TV-Wahlabend: Falsche Hochrechnung und eine schwebende Grafik
Ginge es nach den Fernseh-Sendern, könnte Noch-Altkanzler Sebastian Kurz seiner Linie treu bleiben und in zwei Jahren wieder zur Wahl schreiten lassen. Denn wie sonst nur noch selten saß die Nation am Sonntag vereint vor den Fernsehschirmen, um den Ausgang der Nationalratswahl zu verfolgen. Was insbesondere den ORF freute.
Für die erste Überraschung sorgte aber ServusTV: Man ging gleich nach 17 Uhr und damit vor allen anderen mit einer Hochrechnung auf Sendung. Dort – und nur dort – war die blaue Welt noch einigermaßen in Ordnung: Die FPÖ kam da auf hoffnungsfrohe 21,6 Prozent (siehe Screenshot). Die Ernüchterung bei den einen bzw. die Erkenntnis bei den anderen folgte schnell: „Da hat sich der Zahlenteufel eingeschlichen“, musste man beim Salzburger Privatsender einräumen, „die richtige Hochrechnung liegt jetzt vor … “ .
Derweil fürchteten ORF2-Seher um Tarek Leitner. Zunächst hatte ihn eine animierte Österreich-Karte zum Moderator ohne Unterleib gemacht. Dann, kurz vor der Hochrechnung, schwebte ein an ein Nagelbrett erinnernder blauer Himmel über ihm. Die Unfallgefahr war aber nur virtuell – wie der Sinn dieser technischen Spielerei für die Zuseher.
Zu diesem Zeitpunkt redeten bei ATV bereits Politik-Experte Thomas Hofer und Meinungsforscher Peter Hajek Klartext.
Info-Quellen
Man ist versucht zu sagen: Es ist halt so in Österreich. Wann immer es um etwas geht, wird ORF2 zur zentralen Info-Quelle. Auch am Tag dieser jüngsten Nationalratswahl. Knapp 1,6 Millionen Zuseher (69 Prozent Marktanteil) verfolgten die Hochrechnung kurz nach 17 Uhr – ATV-Seher wussten da aber zum Beispiel schon mehr.
Die reichweitenstärkste Sendung des Wahlabends in ORF2 war die „Zeit im Bild“ mit der ersten Runde der Spitzenkandidaten. Sie wurde von durchschnittlich 1,818 Millionen Zusehern verfolgt (Marktanteil 55 Prozent bei 12 Jahre und älter). Selbst der Abschluss des langen Wahl-Abends, der „Runde Tisch“ mit Partei-Insidern um 22.40 Uhr, kam immer noch auf über 700.000 Zuseher (34 Prozent). Auch ORF1 war als schnelle Info-Quelle durchaus gefragt: 203.000 sahen eine überlange „ZiB20“, was acht Prozent in der jungen Zielgruppe entsprach (12–49 Jahre).
Keine Mühen scheuten am Wahltag und davor auch die großen Privatsender. So starteten am Sonntag Puls4 und der neue Nachrichten-Ableger Puls24 bereits um 9 Uhr mit der Berichterstattung. Der Höhepunkt war die Elefantenrunde der Privaten um 20.15 Uhr mit Meinrad Knapp (ATV), Corinna Milborn (Puls4, Puls24) und Michael Fleischhacker (ServusTV), was respektable Quoten einbrachte: Durchschnittlich 380.000 Menschen verfolgten das Gipfeltreffen – ATV war, fast schon traditionell, innerhalb der Sender-Familie mit 150.000 Sehern die erste Adresse vor Puls4 mit 120.000. Fast gleich auf mit 110.000 Zusehern lag ServusTV.
Monatsbilanz
Das Polit-Chaos samt Wahlen hat dem ORF in die Hände gespielt. Und das war dringend notwendig für dessen Quoten, wie seine Monatsbilanz zeigt: Im September kommen ORF1, ORF2, ORFIII und ORF Sport+ gemeinsam auf 30,7 Prozent. Im September 2018 – ohne Nationalratswahl – lag man kaum schwächer bei 30,5 Prozent (Zielgruppe 12 Jahre und älter). Bei den Jungen (12 bis 49 Jahre) liegt die Gruppe bei 23,3 Prozent und damit, kaum merklich, um 0,7 Prozent über dem September des Vorjahres.
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