Meirelles: "Musste immer an Freud denken"

Meirelles: "Musste immer an Freud denken"
Anlässlich der Premiere von "360" war Regisseur Fernando Meirelles auf Wien-Besuch. KURIER traf ihn zum Interview.

Mit dem Favela-Drogen-Drama "City of God" wurde der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles weltberühmt. Nun hat er mit "360" einen sehr europäischen, Star besetzten Film zwischen Wien, London und Paris gedreht. Das Drehbuch schrieb der in Wien lebende Erfolgsautor Peter Morgan, der sich von Arthur Schnitzlers "Reigen" inspirieren ließ.

KURIER: Wenn es nicht im Pressetext stünde, käme man eigentlich nicht auf die Idee, dass "360" viel mit Schnitzler zu tun hat ...
Fernando Meirelles: Wir erwähnen Schnitzler, weil Peter Morgan dazu eingeladen wurde, etwas in Zusammenhang mit Schnitzler zu schreiben. Aber Schnitzler war nur ein Vorwand für diesen Film. Immerhin beginnen beide mit einer Prostituierten in Wien. Aber "Reigen" ist ein perfekter Kreis, und unserer ist gebrochen.

Was ist beim Episodenfilm die größte Herausforderung?
Dass das Publikum nicht frustriert wird. Gerade, wenn es beginnt, in eine Geschichte hineinzukippen, beginnt schon wieder eine neue. Das ist riskant. Aber es gibt diesen einen Grundkonflikt, der alle Storys durchzieht.

Welcher Konflikt ist das?
Ich musste immer an Sigmund Freuds "Das Unbehagen in der Kultur" denken, weil er darin genau die Problematik meiner Figuren beschreibt. Man muss immer sein eigenes Begehren unterdrücken, um eine Familie, eine Religion, oder kurz gesagt: Zivilisation aufzubauen. Deswegen sind die meisten Menschen, die ich kenne, auch nie richtig glücklich: weil sie dauernd Dinge tun müssen, die sie lediglich aus Vernunftgründen tun.

Wie Jude Law, der sich gegen den Seitensprung entscheidet.
Die Jude-Law-Figur entscheidet sich für die Familie. Andere – vor allem die Frauen – sind zu mehr Risiko bereit.

Anthony Hopkins sticht mit einem langen Monolog über seine Probleme heraus ...
Ja, das stimmt. Er wollte keine Rolle spielen, sondern einfach aus seinem eigenen Leben berichten. Er meinte, er hätte – wie seine Filmfigur – auch Probleme mit der Familie und mit dem Alkohol gehabt. Und genau das wollte er erzählen: Er fängt mit Sätzen aus dem Drehbuch an und spricht dann über sein eigenes Leben weiter. Er improvisierte wie ein Jazz-Musiker. Ich fand das brillant.

Sie arbeiten auch mit Klischees: die Prostituierte in Wien, der russische Mafioso...
Ja, aber deswegen arbeite ich hier auch mit Stars wie Jude Law zusammen, obwohl ich normalerweise unbekannte Schauspieler bevorzuge. Der Star und das Klischee helfen dem Publikum, eine Figur schneller zu verstehen.

Johannes Krisch spielt einen Wiener Zuhälter ...
Ja, mit "Schatzi" und allem drum und dran. (lacht). Auch wenn ich die Sprache nicht verstehe: Ich wusste, er macht es genau richtig.

Kommentare