Die Idee zu seiner Familiengeschichte sei ihm gekommen, während er eine Gefängnisstrafe im berüchtigten Evin-Gefängnis absaß und draußen die Protestbewegung „Frauen, Leben, Freiheit“ tobte, erinnert sich Mohammad Rasoulof im KURIER-Gespräch: Einer der Wärter habe ihm erzählt, dass er bei seiner Arbeit sehr unglücklich sei und oft an Selbstmord denke. Hinzu komme ein Konflikt mit seiner Frau und seinen Töchtern, die seine Arbeit nicht verstünden: „Ich dachte mir, es könne interessant sein, eine Geschichte über eine tiefe Kluft zu erzählen, die zwischen einem Vater und seinem Beruf und seiner Familie herrscht.“
In „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ arbeitet der Familienvater als Ermittlungsrichter am Revolutionsgericht in Teheran und unterzeichnet laufend Todesurteile. Seine Töchter hängen unterdessen am Handy und beobachten mit Entsetzen, wie mit brutaler Staatsgewalt gegen protestierende Menschen – vor allem junge Frauen – vorgegangen wird. Die Lage spitzt sich zu, als die väterliche Dienstwaffe verschwindet. Aus dem Gesicht des Familienvaters schält sich die Fratze eines paranoid-patriarchalen Regime-Vollstreckers heraus.
Nachdem ihm eine weitere Gefängnisstrafe drohte, musste Mohammad Rasoulof heimlich und vorwiegend in Innenräumen drehen: „Wir hatten nur ein sehr kleines Team und leichtes Equipment“, erzählt der Regisseur mit leiser, weicher Stimme: „Ich selbst konnte nicht dabei sein, sondern nur irgendwo in der Nähe bleiben. Es wäre zu riskant gewesen, wenn mich eine zufällige Kontrolle am Set vorgefunden hätte.“ Für diesen Notfall trug das Team gefälschte Papiere für ein komplett anderes, von der Zensur genehmigtes Projekt bei sich.
„Das ist die größte Frage, die mich schon immer beschäftigt hat“, sagt Rasoulof: „Wie funktionieren Menschen, die für dieses verbrecherische System arbeiten?“
Im Gefängnis gab es einen Wärter, der immer nervöser wurde, je stärker die Proteste Fahrt aufnahmen. Eines Tages packte er Rasoulof am Ärmel und zog ihn in einen Gang, in dem keine Kameras installiert waren und fragte: „Wärst du bereit, auszusagen, dass wir euch im Gefängnis gut behandelt haben?“
„Das beweist die Paranoia, die die schreckliche Diktatur im Iran erzeugt“, so der Regisseur: „Die Menschen haben ständig das Gefühl, beobachtet und kontrolliert zu werden. Aber auch die Regimeangehörigen haben Angst davor, was mit ihnen passieren könnte. Das habe ich selbst hautnah erlebt.“
Größten Respekt hat er vor dem Mut der Protestbewegung „Frauen, Leben, Freiheit“: „ Die junge Generation hat uns alle überrascht. Sie hat mit ihrem Kampf nicht nur die Regierung kalt erwischt, sondern auch die anderen Generationen zutiefst beeindruckt und berührt.“
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