„Tod den Lebenden“: So wie die Menschen eben sind

„Tod den Lebenden“: So wie die Menschen eben sind
Mit herbem Humor und Tiefgang setzt sich die junge Impro-Serie „Tod den Lebenden“ (21.45 Uhr, One und ARD-Mediathek) mit aktuellen Themen wie Wohnungsnot, Klimakrise, Krankheit und Tod auseinander

Niemand darf Stefan heißen, alle lieben alle und, vor allem, keiner trennt sich: Die selbstbewusste Endzwanzigerin Heidi (Odine Johne) lebt mit ihrem konfliktscheuen Partner Juklas (Julius Feldmeier) und beider Freundin Becky (Kristin Suckow) in einer offenen Beziehung. Allerdings gibt Heidi, die mit Akki (Lea van Acken) aus Kalkül – ihr Vater ist der Hausverwalter – etwas anfängt, kraft ihrer Existenz die WG-Regeln vor. Ausgerechnet als Becky ein gemeinsames Baby von Jucklas und Heidi austragen soll, bekommt letztere eine schreckliche Diagnose, bei der die Klimakrise eine große Rolle spielt. Um die zu bekämpfen und Heidi zu retten, greift man zu den Waffen und küsst sich ein letztes Mal …

„Tod den Lebenden“ (21.45, One und ARD-Mediathek ohne Geoblocking) ist eine sechsteilige, in Inhalt und Dialogen ins Absurde reichende Miniserie. Die hat Regisseur Tom Lass zunächst mit wenigen Mitwirkenden, noch ohne TV-Sender und damit fast ohne Budget sowie ohne festes Drehbuch über Jahre entwickelt – „ganz frei und vor allem ohne Erlaubnis. Das Konzept war, dass wir alle in einen kleinen Minibus passen“, so Lass. Und man inhaltlich und örtlich hinfährt, wie man es gerade will.

Improvisationskunst

Geworden ist daraus ein gelungenes Beispiel für Improvisationskunst, das Tiefe und Groteske nebeneinander zelebriert. Extraherb sind dabei die Sprüche. „Humor ist schon immer ein Mittel gewesen, um schmerzhafte Dinge ertragbar zu machen. Je beängstigender ein Thema, umso extremer muss der Humor sein, um die Angst durch Lachen abzulösen“, meint Lass im Journalisten-Gespräch.

Natürlich muss man die Freiheit, die man sich nimmt, auch nutzen können, um daraus eine Geschichte samt Handlungsbogen zu entwickeln. Dafür braucht es Technik. Die Basis dafür wurde im ImproLab von Lass gelegt, wo man sich über lange Zeit Woche für Woche zum Kennenlernen und für schauspielerische Übungen getroffen hat.

„Die Gefahr besteht ja bei der Impro oft darin, dass man ganz lange Szenen hat, ewig herumlabert und nichts Gutes herauskommt. Hier konnten wir trainieren, uns kurz zu fassen, dem anderen wirklich zuzuhören und in dem Moment etwas entstehen zu lassen“, sagt Johne. Sie habe gemerkt, dass die freie Arbeit viel Druck von einem nehme. „Das Arbeiten war ergebnisoffen, was die Szenen betraf, und auch, wohin die Figuren sich entwickeln.“ Mit Abschluss des ersten Drehblocks „haben wir dann den Grundstein für die Serie gelegt und die Figuren weiterentwickelt“, sagt van Ackeren.

„Tod den Lebenden“: So wie die Menschen eben sind

Festlegung

Relativ früh in der gemeinsamen Arbeit ging es schon um „Machtdynamiken“, um Zusammensein und Trennung, erinnert sich Feldmeier. Seine Figur Juklas muss Heidis Credo „Niemand trennt sich“ gewährleisten, entwickelt in seiner Kommunikation aber auch fieses, manipulatives Potenzial. Akki wiederum wird mit dem Thema Wohnungsnot eingeführt, wird benutzt, lässt sich benutzen und stellt sich auf eigene Beine. Mit Familiengründung und Kinderwunsch ist Becky belegt, die quasi das dritte Rad am Fahrrad ist, „malträtiert, manipuliert, ausgenutzt wird. Sie bleibt aber in der Beziehung, weil sie Angst hat, allein zu sein. Und dass das dann noch schlimmer ist“, erläutert Kristin Suckow.

Ernst und absurd

Und dann sind da noch die ganz großen Themen wie Klimakrise, Erkrankung und Tod und das bei Heidi selbst. Was dann in der Serie so klingt: „Ich will, dass alle anderen auch sterben. Natürlich will ich, dass du als Erster stirbst. Und dann Akki und dann Becky“, sagt sie zu ihrem Partner Juklas.

All die Themen, die in der Serie angerissen werden, „meinen wir total ernst“, sagt Johne. „Trotzdem wird das letztlich ad absurdum geführt. Diese Figuren sind nicht heilig, sie sind eher eine Farce oder eine Satire auf diese Themen. Gleichzeitig merken wir, dass dieses Absurde ja auch in uns selber ist. Auch ich denke, ich möchte ganz viel verändern und am Ende schaffe ich es nicht.“

Es sei eine Geschichte über Menschen und wie sie eben sind, erklärt Regisseur Lass. „Es geht also nicht darum, dass wir den Aktivismus kritisieren oder oder lächerlich machen wollen, sondern im Gegenteil ist es das menschliche Verhalten.“ Denn es gehe darum, „letztendlich das Menschliche an sich selbst zu erkennen. Wie man, auch wenn man das Beste will, sich dann trotzdem ganz schrecklich verhalten kann. Das ist, glaube ich, der Reiz dieser Geschichte.“

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