Älteste Pipeline
Als Böhmen und Ungarn (Länder ohne Salzvorkommen) hinzukamen, stieg der Bedarf gewaltig: Rudolf II. ordnete 1591 an, nach neuen Abbaustätten zu suchen. Eine Kommission schlug vor, die Sole von Hallstatt nach Ischl und weiter an das südliche Traun-Ufer zu leiten. 1607 wurde dort, in Ebensee, die Saline eröffnet: Für den Transport der Sole musste eine 42 Kilometer lange Verbindung aus ausgehöhlten Baumstämmen gebaut werden – „die älteste und haltbarste Pipeline der Welt, die bis heute funktioniert“.
Brandstaller weiß viel zu berichten. Über die Deportation der Protestanten und die Armut der Arbeiter, die Faszination der Landschaft, die jüdische Sommerfrische und den aufkeimenden Antisemitismus. Und dann kam das Ende der Monarchie. In seinen Ischler Sommern hatte sich Franz Joseph vorwiegend der Jagd gewidmet: „In der Kaiservilla sind alle Zimmer mit Geweihen gepflastert, (...) insgesamt hat man über 50.000 Jagdtrophäen gezählt. Bücher sind, jedenfalls im öffentlich-zugänglichen Teil, nicht zu finden.“ Der Monarch dürfte an den geistigen und politischen Entwicklungen eher desinteressiert gewesen sein – und ließ sich, greise geworden, von der Notwendigkeit eines Krieges gegen Serbien überzeugen. Am 28. Juli 1914 unterzeichnete er in seiner Residenz jenes Dokument, das den Untergang der Monarchie besiegeln sollte.
Vom Ischler Post- und Telegraphenamt aus wurde die Depesche mit der Kriegserklärung abgesetzt. Just in jenem Gebäude arbeiten nun, 110 Jahre später, Elisabeth Schweeger, die Intendantin, und ihr Team. Beengt geht es da zu. Denn für Opulenz fehlt es an Geld.
Dass Ischl zusammen mit Nachbargemeinden – insgesamt „23 für 24“ – überhaupt Kulturhauptstadt wurde, ist schon ein Wunder. Denn zunächst versagte der oberösterreichische Landeshauptmann (ÖVP) der sozialdemokratisch regierten Kleinstadt seine Unterstützung. Die Parteikollegin aus Niederösterreich hatte es sich schließlich in den Kopf gesetzt, dass St. Pölten den Titel erringt.
Unbändige Lust
Selbst nach der Wahl zogen die Parteien der Mitte nicht an einem Strang: Manche verspürten die unbändige Lust, das Projekt zu sabotieren. Aber auch die Organisatoren machten Fehler – angefangen von der zeitweiligen Umbenennung der Kulturhauptstadt in „Originale“.
Zudem ist der Slogan von der Kultur als das neue Salz völlig irreführend. Bei Essen und dem Ruhrgebiet (2010) konnte man tatsächlich behaupten, dass Kultur die neue Kohle ist. Denn die Creative Industries zogen in brachliegenden Zechen ein. Aber das Bad Ischler Spezialsalz gibt es nach wie vor. Und Brauchtum wie Kunsthandwerk sind eben gute, alte Hüte, aber nicht das neue Salz. Das wollten viele nicht verstehen. Schweeger zog daher mit ihrem prospektiven Ansatz viel Groll auf sich.
Aber nun, am 20. Jänner, geht es friedlich los. Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird in die Rolle des Kaisers schlüpfen. Und Hubert von Goisern den Chor der 1000 dirigieren. Das offizielle Kulturhauptstadtjahr wird gut beginnen.
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