Das harmonierte doch ganz wunderbar: Tausende Menschen, viele in Tracht, tranken sich am Wiener Rathausplatz beim 25. Steiermark-Frühling zu zünftiger Blasmusik in eine kleine Glückseligkeit. Und auf der anderen Seite des Rings, unmittelbar vor dem Burgtheater, zog man rote Fahnen in NS-Ästhetik hoch. In Endlosschleife gestikulierte der Führer, verkörpert von einer Frau, auf der Leinwand hinter dem halbkreisförmigen Balkon.
Doch Künstlerpech: Dass dieser eine Spiegelung jenes Balkons ist, der am Rathaus einst für Adolf Hitler errichtet worden war, juckte niemanden. Selbst die paar Hundert Menschen, die am Samstag um 18 Uhr zur Enthüllung der Flatz-Installation kamen, konnten nur eher mitleidig dreinschauen: Die zehn Fahnen mit dem Konterfei einer schwarzen Dogge im weißen Kreis wirkten ein wenig mickrig.
Martin Kušej, der scheidende Direktor, musste denn auch eingestehen, dass die Burg im April 1938 wirkmächtiger beflaggt gewesen sei. Dieses offensichtliche Scheitern hatte zumindest etwas Grundsympathisches.
Im goldenen Rahmen
Auch die unmittelbar danach eröffnete Flatz-Ausstellung im zweiten Foyer war bloß (aus heutiger Sicht) eine nette Spielerei: Der Vorarlberger Künstler karikiert in „Hitler – Ein Hundeleben“ den Personenkult rund um den „Gröfaz“ anhand goldgerahmter Fotos der Dogge, die er 1991 – und damit fast zwei Jahrzehnte vor der Komödie „Der Vorname“ – schlicht „Hitler“ getauft hat.
Um 20 Uhr folgte als Höhepunkt der Flatz-Trilogie eine Uraufführung: Der Aktionskünstler wollte sich kritisch mit der „Perlenrede“ auseinandersetzen, die Hitler am 9. April 1938 im Festsaal des Rathauses hielt. Zu erleben war jedoch kein echtes „Stück“, wie angekündigt, sondern eine rund 90-minütige Nummernrevue.
Als Intro zeigte Flatz die radikale Aktion „Stahlglocke“ aus 1990 (sein Körper knallt als Klöppel minutenlang gegen zwei Blechplatten), zum Schluss hin behalf er sich mit einer Abfolge von Videos zu „vertonten Gedichten“ oder „Songs“ nach Art der Gruppe Laibach, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Deep-House-Elektroniker Olaf Gutbrod.
Dazwischen lässt sich Bibiana Beglau als Hitler – dem Schein nach – ein windschiefes Hakenkreuz in den Rücken stechen, und Flatz spricht betont dilettantisch aus dem Off die unfassbar schwülstige Rede des Wiener Bürgermeisters. Darauf antwortet Beglau von der Kanzel (einem Nachbau des Hitler-Balkons) mit der „Perlenrede“. Danach mutiert sie zu „Reltih“ (Hitler von hinten gelesen): Geboten wird mit den Allegorien „Krieg“ und „Tod“ zu „Jedermann“-Rufen eine banale Moritat in Versen. Flatz hat eben das „Nie wieder“ eingeimpft bekommen – und nun wiederholt er unentwegt, dass Diktatoren (faszinierend) böse sind.
Als Schlussgag absolviert er auf der Drehbühne nackt eine Ehrenrunde. Matter Beifall im halb leeren Saal.
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