„Die Freude ist natürlich sehr, sehr groß“, strahlt Mona Willi im KURIER-Interview: „Der Oscar gilt neben den Jurypreisen der A–Festivals wie Cannes oder Venedig als höchste Auszeichnung unter den Filmpreisen.“
Klar wird sie zur Gala nach Los Angeles reisen: „Wenn man nominiert ist, muss man hin. Ich freue mich schon darauf, gemeinsam mit Regisseur Todd Field, Cate Blanchett und Kameramann Florian Hoffmeister, der ebenfalls für einen Oscar nominiert wurde, zu feiern.“
Mona Willi, geboren 1968 in Innsbruck, zählt zu den profiliertesten Schnittmeisterinnen des Landes. Sie begann ihre Karriere in den 1990er-Jahren in den Schneideräumen von Florian Flicker, Barbara Albert, Michael Glawogger und Ulrich Seidl. Besonders bekannt aber wurde sie durch ihre Zusammenarbeit mit Oscarpreisträger Michael Haneke, dessen Filme sie seit „Die Klavierspielerin“ alle, bis auf eine Ausnahme, geschnitten hat: „Todd Field, der Regisseur von ,Tár', ist ein großer Haneke-Fan. Weil er dessen Werk sehr schätzt – vor allem auch den Schnitt –, hat er mich kontaktiert.“
Mona Willis Schnitt zeichnet sich aus durch „scharfe Kanten und präzises Aufhören: Wenn etwas beendet ist, lasse ich es nicht ausrinnen, sondern schneide sofort weg.“
Bereits vor 13 Jahren hatte Field bei Mona Willi für ein Projekt angefragt, das dann aber nicht zustande kam. „Tár“ war der zweite Versuch, bei dem es schließlich klappte: „Ein Pluspunkt für mich war, dass ich Deutsch spreche. Der Film wurde in Deutschland gedreht, ein Teil der Dialoge ist auf Deutsch und selbst Cate Blanchett hat für ihre Rolle extra Deutsch gelernt. Insofern machte es Sinn, dass jemand im Schneideraum sitzt, der Deutsch spricht.“
Ähnlich wie Haneke ist auch Field ein Regisseur, der den Schnittprozess seines Films rund um die Uhr begleitet. Zudem legt auch er ganz besonderes Augenmerk auf den Ton: „Wir haben sehr viele zusätzliche Töne aufgenommen“, erinnert sich Mona Willi, übrigens die jüngere Schwester des Innsbrucker Bürgermeisters Georg Willi: „Es gibt eine Szene, in der Lydia Tár stürzt. Wir haben lange gebraucht, um dieses Geräusch zu finden, das entsteht, wenn ihr Gesicht auf dem Stein aufprallt.“
Kürbisse und Melonen wurden auf den Boden geworfen, erwiesen sich aber für einen guten Aufprall-Klang als zu matschig. Schließlich einigte man sich auf einen Schweinskopf, der auseinander gebrochen wurde: „Das ist eine sehr grausliche Geschichte, aber der Ton ist effektvoll, weil man die Knochen hört“, so die Cutterin fröhlich: „Das Geräusch ist einfach wesentlich. Ich merke, dass es funktioniert, weil die Leute bei den Screenings an dieser Stelle immer aufschrecken.“
Cate Blanchett kommt deswegen zu Sturz, weil sie einer jungen Musikerin heimlich in deren Haus folgt. Als Lydia Tár, lesbische Chef-Dirigentin eines deutschen Orchesters, nützt sie ihre Machtposition zu eigenen Gunsten – und womöglich auch für sexuelle Übergriffe – aus.
Die #MeToo-Problematik des Films hat Mona Willi persönlich sehr berührt, „weil ich ähnliche Situationen erlebt habe und sehr froh darüber bin, dass die Sensoren und Strukturen auf allen Ebenen geschärft werden“.
Dass Todd Field ausgerechnet eine lesbische Dirigentin als schlechtes Beispiel für Machtmissbrauch heranzog, wo in der Klassikbranche bekanntlich vor allem Männer in Machtpositionen sitzen, wurde in der Queer-Community kontroversiell diskutiert. „Es geht um Machtstrukturen und um die Ausübung von Macht“, sagt die Oscar-Anwärterin: „Macht kann korrumpieren, davor ist auch eine Frau nicht gefeit. Die Thematik ist Macht als solche, unabhängig vom Geschlecht. Auch geht es darum, was heute mit Menschen passieren kann, die Macht missbrauchen.“
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