Politik-News mit Emojis und Torte

Die "News-WG": Max Osenstätter, Sophie von der Tann, Helene Reiner.
Wahlanalysen? Hintergrundberichte? Ja, auch das schauen sich Jugendliche bei Instagram und YouTube an.

Eine 28-Jährige, die in der Küche sitzt und sich für Instagram filmt – eigentlich nichts Neues. Doch Helene Reiner tut das nicht, um ihren Followern die neuesten Schmink- und Modetipps zu geben, wie andere in ihrem Alter das auf der Plattform vielleicht tun. Sie präsentiert gerade die Nachrichten.

Reiner ist eine der Bewohnerinnen der „News-WG“ – ein Projekt des BR, das jungen Zusehern seit September auf Instagram das aktuelle politische Geschehen näherbringen soll. Das Ganze geschieht vor der Kulisse einer Münchner Wohngemeinschaft, natürlich kurz und bunt im typischen „Insta-Style“: Berichtet wird in den „Stories“, in aus mehreren, maximal 15-sekündigen Clips bestehenden Beiträgen, versehen mit Texten, GIFs und Emojis.

May-ärgere-dich-nicht

Da wird der Brexit etwa mit dem selbst kreierten Brettspiel „May-ärgere-dich-nicht“ erklärt, das Ergebnis der bayrischen Landtagswahl mit einem Tortendiagramm aus echten Kuchenstücken dargestellt und die Wählerstromanalyse mithilfe von Weißwürsten veranschaulicht, die auf verschiedene Teller wandern.

Die Idee zur unkonventionellen Sendung hatte Reiner mit zwei Kolleginnen während des Volontariats: Sophie von der Tann, die nun von Berlin aus Beiträge für die „News-WG“ beisteuert, und Ann-Kathrin Wetter, die hinter der Kamera tätig ist.

„Wir sind rausgegangen und haben die jungen Leute befragt, was sie sie sich wünschen“, erzählt Wetter. „Da haben wir zum einen gemerkt, dass die meisten auf Instagram sind, und zum anderen, dass sie sich oft verloren fühlen im Nachrichtenalltag. Diese beiden Aspekte haben wir versucht, zu kombinieren.“

Mit dem neuen Format haben die jungen Redakteurinnen eine Lücke geschlossen, „von der wir zuerst gar nicht wussten, dass es sie gibt. Nämlich im Tagesaktuellen noch mal einen Schritt zurückzugehen und Dinge zu erklären, die viele Medien als selbstverständliches Wissen ansehen“, sagt Wetter

Die Herangehensweise der „News-WG“ wüssten die Follower, die meist zwischen 18 und 30 Jahren seien, zu schätzen. Mehr als 25.000 Abonnenten zählt der Kanal bereits, im Jänner wurde er bei den „Goldenen Bloggern“ in Berlin als „Bester Instagram-Account des Jahres“ ausgezeichnet.

So spielerisch die „News-WG“ auch daherkommt – dahinter steckt viel Arbeit: „Manche fragen uns, ob wir das neben dem Studium machen“, berichtet Reiner. „Aber pro Tag sind vier Leute hier, die daran arbeiten.“ Gepostet wird in der Regel täglich. Für Reiner und ihren Mitbewohner Max Osenstätter ist die „News-WG“ mittlerweile zum Vollzeitjob geworden. 

News auf YouTube

Auch auf YouTube gibt es Kanäle, die für vorwiegend junge Zuseher verständlich aufbereiten, was gerade auf der Welt passiert. Mirko Drotschmann lädt als „MrWissen2go“ einmal pro Woche ein Video hoch – etwa zur AfD, zu Trump oder zu den Protesten in Frankreich.

Auch Senioren sehen zu

Die Hälfte seiner Zuschauer sei unter 20, „es sind aber auch einige über 60-Jährige dabei“, erzählt der Deutsche. „Ich habe lange bei den Kindernachrichten ,logo!‘ gearbeitet. Und da wussten wir auch, dass viele Senioren zuschauen, weil wir langsam gesprochen und gut erklärt haben.“

Politik-News mit Emojis und Torte

Mirko Drotschmann.

2012 fing Drotschmann mit Nachhilfevideos an, „MrWissen2go“ zählt mittlerweile mehr als 800.000 Abonnenten. Seit 2017 gehört der Kanal zu funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF, das sich an ein junges Publikum richtet – und die Produktionskosten von „MrWissen2go“ trägt. „Fünf bis sechs Jahre lang war das ein Verlustgeschäft“, erzählt der YouTuber und Journalist, der u. a. auch beim MDR tätig ist.

Dass seine Beiträge auf YouTube teilweise neben Videos mit falschen oder hetzerischen Inhalten stehen, sieht der 32-Jährige als Ansporn. „Mich motiviert das eigentlich immer und ich versuche, dem etwas entgegenzusetzen – objektiv, neutral, mit Fakten“, so Drotschmann.

Der größte Erfolg für ihn: „Wenn mir Leute Dinge schreiben wie: ,Vorher fand ich Politik langweilig, aber du hast mir die Augen geöffnet und ich engagiere mich jetzt‘.“

Auch die „News-WG“ steht in regem Austausch mit den Zuschauern: „Wenn dann zum Beispiel wieder mal was Neues in Sachen Brexit passiert, schreiben uns die Leute an. Die warten schon darauf, dass wir ihnen das erklären“, meint Wetter.

„Politikverdrossenheit können wir unserem Publikum nicht attestieren“, ergänzt Reiner.

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