Die Mona Lisa - ein Restitutionsfall? Was hinter der Debatte steckt

Die Mona Lisa - ein Restitutionsfall? Was hinter der Debatte steckt
Ein ägyptischer Archäologe und Ex-Minister fordert die Rückgabe der Ikone nach Italien. "Schwachsinn", sagt Leonardo-Experte

Der Zeitpunkt war gut gewählt - blickt doch die Welt gerade nach Paris, wo das wohl berühmteste Kunstwerk des Louvre, die Mona Lisa von Leonardo da Vinci, auch im Rahmen der Olympia-Feierlichkeiten einen Auftritt bekam. Oder ist Zahi Hawass seine kontroversielle Forderung doch nur herausgerutscht? 

Der prominente Archäologe, der lange als Generalsekretär und Minister für die Altertümerverwaltung in Ägypten zuständig war und - u. a. mit einer Netflix-Doku "The Lost Pyramid" viel zur Popularisierung der Ägyptologie beitrug, gab am 20. Juli vor laufender Kamera zu Protokoll, dass er sich mit dem italienischen Kulturminister Gennaro Sangiuliano für die Rückgabe der Ikone nach Italien einsetzen wolle. "Italien und ich können sich verbünden, um Italiens gestohlene Artefakte wieder zu bekommen. Die Gioconda (ein anderer Name für die Mona Lisa, nach der Dargestellten Lisa del Giocondo, Anm.) ist die wichtigste Sache. Sie muss nach Italien zurückkehren", sagte er der Nachrichtenagentur ANSA.

Dahinter liegt die Vermutung, dass das Meisterwerk - so wie viele andere Schätze, die sich heute im Louvre befinden - während der Beutezüge Napoleons I. in französischen Besitz gelangten. Gerade bei der "Gioconda" ist das aber falsch, wie Martin Kemp, emeritierter Professor in Oxford und weltweit als führender Leonardo-Experte anerkannt, in einem Gastkommentar für das Art Newspaper schrieb. Hawass, so Kemp, folge demselben fehlgeleiteten Argument wie der Dieb Vincenzo Peruggia, der die Mona Lisa 1911 aus dem Louvre entwendet - und damit die Popularität des Gemäldes erst so richtig befeuert - hatte.

Die Mona Lisa - ein Restitutionsfall? Was hinter der Debatte steckt

Tatsächlich sei das Gemälde bereits 1550 in der Sammlung des französischen Königs Franz I. nachweisbar gewesen. Leonardo habe bereits im Jahr 1503 daran gearbeitet - damals noch in der Stadt Florenz, von der er 1507 in Richtung Frankreich aufbrach, wo er in die Dienste des Herzogs von Amboise und später des Königs trat. 1517 ist ein Besuch des Kardinals von Aragon bei Leonardo in Amboise belegt, in dem Bericht wird auch die Mona Lisa erwähnt. Als Leonardo 1519 im Schlos Clos Lucé starb, befand sich das Universalgenie also schon lange in Frankreich - und sein Meisterwerk, die Mona Lisa, ebenso. 

"Der genaue Weg, auf dem die Mona Lisa in die Sammlung von Franz I. kam, ist immer noch etwas verworren, aber er hatte wohl kaum die Notwendigkeit, ein Bild seines eigenen Künstlers auf eine illegitime Art zu erwerben", schreibt Kemp. "Es gibt keinen Grund zu glauben, die Mona  Lisa sei vom französischen König 'gestohlen' worden."

Während der Dieb Peruggia möglicherweise nicht das Wissen und die Fachkenntnis gehabt habe, um den Details des Falles nachzugehen, habe der Archäologe Hawass keine gute Ausrede, so der pointierte Leonardo-Experte weiter. "Wenn wir eine wohlüberlegte Diskussion zum Thema Restitution führen wollen, müssen wir die Geschichte richtig darstellen."

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