Mülheimer Dramatikerpreis an Katja Brunner

epa03524125 Swiss author Katja Brunner poses during a photocall at the Schauspielhaus in Hanover, Germany, 04 January 2013. Brunner's play 'Von den Beinen zu kurz' (Too short in the legs) will be performed for the first time in Germany at Schauspielhaus on 05 January 2013. EPA/JOCHEN LUEBKE
Schweizer Nachwuchsautorin setzte sich mit ihrem Missbrauchs-Drama "Von den Beinen zu kurz" u.a. gegen Elfriede Jelinek durch.

Der renommierte Mülheimer Dramatikerpreis hat in diesem Jahr für eine Überraschung gesorgt. Die junge Schweizer Nachwuchsautorin Katja Brunner gewann die begehrte Auszeichnung für ihr Inzest-Drama "Von den Beinen zu kurz". Die fünfköpfige Jury der Mülheimer Theatertage bewies mit ihrem 3:2-Votum Mut: Denn in dem Stück geht es um das schwierige Tabu-Thema des sexuellen Missbrauchs eines Mädchens durch ihren Vater. Erzählt wird die alptraumhafte Geschichte aus der Sicht des Opfers. Und die Autorin war erst 18, als sie das schwierige Thema für die Bühne bearbeitete.

"Sie ist so wahnsinnig jung und skrupellos, aber feinfühlig", brachte die Schauspielerin Wiebke Puls als Jury-Mitglied ihre Bewunderung für Brunner zum Ausdruck. Die Direktorin der Hamburger Theaterakademie, Sabina Dhein, sagte: "Sie marschiert über jegliche Tabugrenzen hinweg, ohne reißerisch zu sein." Um das schwierige Bühnenstück über ein Mädchen, das schon als Baby vom Vater missbraucht wird, hatten Theater und Regisseure zunächst einen Bogen gemacht. Uraufgeführt wurde "Von den Beinen zu kurz" im Frühjahr 2012 schließlich in einem kleinen Theater in Zürich. In Deutschland hatte es Anfang dieses Jahres im Staatstheater Hannover in der Regie von Heike Marianne Götze Premiere.

Kein Umgang mit eigener Vergangenheit

Die 22-jährige Autorin studierte Literarisches Schreiben in Bern und an der Hochschule der Künste in Berlin. Voreiligen Interpretationen ihres jetzt prämierten Stücks beugt die Schweizerin in Interviews vor: "Nein, das ist kein Umgang mit meiner eigenen Vergangenheit." Neben ihrer Tätigkeit als Autorin arbeitete sie als Performerin u.a. mit der Choreografin Salome Schneebeli am Theaterhaus Gessnerallee in Zürich oder mit Nils Amadeus Lange. Weiters ist sie Mitglied der freien interdisziplinären Kompanie "Gold + Hiebe". Ihr zweites Theaterstück trägt den Titel "Die Hölle ist nur eine Sauna" und wurde bisher noch nicht uraufgeführt.

Die Jury in Mülheim schien selber von ihrem eigenen Votum überrascht, einer Newcomerin den mit 15.000 Euro dotierten Preis für ein "von Sprachverboten umstelltes Gebiet" zuzusprechen. Immerhin stach Brunner Schwergewichte wie die bereits mehrfach in Mülheim ausgezeichnete Elfriede Jelinek, Franz Xaver Kroetz und Moritz Rinke aus. Seit 1976 wird der in der deutschen Theaterlandschaft wichtige Dramatikerpreis vergeben. Auffallend war diesmal die fast unheimliche Präsenz des Missbrauchthemas.

Literaturnobelpreisträgerin Jelinek hatte in ihrem spektakulären Stück "FaustIn and out" den Fall Josef Fritzl, der seine Tochter jahrelang in einem Keller gefangen hielt mit Goethes "Faust" und dem Drama um Gretchen verschränkt. Franz Xaver Kroetz war mit seinem umstrittenen Stück "Du hast gewackelt. Requiem für ein liebes Kind"" im Wettbewerb vertreten. Es geht um die Qualen des kleinen Pascal geht, der in einem Gasthaus in Saarbrücken missbraucht worden sein soll.

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