird weiterhin Foto-Verbot verhängt.

Urheberrechtlich sind Werke, deren Schöpfer länger als 70 Jahre tot sind, theoretisch „gemeinfrei“ – ein Leihgeber, der etwa ein Rubens-Gemälde zur Verfügung stellt, kann aber verfügen, dass es nicht fotografiert werden darf. Meist sollen derlei Klauseln eine kommerzielle Nutzung der Bilder unterbinden. Viele Verträge, die aktuelle Ausstellungen betreffen, wurden schon vor Jahren unterzeichnet, als das Ausmaß der Social-Media-Nutzung noch nicht absehbar war.

Eine vielfältig bestückte Ausstellung kann also durchaus zu einem rechtlichen Spießrutenlauf werden – besonders, wenn darin auch Werke hängen, deren Urheber noch leben oder weniger als 70 Jahre tot sind. Zwar gesteht das Gesetz jedem das Recht auf eine „Privatkopie“ zu, eine Abgabe auf Speichermedien – etwa auf die Speicherkarte des Smartphones – wird in Österreich auf Urheber aufgeteilt. Wird ein geschütztes Bild jedoch online gepostet, ist dies kein „persönlicher Gebrauch“ mehr.

Selfie-Pauschale

Günter Schönberger, der als Chef der Verwertungsgesellschaft „Bildrecht“ die Ansprüche heimischer Künstlerinnen und Künstler vertritt, betont, dass seine Institution keineswegs Kunstfreunde abmahnen möchte, die Bilder teilen – ein „fairer Anteil“ für Kunstschaffende solle aber gewährleistet sein.

Da Museen im Vorfeld einer Ausstellung ohnehin mit Rechteinhabern die Verwendung von Bildern für Plakate, Kataloge, Merchandising-Artikel etc. abstimmen, zielt Schönberger auf eine „kollektive Lizensierung“: Dabei sollte auch die Verbreitung via Social Media in einem pauschalen Tarif abgegolten werden. Was auf heimischer Ebene punktuell schon funktioniert, ist global gesehen noch ein frommer Wunsch: Giganten wie Facebook sind an einer „Selfie-Steuer“ nicht wirklich interessiert.

Museums-Selfies im Minenfeld
Hubert Scheibl, "Fly", Belvedere
Je nach Perspektive sind Fotos aus Museen Werbung, „aktuelle Berichterstattung“ oder auch kreative Eigenleistung. Fest steht: Richtig darauf verzichten will eigentlich niemand mehr. Künstler haben Social Media längst für sich entdeckt, in der aktuellen Schau des Malers Hubert Scheibl im Unteren Belvedere (#flyscheiblfly, bis 5.2.) etwa sind Besucher zu originellen Posen aufgeforde rt. „Ich bin immer wieder berührt von den Ideen der BesucherInnen“, erklärt Scheibl dem KURIER dazu. „Die Interventionen spiegeln eine neue Variante der Werke und negieren meinen Anspruch. Es gibt mir letztlich das Gefühl, damit nicht allein zu sein.“

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