Regisseurin Unger und die Frauen-Bande ergründen menschliche Abgründe
Das Ende der „Vorstadtweiber“ rückt näher. „Wir haben bis Anfang November den ersten Block der sechsten Staffel gedreht. Ich arbeite derzeit im Schneideraum daran“, erzählt Regisseurin Mirjam Unger.
Bis es so weit ist, gibt es noch kräftige Lebenszeichen: Staffel 5 startet am 11. Jänner in ORF1. „Es geht in die Welt der Mode. Uli Brées Bücher sind voller Wendungen, jeder belügt jeden und im Kern geht es um doppele Identitäten“, erzählt die 50-Jährige, die abwechselnd mit Harald Sicheritz inszenierte. „Toll an den ,Vorstadtweibern“ ist ja auch immer, dass jedes Mal so viele großartige Schauspieler dazu stoßen – Laurence Rupp, Dorothee Hartinger, Regina Fritsch, dazu das feine Stammensemble. Es ist da so viel Spielfreude.“
Unger, vielfach und u. a. für ihre Kino-Arbeit „Maikäfer flieg!“ nach Christine Nöstlinger preisgekrönt, erlebt eben ihre „große Fernseh-Lehrzeit. Ich habe das Gefühl, dass ich gerade sehr viel lerne, viele neue Menschen treffe, netzwerken kann mit spannenden Kolleginnen und Kollegen vor und hinter Kamera.“
Ein solches „Lehrstück“ ist auch der neue, dunkle Tiroler „Landkrimi: Das Mädchen aus dem Bergsee“ mit Patricia Aulitzky am Dienstag (20.15, ORF1). Es ist Ungers erste Krimi-Verfilmung. „Ich mochte Krimis schon von Kind an, habe viel gelesen und gesehen im Fernsehen, begonnen mit ,Der Kommissar‘. Es hat aber gedauert, bis sich die passende Möglichkeit ergeben hat.“
Turbotempo
Dieses Projekt reicht bis in die Zeit nach „Maikäfer flieg!“, 2016, zurück. „Wir sind so eine ,Frauen-Bande‘ und haben damals überlegt, was wir machen könnten.“ Eva Testor, u. a. mit ROMYs ausgezeichnete Kamerafrau, erzählte von ihrem ersten Drehbuch. „Wir haben das Projekt dann im ORF präsentiert. Eine Rolle spielte da, dass man dort will, dass mehr Frauen zum Zug kommen. Und wir hatten bei unserem Projekt Produzentin, Drehbuchautorin und Kamerafrau, Regisseurin, Ausstatterin und die Hauptfigur war auch zur Frau geworden … Es hat aber trotzdem noch lang gedauert. Ich habe nicht mehr an die Umsetzung geglaubt“, erzählt Unger. Im Herbst 2019 gab es doch grünes Licht und „wir haben das im Turbotempo umgesetzt.“
Testors Landkrimi ist keine leichte Kost. „Ich meine, dass das Fernsehpublikum intelligenter ist, als manche glauben und sich viele freuen, wenn einmal in Machart und Inhalt etwas anders zu sehen ist“, so Unger. Wobei sie einräumt: „Wir kommen alle vom Kino-Film und haben schon mit unserem Anspruch einerseits und den Umständen eines TV-Drehs andererseits gekämpft.“ Was heißt: weniger Zeit und Budget. „Unserer Produktionsleiterin hat sich nicht nur einmal gefragt, wie sich das alles ausgehen soll.“
Zur Person
Mirjam Unger wurde als Moderatorin („X-Large“, Ö3, FM4) breit bekannt. Studierte an der Filmakademie Wien. Erster Spielfilm: „Ternitz, Tennessee“. Machte sich auch mit Dokus für Kino und „Am Schauplatz“ einen Namen. Nach „Maikäfer flieg!“ viele TV-Projekte. Mehrfach preisgekrönt
Zum Landkrimi
„Das Mädchen aus dem Bergsee“: Hauptcast: Patricia Aulitzky; Drehbuch/Kamera: Eva Testor; Produzentin: Gabriele Kranzelbinder, Barbara Pichler; Szenenbild: Katharina Wöppermann; Schnitt: Niki Mössböck
Tannennadeln
Diese Frage stellte sich auch beim von Uli Brée und Rupert Henning geschriebenen ZDF-Weihnachtsfilm „Alle Nadeln an der Tanne“ mit Anna Loos, Marcus Mittermeier und Simon Schwarz (17. 12., 20.15). „Unser aller Corona-Projekt“ nennt ihn Unger, weil im März der Dreh unterbrochen werden musste. „Das hatte danach etwas von Schul-Skikurs-Atmosphäre, weil wir ja nur unter uns sein durften.“ Um das zu gewährleisten, wurde die Kulisse in die Bavaria-Studios hineingebaut – „ein großer Fehler, dass es in Österreich keine Studios mehr gibt“, moniert Unger. Dennoch eine besondere Aura: „Hier hat schon Billy Wilder gearbeitet, mein Hero.“
Womit die Frage nach der Kino-Arbeit nahe liegt. Unger: „Auch wenn ich zuletzt viel Fernsehen gemacht habe, Kino ist und bleibt mir sehr wichtig.“ Zwei Projekte verfolgt sie. Eines mit Adrian Goiginger (Die beste aller Welten, Anm.) als Produzent und der epo film: „Der Storch ist tot“ von Jeanette Lederer. „Ein aufregender Stoff, wie man ihn nur selten auf den Tisch bekommt.“ Das Buch Lederers, mit der Goiginger studierte, erhielt bereits den Max Ophüls Preis. Und das zweite Projekt? „Erneut eine Literaturverfilmung, klassisch, aber mehr darf ich dazu noch nicht sagen“, erklärt Unger.
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