Moretti im Steierkrimi: "Eine menschlich heruntergewirtschaftete Familie"
In „Steirermord“ (Dienstag, 10. Dezember, 20.15, ORF1) wird man ohne lange Vorreden in eine Entführungsstory geworfen. Diese endet mit zwei Toten. Mittendrin Schlossbesitzer Otto Glanzberg (Tobias Moretti), der nicht lange um seine gekidnappte vietnamesische Frau trauern kann – schon sind Sascha Bergmann (Hary Prinz) und Anni Sulmtaler (Anna Unterberger) am Tatort. Die Ermittler treffen auf Widerstände: Ihre Chefin (Bettina Mittendorfer) ist mit Glanzberg im Bunde und dessen Familie offenbart bei den Befragungen manches Geheimnis.
KURIER: Sie bezeichnen Ihre Rolle als „absurde Erscheinung“. Was macht sie dazu?
Tobias Moretti: Dieser Otto Graf Glanzberg mit seinem unangefochtenen Selbstverständnis, seiner Arroganz, die ihm vielleicht selbst nicht mal bewusst ist, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Gleichzeitig hat aber ausgerechnet dieser Mensch eine fast anarchische Lust daran, seine menschlich heruntergewirtschaftete Familie zu provozieren, durch seine Heirat. Der Spagat zwischen Restfeudalismus und einer durchaus zeitgemäßen Offenheit, und das als Oberhaupt einer Dynastie, die sich selbst immer noch todernst nimmt, hat wirklich etwas Absurdes.
Wie viel Klischee darf bei einer Rolle wie dieser sein?
So ein Landadelklischee hat ja ein bissl auch einen wahren Kern. Der Grenzgang bei so einer Figur ist es, diesen Kern zu erwischen und dabei eben nicht im Klischee zu enden. Zwischen diesen Polen gilt es, den Rahmen für die Figur abzustecken, damit sie glaubwürdig und menschlich interessant bleibt und damit man ihr gern folgt.
Steirermord
Steirermord
Steirermord
Steirermord
Steirermord
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Steirermord
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Die Anordnung im Schloss erinnert an Agatha Christie, was „Steirermord“ etwas von den anderen Steirerkrimis abhebt. Wie finden Sie diese Idee von Wolfgang und Maria Murnberger (Buch)?
Ja, das stimmt. Eigentlich finde ich die Agatha-Christie-Dramaturgie einer „geschlossenen Gesellschaft“ die dramatischste Konstellation für einen Krimi. Sie ist dem Theater sehr nahe und auch für uns Zuschauer spannend.
Es geht auch um die Position eines lokalen Machthabers. Sie leben selbst in Tirol im ländlichen Umfeld. Wie realistisch ist die Darstellung?
„Machthaber“ würde ich ihn nicht nennen, das waren seine Vorfahren, aber er pflegt und nützt das, was vom privilegierten Status seiner Familie übrig ist. Der Respekt für diese Institution war meinen Eltern noch in Fleisch und Blut. Das ist heute natürlich längst Geschichte. Aber Menschen wie Otto haben dieses Selbstverständnis noch von ihren Eltern mitbekommen und stecken faszinierenderweise noch mit einem Bein in diesem Muster fest.
Die Steirerkrimis sind die am konsequentesten weiterverfolgte Landkrimi-Reihe. Wie erklären Sie den Erfolg in Österreich und Deutschland?
Der Blick der Murnbergers (die Drehbuchautoren Maria und Wolfgang, Anm.) auf das Format und auf ihre Figuren hat einen wunderbaren Humor, er ist nicht kalt, nicht zynisch, es „menschelt“ überall. Er überreizt auch das Format nie, wie es manchmal passiert. Wolfgang Murnberger (der Regisseur, Anm.) hat auch eine Offenheit, wenn man eine Figur weiterentwickelt und versucht, sie zum Beispiel zwischen Skurrilität und Realismus zu balancieren. Beim Münsteraner „Tatort“ ist so ein Muster auch erkennbar, und vielleicht ist er deshalb so lange schon erfolgreich.
Wie erleben Sie die Steiermark?
Ich bin fasziniert von den Kontrasten dieses Landes und seiner Mentalitäten: Das Wein- und Grenzland im Süden, das raue Murtal, der Gatsch vom Erzberg, und natürlich Graz mit seiner Kulturvielfalt und Geschichte.
Bei den jüngsten Wahlen haben die Steirer ihrer Unzufriedenheit besonders markant Ausdruck verliehen ...
Das Protestwahlphänomen trifft im Moment fast ganz Europa, es scheint sich von einer Wahl zur anderen zu verschärfen. Menschen treffen ihre Wahlentscheidungen impulsiver als früher, als es noch so etwas wie eine gesellschaftliche Zuordnung oder politische Grundhaltung gegeben hat, der man ein Leben lang treu geblieben ist. Es wird eines der Themen der Zukunft sein, wie man die sogenannten Protestwähler wieder ins Zentrum zurückholen will. Vielleicht haben Politik und das mediale Gesamtbild auch noch nicht realisiert, dass sich das Zentrum der Gesellschaft bereits verändert hat. Dabei muss es doch möglich sein – trotz Social Media und ihrem ökonomischen Kalkül –, den Menschen nahezubringen, was eine Zivilgesellschaft ausmacht in ihrem Grundgerüst. Den Steirern selbst würde ich das nicht vorwerfen, es sind im Allgemeinen nette Leut‘.
Der Film
Die Verlobte des Grafen Glanzberg wird entführt und getötet. Die Gefühle, die die Familie des Trauernden dem Opfer entgegenbrachte, waren von Neid, Hass und Missgunst geprägt. Verdächtig erscheinen im Film von Wolfgang Murnberger, der gemeinsam mit seiner Frau Maria Murnberger auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, daher sowohl die Verwandtschaft als auch der halbe Ort, denn vom Geld des Grafen sind alle abhängig. Doch wer ist tatsächlich fähig, jemanden umzubringen?
Neben Hary Prinz, Anna Unterberger und Tobias Moretti in weiteren Rollen zu sehen sind u. a. auch wieder Bettina Mittendorfer, Christoph Kohlbacher und Helmut Köpping sowie Petra Morzé, Ulrich Reinthaller, Julia Koch, Michaela Klamminger, Alexander Absenger, Clemens Berndorff und Yvonne Yung Hee Bormann.
Die Dreharbeiten in u. a. Leoben, Bruck an der Mur und Umgebung fanden im September und Oktober 2023 statt. „Steirermord“ basiert auf Figuren aus Claudia Rossbachers „Steirerkrimis“.
Quoten
Den Landkrimi-Fall „Steirergift“ sahen am 26. November 2024 bis zu 827.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Den elften Steiermark-Film der beliebten ORF-Reihe wollten sich im Durchschnitt 811.000 (vorläufige Gewichtung) nicht entgehen lassen.
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