Chef des Museums der Moderne Salzburg: "Museen schauen in die Zukunft“
Museum der Moderne Salzburg. Der neue Direktor Harald Krejci über die Veränderung dessen, was Museen leisten, warum Blockbuster out sind und die Sanierung 2027.
Drei Sachen, sagt der neue Direktor, sind ihm aus seiner Anfangszeit in Salzburg besonders in Erinnerung: Die hohe Professionalität, mit der im Museum der Moderne Salzburg (MdMS) gearbeitet wird. Wie schlecht die Radwege in der Stadt sind. „Und, es ist wirklich so, dass einen das Wetter manchmal aus der Bahn wirft. Ich bin in den letzten Wochen oft nass geworden“, sagt Harald Krejci mit einem Lachen.
Der ehemalige Kurator des Belvedere leitet seit Jahresbeginn das über Salzburg thronende Haus und seine Dependance, das Rupertinum. Und das in einer Veränderungsphase, die gerade viele Museen erfasst. Die neu bestellten Museumsdirektoren, auch Krejci, führen diesen Wandel auf den Lippen: Man klinkt sich vermehrt in aktuelle Diskurse ein, indem man die Kunst danach befragt, man legt mehr Wert auf Inklusion und die gezielte Ansprache von neuem Publikum. „Ein Museum muss genauso dynamisch sein wie die Gesellschaft, muss nach vorne schauen, neugierig sein“, sagt er. „Wir müssen verstärkt hinterfragen: Was ist unsere gesellschaftliche Zukunft? Und wie arbeiten Künstler mit diesen Vorstellungen?“
Seine programmatischen Leitlinien seien das Emanzipatorische, die Ökologie und das Thema Demokratie und Freiheit. Anhand dieser Themen will er die Sammlung befragen und Ausstellungen machen. Museen seien damit künftig „in die Zukunft gerichtet“: „Man sagt über Museen häufig, sie würden nur mit der Vergangenheit arbeiten, schauen, was früher toll war. Wir schauen in die Zukunft – und entdecken dadurch Dinge aus der Vergangenheit neu. Da ergeben sich ganz andere Perspektiven. Das Gute ist: Wir haben die Geschichte selbst im Haus, können sie also direkt vor Ort befragen und Brücken schlagen.“
Zur Person
Harald Krejci kam am 29. Juni 1970 in Linz zur Welt und wuchs in Deutschland auf. Er studierte Kunstgeschichte, Kunstdidaktik und italienische Philologie. Anschließend war er Kunstvermittler in Wien, unter anderem am mumok. Ab 2009 arbeitete er im Belvedere, zunächst als Kurator, ab 2016 als Chefkurator eines rund 20-köpfigen Teams. Seit Jahresbeginn ist er Direktor des Museum der Moderne Salzburg
Jubiläum
Das Rupertinum als erster Standort des Museums der Moderne Salzburg feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen. 2004 folgte der zweite Standort am Mönchsberg
Ausstellungen
Derzeit sind am Mönchsberg die Ausstellung „Arch Of Hysteria“ (über die Rückenbeuge, sehr empfehlenswert!) sowie die Personalen Maria Bartuszova und Marinella Senatore zu sehen; im Rupertinum neben dem Festspielbezirk „Vorhang auf! Theaterfotografie von Ruth Walz“ und ein Rückblick anlässlich des 40-Jahr-Jubiläums
Das MdMS betreut „sehr heterogene Sammlungen“, die Krejci künftig vermehrt befragen will. Was aufgrund der kurzen Transportwege auch günstigere Ausstellungen ermöglicht, denn: „Inflation und gestiegene Personalkosten machen sich bemerkbar.“ Künftig sollen auch kleinere innovative Formate, sogenannte „Generator“-Ausstellungen, neue Blicke auf die Sammlung ermöglichen. „Es muss nicht immer gleich eine große Ausstellung sein. Die Sammlung wird weiterhin stark sichtbar sein.“
Ist diese Neuentdeckung der gesellschaftlichen Relevanz von Museen aber nicht auch eine Reaktion drauf, dass diese sonst aus den öffentlichen Diskursen herausfallen – selbst mit Blockbuster-Ausstellungen, mit denen vor Kurzem noch für Aufmerksamkeit gesorgt wurde? „Es gibt eine gewisse Mängellage in den Museen, was die Präsenz von weiblichen Positionen angeht, und von Bevölkerungsgruppen, die kaum repräsentiert sind – auch in den Sammlungen“, sagt der Direktor.
Die Institutionen verändern sich
Dass auf diese Fehlstellen mehr Aufmerksamkeit gelegt werde, war bereits ein zentrales Anliegen meines Vorgängers. Nun aber sehe man eine „Transformation der Institutionen selbst. Wir fragen uns: Wer arbeitet bei uns eigentlich? Da wollen wir im Team und bei der Vermittlung noch diverser werden. In der Ausstellungsplanung befassen wir uns verstärkt mit weniger bekannten Positionen, weil man bei einer Entdeckung oft mehr erfahren kann als bei einem „Blockbuster“. Der Trend geht eigentlich schon wieder weg von Großausstellungen. Man fragt sich bei manchen künstlerischen Positionen, die stark in Museen vertreten sind, ob sie noch nah am Diskurs sind.“
Auch die Vermittlung verändere sich. Die Museumsarbeit sei gekennzeichnet von einem „Hin zum Warum“: Wenn ein Besucher das Gefühl habe zu wissen, „warum mir das Museum dieses Bild zeigt, dann hat er viel mehr davon, als wenn das Museum nur sagt: ,Das ist ein tolles Bild.“
Diese Transformation sei auch eine Herausforderung für das Museum als Unternehmen, etwa bei der Umweltzeichen-Zertifizierung, an der das Museum der Moderne Salzburg derzeit arbeitet. Für viele Leihgeber und Sponsoren ist es wichtig, dass Partner entsprechende Zertifikate vorweisen können“, sagt Krejci. „Wir befinden uns in einem Transformationsprozess in unserer Gesellschaft. Da muss man als Museum federführend Themen mitgestalten. Maria Bartuszová hat beispielsweise schon in den 1960ern gesellschaftsrelevant als Künstlerin gearbeitet, indem sie Workshops mit sehbehinderten Kindern und Jugendlichen gestaltet hat, um Kunst im wahrsten Sinn des Wortes „begreifbar“ zu machen. Hier knüpfen wir als Museum an und bieten in der Ausstellung über Bartuszovás Werk die Möglichkeit, Arbeiten und Materialien mit mehreren Sinnen zu erfahren.“
Es gehe ihm in seiner Arbeit „immer um den Austausch, darum: Wie gehen wir miteinander um?“ Man wolle den Besuchern „auf Augenhöhe“ begegnen. Ein Konzept, das sich mit dem am Mönchsberg erhabenen Museumsbau nicht sofort zusammenführen lässt: Der Bau ist derart herrschaftlich gelegen, dass man sich ihm immer von unten nähert.
Ein Problem? „Wenn sich die Salzburgerinnen und Salzburger mit den Inhalten identifizieren können, dann werden sie das automatisch als ein offeneres Haus erleben“, sagt Krejci. „Es ist großzügig, klar, steht mittendrin. Ja, es hat etwas Majestätisches. Ich mag dieses Gebäude sehr, die nüchterne Architektur, die die Kunst noch mehr zur Geltung bringt.“
Sanierung mit Fotovoltaik
2027 wird das Haus am Berg zur Großbaustelle und voraussichtlich für sechs Monate geschlossen: „Wir müssen das Dach sanieren, Flachdächer haben es nicht leicht. Wir nützen die Gelegenheit, um eine Photovoltaikanlage zu installieren. Es wäre absurd, wenn wir das nicht machen! Wir gehören da zu den prädestiniertesten Stellen in Salzburg.“ Das Land unterstützt die Sanierungsmaßnahmen finanziell. Trotz der Schließzeit wird das Museum weiterhin sichtbar bleiben: „Wir haben dann den Skulpturenpark draußen, das Rupertinum unten, und in irgendeiner Form wird auch die Baustelle zum Kunstprojekt“.
Apropos Rupertinum: Das Haus im Stadtzentrum (dort wird schon jetzt das Dach saniert) und das Museum am Berg können mit einem gemeinsamen Ticket besucht werden. Sollen damit die Menschen heraufgelockt werden – oder das Rupertinum belebt? „Beides, und es funktioniert. Und wir arbeiten daran, die Ticketstruktur noch einfacher zu machen.“
Spielt die Politik hinein? Bremst die FPÖ-Landesregierungsbeteiligung ein weltoffenes, modernes Museumsprogramm aus? „Ich bin mit einem ganz klaren Konzept angetreten, dafür hat man mich geholt und deswegen werde ich dieses Konzept umsetzen. Bei uns im Programm ändert sich gar nichts. Der Auftrag ist, ein Programm von internationaler Strahlkraft zu entwicklen. Da gibt es keine Einmischung.“
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