In Fachkreisen bekannt geworden war der Fall bereits im vergangenen Dezember, als die teils in den USA, teils in Israel lebende Erbengemeinschaft ihre Klage beim Bezirksgericht in Oakland, Kalifornien, einreichte. In der vergangenen Woche wurden mehrere weitere Gerichtsdokumente in dem Fall ausgetauscht, was darauf hindeutet, dass eine Verhandlung bevorstehen könnte. Die US-Zeitung "New York Post" griff den Fall in Folge wieder auf.
Rückgabe und Schadenersatz
Angeklagt ist zum einen die griechische "Basil and Elise Goulandris Foundation", die in Athen und Chora Andros, dem Geburtsort des als Reeder zu Reichtum gelangten Griechen Basil Goulandris (1913 - 1994), zwei Privatmuseen betreibt. Das Ehepaar Goulandris hatte ab den 1950er Jahren eine umfassende Sammlung mit Werken der Klassischen Moderne zusammengetragen.
1972 kaufte es auch - anonym - ein Gemälde aus dem Metropolitan Museum in New York über Vermittlung der "Marlborough Gallery". US-Museen ist es zwar, anders als staatseigenen Museen in Europa, mitunter erlaubt, Sammlungsbestände zu veräußern, dennoch sorgte der Verkauf, der erst durch Recherchen der New York Times publik wurde, damals für heftigen Widerspruch. Der damalige Direktor Thomas Hoving sagte, das Museum besitze weit bessere Van Goghs und habe die Mittel benötigt, um bessere Altmeister-Gemälde für die Sammlung zu erstehen.
Die Klage der Erbengemeinschaft, die neben der Rückforderung des Gemäldes aus der griechischen Sammlung nun auch Schadenersatzforderungen gegen das Metropolitan Museum erhebt, behauptet nun aber, dass der damals verantwortliche Kurator des Museums, Theodore Rousseau, um die Raubkunst-Identität des Bilds Bescheid gewusst hatte. Rousseau, ein anerkannter Kunsthistoriker, war während des Kriegs als Teil der "Monuments Men"-Einheit in Europa gewesen.
Als das Met 1967 einen Werkkatalog zu van Gogh publizierte, wurden die Rückforderungen von Hedwig Stern zwar nicht erwähnt, sehr wohl aber die Tatsache, dass das Gemälde von 1912 bis 1948 in Deutschland gewesen war, heißt es in der Klagsschrift. Bis zum Ankauf durch das Museum hatte es dann die New Yorker Milliardenerbin Brooke Astor besessen.
100 Jahre unter Verschluss
Die Erben gehen in der Klagsschrift noch weiter und erklären, Rousseau habe den Verkauf 1972 bewusst forciert, um Sterns Rückforderungen zu entgehen. Ein Jahr später starb der Kurator, seine Aufzeichnungen werden vom Museum für 100 Jahre unter Verschluss gehalten - laut Klägern alles Teil einer großen Vertuschungsaktion. Das Museum beharrt inzwischen darauf, dass es nicht gewusst habe, dass das Gemälde Raubkunst war - die Möglichkeiten zur Provenienzforschung seien um 1956 nicht vergleichbar mit heute gewesen.
Den griechischen Sammlern dürfte jedenfalls nicht bewusst gewesen sein, dass sie sich ein problematisches Gemälde eingehandelt hatten. Im 2019 eröffneten Museum in Athen ist es prominent ausgestellt und wird auch auf Postkarten, Handtaschen und anderen Merchandising-Artikeln im Museumsshop vermarktet. 2022 ging es als Leihgabe zu einer Ausstellung des Van Gogh-Museums nach Amsterdam.
Das Metropolitan Museum erhielt übrigens erst 30 Jahre nach dem Verkauf ein "gleichwertiges" Van Gogh-Gemälde für seine Sammlung: Eine weitere Version desselben Motivs, das Van Gogh 1889 insgesamt dreimal gemalt hatte, fand durch eine Schenkung des Mäzens Walter Annenberg 2002 wieder Eingang in den Museumsbestand.
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