"Wiener Zeitung" kämpft weiter gegen "Todesstoß auf Raten"

PK ASYLKOORDINATION: GRISS
Mehrere Initiativen und prominente Unterstützer wie Irmgard Griss und Franz Fischler fordern den Erhalt als Tageszeitung. Elfriede Jelinek schickte eine Botschaft.

Mehrere Initiativen und prominente Unterstützer haben sich bei einer Pressekonferenz am Montag gemeinsam für den Erhalt der "Wiener Zeitung" eingesetzt. Chefredakteur Walter Hämmerle, der sich "stolz und unglaublich demütig" angesichts des Engagements aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zeigte, wandte sich einmal mehr gegen den Regierungsentwurf, den er als "Totalschaden" bezeichnete.

Es müsse alles daran gesetzt werden, dass die Zeitung fortgeführt werde könne - nur weil die Regierung als Eigentümervertreterin der Republik "keinen Bock" mehr habe, die Zeitung herauszugeben, dürfe sie dieses "Juwel" nicht zu Grabe tragen. Es gebe Interesse und Know-how, um die Eigentümerschaft, zum Beispiel in einer Stiftungslösung, auf neue Beine zu stellen, sagte Hämmerle. Zentral sei, dass "diese hervorragende Redaktion weiter ihren Journalismus machen kann". Er verwies unter anderem auf Aussagen des Industriellen und Ex-Forschungsratschefs Hannes Androsch, der am heutigen Montag in der "Kronen Zeitung" von einem Konsortium spricht, das die Zeitung in ihrer derzeitigen Form weiterführen wolle.

"Das Parlament ist der Ort, wo Gesetzesänderungen diskutiert und beschlossen werden", betonte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) Bures im Rahmen der Pressekonferenz, die von der IG Autorinnen Autoren und der Initiative Medienvielfalt und Baukultur organisiert wurde. Sie werde sich auf parlamentarischer Ebene darum bemühen, dass die Begutachtung dieses "untauglichen Entwurfs" ernst genommen werde. "Ich hoffe, dass die 'Wiener Zeitung' die Chance bekommt, ihre Fortführungskonzepte in die Realität umzusetzen."

18 Monate Aufschub gefordert

Die Regierung sollte die geforderten 18 Monate Aufschub gewähren, forderte auch der frühere Leiter der Korruptionsstaatsanwaltschaft Walter Geyer. "18 Monate sind im Vergleich zur über 300-jährigen Geschichte dieser Zeitung wirklich ein Wimpernschlag."

"Dieser Gesetzesentwurf ist destruktiv und bringt dem österreichischen Medienstandort weniger Vielfalt und weniger Qualität", urteilte Josef Trappel, Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Uni Salzburg. Es handle sich um nichts anders als "die in einen Gesetzesentwurf gegossene Auflösung der 'Wiener Zeitung' nach 320 Jahren".

"Es muss dieser Todesstoß auf Raten und dieser unersetzliche Verlust für den Qualitätsjournalismus unbedingt verhindert werden", sagte Eike-Clemens Kullmann, Vorsitzender der JournalistInnengewerkschaft in der GPA, der ebenfalls Teil des Podiums war. Die Bundesregierung als Eigentümervertreterin stehle sich aus der Verantwortung, fand Kullmann. Der Zeitung werde die wirtschaftliche Basis entzogen und gleichzeitig eine Beteiligung aus dem privaten Sektor zur Seite gewischt.

Fischler: "Ein Skandal"

"Wir brauchen nicht weniger unabhängige Medien, wir brauchen mehr", appellierte die ehemalige NEOS-Nationalratsabgeordnete und einstige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss, an die Politik, die "Wiener Zeitung" als "unabhängiges, lebensfähiges Medium bestehen" zu lassen. "Dass man das einfach abdreht, ist ein Skandal", stimmte Ex-EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) ein.

Auch Fritz Hausjell, Präsident von Reporter ohne Grenzen Österreich, kritisierte die "bewusst destruktive Medienpolitik". Die geplante "regierungsnahe Journalistenausbildung" werde Österreich "sicher im Pressefreiheitsranking einiges kosten". Er hoffe, dass das Parlament dieser Konstruktion die Zustimmung versage.

Eingespielt wurde auch ein von Burgschauspielerin Maria Happel vorgelesenes Statement von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, in dem sich diese ebenfalls dafür aussprach, für den Erhalt der "Wiener Zeitung", ein "ruhiges, unaufgeregtes Blatt", zu kämpfen.

 

"Vielleicht ist unsere Entfremdung von der Wirklichkeit schon so groß, dass wir eine seriöse Zeitung nicht mehr erkennen, selbst wenn sie weit vor uns aufklafft. Da springen viele entsetzt weg. Es macht vielleicht einen zu großen Unterschied, was berichtet wird und vor allem wie. Andere Medien bedrängen uns förmlich mit grellen Schrottschnellschüssen, die uns wie Paintballkügelchen, mit denen kindliche Politiker früher herumgespielt haben, eindecken. Wir gehen in Deckung, weil uns das alles nur bedrängt, aber nichts aufklärt und nichts erklärt. Die 'Wiener Zeitung' ist ein ruhiges unaufgeregtes Blatt, das diese Bedrängungen, die doch immer nur in eine große Leere münden, an sich vorbeirauschen lässt. Es hat anderes vor, uns zu informieren und als älteste Zeitung der Welt noch vor der Aufklärung aufzuklären. Sie macht das eben schon lange, sie kann das. Bevor wir uns selbst ganz entfremdet sind, sollten wir dafür kämpfen, dass uns ein solches Medium erhalten bleibt. Damit auch wir selbst uns wieder erkennen können und das, was um uns herum geschieht, ohne dass uns bunte Kügelchen oder Seifenblasen um und in die Augen und Ohren geblasen werden."

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