Philipp Hochmair will "immer tiefer in die Rolle hineingehen"
2018 war ein besonders intensives Jahr für Philipp Hochmair. Im Mai hatte er seinen ersten Auftritt als Sonderermittler Alexander Haller. Damals war „Blind ermittelt“ ein ungewöhnliches TV-Erlebnis, heute ist es ein gewohntes Bild, wenn Philipp Hochmair mit dunkler Sonnenbrille und Blindenstock auf Verbrecherjagd geht. Doch nach wie vor feilt er an seiner Darstellung.
Feilen darf Hochmair nun auch am Jedermann, einer Rolle, die er seit Jahren in der Musik- und Theaterperformance „Jedermann reloaded“ verkörpert. Nachdem er 2018 – eben ein intensives Jahr – auf dem Domplatz mehrere Abende für den erkrankten Tobias Moretti als Jedermann eingesprungen war, spielt er die Titelfigur nun in Robert Carsens Neuinszenierung für die Salzburger Festspiele. Hierbei lässt er sich noch nicht in die Karten blicken.
KURIER: Haben Sie beim ersten Film damit gerechnet, dass „Blind ermittelt“ so langlebig sein könnte?
Philipp Hochmair: Als das Angebot kam, war ich richtig irritiert. Im ersten Moment konnte ich mir einen blinden Kommissar überhaupt nicht vorstellen. Ein Mensch ohne Sehvermögen lebt in der Welt der Sehenden, die für ihn von vorneherein schon äußerst gefährlich ist, – und dann noch auf Verbrecherjagd? Umso größer ist jetzt die Freude, dass die Reihe so erfolgreich ist.
Was bedeutet das für die Erarbeitung der Rolle?
Wenn man so lange eine Rolle verkörpert, ist es überhaupt erst möglich, immer tiefer in diese hineinzugehen.
Sie haben zur Vorbereitung Erfahrungen wie „Dialog im Dunkeln“ gemacht, wo man in absoluter Dunkelheit agiert. Warum war das so wichtig?
Man muss sich immer wieder aufs Neue auf diesen komplexen Charakter einstellen und das bedarf einer konzentrierten und fachlich korrekten Vorbereitung. Es ist so unvorstellbar tragisch, sein Augenlicht zu verlieren, und mein großes Anliegen ist es, respektvoll mit diesem Schicksalsschlag im Film umzugehen.
Sie hatten vor den Dreharbeiten zu den neuen Folgen einen Termin beim Blindenverband. Was konnten Sie dabei lernen?
Wir wurden durch Zuschauerkommentare darauf aufmerksam gemacht, dass sich Unsauberkeiten im physischen Dialog zwischen dem Blinden und seinem Assistenten oder beim richtigen Umgang mit dem Blindenstock eingeschlichen haben. Es ist immer wieder gut und wichtig, mit Leuten des Blindenverbands zu sprechen, damit eben so was nicht passiert und die Darstellung respektvoll und authentisch bleibt.
Googelt man nach „blinder Schauspieler“, findet man fast nur Ergebnisse mit Ihnen und „Blind ermittelt“. Gab es auch skeptische Stimmen – Stichwort „Blind Facing“ –, dass man keinen tatsächlich blinden Schauspieler zeigt?
Das Anliegen der Serie ist es, blinden Menschen einen Fokus zu geben. Wir Sehenden vergessen sehr schnell, wie hart und gefährlich das Leben eines Blinden in der Welt der Sehenden ist, beziehungsweise sein kann. Und zum Glück gab es keine Skepsis, da wir uns wirklich alle Mühe geben, dieses Thema auf professionelle Art und Weise aufzubereiten.
Karriere
Philipp Hochmair, geboren im Oktober 1973 in Wien. Die Mutter arbeitete als Ärztin am Burgtheater, wodurch er früh mit dem Schauspielberuf in Berührung kam. Zunächst Interesse für Malerei und Grafik, bis ihn sein schauspielerisches Talent an die größten deutschsprachigen Bühnen (inkl. Burgtheater-Ensemble) führte
Krimi
Im Mai 2018 ging Hochmair erstmals in ORF und in der ARD auf Verbrecherjagd. Erster Fall in "Blind ermittelt": "Die toten Mädchen von Wien". Am 22. April (20.15 Uhr, ORF 1) ist der Jubiläumsfall Nr. 10 zu sehen: „Tod im Kaffeehaus“. Ermittelt wird in einem Kaffeehausimperium. Ein Sterbender verlangt nach Sonderermittler Haller (Hochmair). Der Ex-Kollege, der wegen Mordes im Gefängnis saß, kann ihm nur noch zwei rätselhafte Bitten mitgeben. Ein dunkles Kapitel aus der Vergangenheit stellt die Freundschaft zum Kollegen Niko Falk (Andreas Guenther) auf eine harte Probe. Am 29. 4. folgt Fall 11: „Tod im Palais“
Zuletzt haben die Regisseurinnen und Regisseure bei „Blind ermittelt“ ziemlich gewechselt. Wie wirkt sich das aus?
Es ist ganz normal, dass es bei so einem Format immer wieder neue Regisseure gibt, damit jeder Film für sich stehen kann und künstlerisch einzigartig bleibt. Nichts ist langweiliger als ein routiniertes Abarbeiten am Filmset. Jeder Regisseur bringt eine eigene Handschrift und Ästhetik mit. Das tut dem Team gut und dem Resultat.
Sie haben Ihre Fans auf Instagram gebeten, Ihnen kritische Kommentare zu schicken – weil Sie Kritik für wichtig halten. Was kam da zurück?
Es war eigentlich eine rhetorische Frage. Umso schöner ist es, dass ausschließlich positive Kommentare gepostet wurden.
Wie haben Sie reagiert, als klar war, dass Sie bei der Salzburger Neuinszenierung den Jedermann spielen werden?
Ich habe mich sehr gefreut!
Wir haben Ihre intensive Vorbereitung auf Rollen angesprochen. Wie sieht das bei der Erarbeitung des „Jedermann“ in Salzburg aus?
Eisbaden, Trockentraining im australischen Dschungel und Drachenfliegen in Brasilien. Was man eben so macht, um in den Salzburger Bergen überleben zu können. (lacht)
Sie werden „Jedermann reloaded“ mit Ihrer Band Elektrohand Gottes mitten in der Festspielsaison zeigen. Erwarten Sie da auch eine Wechselbeziehung zur Arbeit in Salzburg?
Ja, das haben Sie gut erkannt. Genau solche Wechselwirkungen interessieren mich. Außerdem ist Salzburg vielfach überbucht und somit bekommen die Zuschauer eine Gelegenheit, ein einzigartiges Jedermann-Experiment in gigantischer Kulisse zu erleben. Der 9. August ist für mich persönlich ein besonderes Datum, da ich am 9. August 2018, also genau sechs Jahre vor der Aufführung an der Burg Clam, das erste Mal für Moretti eingesprungen bin.
Sie haben im „Zeit“-Interview gesagt, dass Sie der Erstkontakt mit dem „Jedermann“ irritiert hat. Ist das vielleicht sogar der Grund, dass Sie Hofmannsthals Text so intensiv beschäftigt?
So ist es. Ich war als Schauspielschüler von der Veranstaltung irritiert. Und der Wunsch, das anders zu machen, ist sicher eine große Motivation geblieben, mich mit dem Stoff so intensiv zu beschäftigen.
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