590 Bilder werden im Netz veröffentlicht

"Don Quichote and Sancho Panza" von Honoré Daumier und "Kind am Tisch" von Otto Griebel könnten laut deutschen Behörden mögliche Raubkunst sein.
Bayern will kommende Woche 590 Bilder aus dem Münchner Kunstfund im Internet veröffentlichen.

Bayern dringt auf eine Verständigung mit dem Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt über die bei ihm beschlagnahmten 1400 Bilder. Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagte der Süddeutschen Zeitung (Freitag), es sei im Interesse aller, „wenn es zu einer einvernehmlichen Lösung käme“. Es gehe „um die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland für die Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus“.

Die Erforschung der Herkunft der Bilder müsse „jetzt auf breiter Front mit vereinten Kräften“ erfolgen, sagte der Minister. Geklärt werden müsse, welche Bilder Nazi-Raubkunst seien. Wenn Eigentümern von Bildern, die in der NS-Zeit enteignet wurden, jetzt Verjährung entgegengehalten werde, sei das schwer erträglich. „Wir schauen uns deshalb genau an, ob für den Fall der Enteignung von Kunstwerken durch das NS-Unrechtsregime jedenfalls für bösgläubige spätere Erwerber eine Berufung darauf ausgeschlossen werden sollte“, sagte Bausback.

NS-Raubkunst

In Gurlitts Münchner Wohnung waren im Februar 2012 rund 1400 Bilder beschlagnahmt worden, darunter Werke von Dix, Chagall und Matisse. Rund 590 Bilder könnten NS-Raubgut sein.

Diese sollen von kommender Woche an im Internet zu sehen sein, wie die Leiterin der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“, Ingeborg Berggreen-Merkel, am Donnerstagabend in Berlin ankündigte. Eine erste Liste von 25 Bildern mit möglichem Nazi-Raubkunst-Hintergrund war Anfang der Woche auf www.lostart.de veröffentlicht worden.

Dass die bei Gurlitt bei Steuerermittlungen beschlagnahmten Bilder bisher unter Verschluss gehalten wurden, hatte internationale Kritik ausgelöst. Bausback sagte: „Es ist richtig, dass die politische Brisanz des Bilderfundes über eine lange Zeit nicht richtig erkannt wurde.“

Der 2012 zuständige bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) sagte der Süddeutschen Zeitung, er habe seinerzeit von dem Fund „nicht den blassesten Schimmer gehabt“ und erst aus den Medien davon erfahren: „Ich hab' als erstes gedacht: Ist denn heute der 1. April?“ Für den Freistaat Bayern sei der Fall „eine Katastrophe“. Der Zeitung zufolge war die Bayerische Staatsgemäldesammlung von den Ermittlern über den Bilderfund informiert worden, hatte aber Heubisch nicht unterrichtet, weil bereits Berlin mit der Erforschung der Herkunft der Bilder beauftragt worden war.

22. September 2010: Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.

- 28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1400 Gemälde, Aquarelle, Lithografien, Drucke und Zeichnungen vor allem aus der klassischen Moderne. Der Fund wird geheim gehalten, die Berliner Kunstexpertin Meike Hoffmann mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.

- 3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin "Focus" bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.

- 4. November: Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert sagt, die Bundesregierung habe "seit mehreren Monaten" von dem sensationellen Fund gewusst.

- 5. November: Die Staatsanwaltschaft Augsburg, die gegen Gurlitt ermittelt, und die Kunsthistorikerin Meike Hoffmann geben eine Pressekonferenz. Fotos einiger weniger Kunstwerke werden gezeigt. Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz sagt, man wolle die Bilder weiter unter Verschluss halten.

- 6. November: Vor allem wegen des Verdachts, viele der gefundenen Werke seien Nazi-Raubkunst, wächst die internationale Kritik am Vorgehen der Behörden. "Wir wollen so schnell wie möglich eine Liste der Werke in der Sammlung veröffentlicht sehen", fordert Anne Webber von der Commission for Looted Art in Europe mit Sitz in London.

- 7. November: Nach immer lauterer Kritik wollen Bund und Bayern schnell Klarheit über den spektakulären Kunstfund schaffen. Das Haus von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) plädiert für eine Veröffentlichung der 1400 Werke.

- 8. November: Der Provenienzforscher Willi Korte fordert die rasche Einsetzung einer Taskforce zur Erforschung des Kunstschatzes.

- 11. November: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) warnt vor einem Schaden für Deutschlands Ansehen. Am Abend werden schließlich die ersten 25 Werke auf der Plattform "lostart.de" eingestellt. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen. Laut Staatsanwaltschaft können 380 Werke dem zugeordnet werden, was die Nationalsozialisten "Entartete Kunst" nannten. Bei 590 Werken müsse überprüft werden, ob sie den rechtmäßigen Eigentümern in der Nazi-Zeit verfolgungsbedingt genommen wurden.

- 13. November: Die "Süddeutsche Zeitung" hat Cornelius Gurlitt vor seiner Wohnung abgepasst und zitiert ihn mit dem Kommentar: "Das alles ist eine große Büberei."

- 14. November: Hunderte weitere Gemälde des Münchner Kunstschatzes sollen im Internet zu sehen sein. Dies kündigt die Leiterin der Taskforce, Ingeborg Berggreen-Merkel, an.

- 15. November: Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) dringt auf eine Verständigung mit Gurlitt. Eine einvernehmliche Lösung sei im Interesse aller.

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