ORFIII-Chef Schöber: "Wer auf die Herausforderung reagiert hat, profitiert"

ORFIII-Chef Peter Schöber: "Für den ORF ist Kultur ein Grundnahrungsmittel"
Sender-Chef Peter Schöber über Corona und den Sender als ORF-Backup, die Krise und die Kulturbranche, Quoten und die Konkurrenz.

ORF III gibt es seit neun Jahren. In Zeiten der Krise ist der Sender gefragter den je. Sender-Chef Peter Schöber im Gespräch.

Die Corona-Krise hält Österreich in Atem. Wie ist ORF III in seiner Organisation davon betroffen.

Der gesamte ORF-III-Trakt am Küniglberg ist hermetisch abgeriegelt und auch von der ORF-2-Information getrennt. Auch technisch ist ORF III zerniert mit einer eigenen Studio-Mannschaft und eigener Sicherheitsschleuse. Hinzu kommt, historisch gewachsen, die Sendeabwicklung in Pfarrwerfen. Dort sind vier Leute eines externen Dienstleisters im Einsatz, die sich ebenso in Isolation befinden. ORF III könnte in einem Worst-Case-Szenario von dort auch als Backup für den ORF agieren.

Zum Programmlichen: Am Freitag war Wechsel der Mannschaft. Dann kam auch Ingrid Thurnher raus und in den Nicht-Isolationsbereich. Seit sie als Chefredakteurin am Werk ist, wird ORF III viel stärker als aktueller Info-Sender wahrgenommen – weshalb sie auch für die ROMY nominiert wurde.

Das lässt sich auch an Zahlen festmachen: In enger Abstimmung mit ORF 2 hat ORF III seit Februar mehr als 155 Sonder- und Spezialsendungen produziert. Die ORF-III-Info-Mannschaft besteht im Normalfall nur aus neun Personen. Wir haben in diesem Akutfall Bereiche auflösen und Redaktionen mit erhöhtem Bedarf aufstocken können - etwa 50 Prozent der Mannschaft in der Isolation stammen aus dem Nicht-Info-Bereich, z. B. aus der Kultur. Denn wer Chefin von Dienst von „Kultur heute“ sein kann und große Kultur-Übertragungen gekonnt abwickelt, kann auch Sondersendungen der Information on air bringen. Es ist ähnlich wie bei einer Zeitung: Blattmachen ist Blattmachen. Was inhaltlich spannend ist: Wir haben bereits am 3. Februar einen „Themenmontag“ der Ausbreitung des Coronavirus gewidmet und sendeten u. a. eine „ORF III Spezial“-Ausgabe mit Ingrid Thurnher sowie Dokus.

ORFIII-Chef Schöber: "Wer auf die Herausforderung reagiert hat, profitiert"

Der Wechsel von Ingrid Thurnher zu ORFIII brachte Dynamik in die Information

Wie reagiert das Publikum von ORF III, das ja als eher kulturaffin ist, auf die Info-Flut?

Generell gilt: Sender, die rechtzeitig auf diese Herausforderung reagiert haben, profitieren, sie sind zu permanenten Anlaufstellen des TV-Publikums geworden, andere Sender eben nicht. Das wurde innerhalb des ORF-Konzerns sehr gut aufgelöst. Und doch war es uns ein besonderes Anliegen, die Kultur gerade jetzt nicht zu kurz kommen zu lassen. Dazu haben wir einige Kulturinitiativen gestartet und bauen diese auch aktuell weiter aus.

Heruntergebrochen auf ORF III und die Quoten heißt das?

Nach dem erfolgreichsten Jänner und Februar hatte ORFIII auch den erfolgreichsten März seiner Sender-Geschichte. Die durchschnittliche Tagesreichweite ist auf etwa 1,2 Millionen Seher angewachsen und lag täglich immer über der Millionen-Grenze.

Was lässt das an Schlüssen für die Positionierung des Senders zu?

Im sehr gut funktionierenden Doppelpass mit ORF 2 haben wir mit sehr vielen Sondersendungen auf das Informationsbedürfnis in der Bevölkerung reagiert. Alleine in den zwei Wochen der ersten Isolations-Truppe waren das mehr als 1200 Sendeminuten. Wir haben auch unsere Programmierung sehr flexibel gehalten. Insbesondere untertags - wenn nicht aktuelle Information gesendet wurde, war leichtere Kost zu sehen. Das haben wir ganz bewusst so gehalten. Im Fall des Falles, wie bei der Verabschiedung der Notstandsverordnungen, sind wir aber stets live. Das galt auch für die Unterbrechung, weil das ein Akt des lebendigen Parlamentarismus war – wir sehen ja wenige Kilometer östlich von Wien, wie das anders auch aussehen kann.

Die TV-Präsenzzeit der Regierung ist allerdings sehr hoch.

Das liegt in der Natur der Sache. Aber wir zeigen genauso Pressekonferenzen der Oppositionsparteien und wichtige Statements ihrer Spitzenvertreter. Das kann - ja das darf gar nicht anders sein. Die generelle Linie ist dabei: Es geht um Information, Analyse und Einordnung für das Publikum, das in den vergangenen Wochen der Corona-Krise täglich im Hauptabend auf einen der drei TV-Sender des ORF profund in Sondersendungen informiert wurde.

ORFIII-Chef Schöber: "Wer auf die Herausforderung reagiert hat, profitiert"

Erstmals überträgt ORFIII mit der Aufstehungsfeier mit Kardinal Schönborn am Karsamstag eine Messe im Hauptabend 

Was manche nun irritiert: Österreich ist ein säkularer Staat, warum erklärt sich ORF III plötzlich für Gottesdienste zuständig?

Weil wir auf unsere Seher reagieren, die derzeit wegen Corona zum Beispiel nicht in die Kirche gehen können. Das zeigen ja auch die Reichweiten mit etwa 150.000 Zusehern an einem Sonntagvormittag. Ich möchte auch noch auf die „Feier.Stunde“ der Kollegen der ORF-Religion verweisen, die sich einer Vielzahl an Religionen und Glaubensgemeinschaften widmet. Es gibt aber in dieser für viele schweren Zeit spirituelle und religiöse Bedürfnisse, denen wir uns nicht verschließen dürfen. Deshalb brechen wir auch das übliche Sendeschema und übertragen den Auferstehungsgottesdienst live aus dem Stephansdom am Samstag, um 20.15 Uhr. Ich halte das für wichtig.

Ist es korrekt, dass den Papstsegen „urbi et orbi“ Ende März 365.000 Menschen in ORF III verfolgt haben, wie kolportiert wurde?

Ja, das war eine schnelle Umsetzung gemeinsam mit der Religionsabteilung. Solche Zahlen zeigen, dass ein Bedürfnis der Menschen da ist und darauf reagieren wir. Dazu zählt auch das werktägliche Seelsorge-Kurzformat „Miteinander - Füreinander“ – in der Zeit der Isolation wurden übrigens bisher sieben neue Formate entwickelt und gesendet.

Es heißt, der Marktanteil von ORF III, der ja nicht kommuniziert wird, bereits bei 2,5 Prozent liegen soll?

Das Fernsehen verzeichnet derzeit große Reichweiten, das heißt, viele Menschen schauen fern, ORF III profitiert davon mit einem Reichweiten-Zuwachs von 30 Prozent. Wir haben, anders als andere, auch bei Marktanteilen zulegen können auf die genannte Zahl.

Die Kultur hat es im Augenblick schwer. Von Kino über Theater und Oper und auch Lesungen, alles muss bedingt durch die Pandemie pausieren und oder in den digitalen Raum abwandern.

Deshalb war es eine bewusste Entscheidung des ORF, zwar die Durchschaltung der Zeit im Bild zu lassen, aber in ORF III mit „Kultur heute“ wieder dieses Spielfeld für die Kulturschaffenden zu öffnen. Weil „Kultur heute“ normalerweise ebenfalls aus dem Studio der ORF-III-Isolationszone gesendet werden würde, haben wir im Funkhaus zusätzlich ein Studio eingerichtet, aus dem wir unter Einhaltung aller Bestimmungen senden können. Zusätzlich wurden neue, regelmäßige Rubriken geschaffen, zum Beispiel mit Heinz Sichrovsky oder auch ROMY-Nominee Birgit Denk, die von dort aus Tipps aus ihren Bereichen für die Isolation geben. Außerdem bieten wir im Rahmen der Sendung Kunst- und Kulturschaffenden aus den Bereichen Musik, Kabarett, Literatur und Schauspiel eine Bühne und bitten auch die Intendanten der großen Häuser, der Festivals und Festspiele zum Gespräch.

ORFIII-Chef Schöber: "Wer auf die Herausforderung reagiert hat, profitiert"

ROMY-Nominee Birgit Denk gehört zum Programm-Stamm von ORFIII

Die auch mit leeren Händen dastehen.

Deshalb ist uns das ein großes Anliegen, um auf diesem Weg auch die Beziehung zum Kulturpublikum aufrecht zu erhalten. Der ORF arbeitet gerade an einer großen Kulturinitiative in Zusammenarbeit mit Theater- und Opernhäusern, um auch in Zeiten der Corona-Krise Live-Kultur anbieten zu können.

Jetzt gibt es ja nicht nur die Großen, die ständig ins Scheinwerferlicht drängen, sondern auch kleinere Festivals und Veranstalter, die für jede Sendesekunde in ORF III dankbar sind.

Wir wissen auch da um unsere Verantwortung und bitten sie nun wieder jeden Tag in „Kultur Heute“ vor den Vorhang, das sind viele Sendeminuten, die von einem gar nicht kleinen Publikum wahrgenommen werden. Kultur ist aus ORF-Sicht ein Grundnahrungsmittel und eine der schönsten Formen des Eskapismus.

Live-Kultur, etwas das Donauinselfest, war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Programmbestandteil. Wie geht es damit weiter in Zeiten von Corona?

Beim Donauinselfest hoffen wir, dass wir das im Herbst doch live erleben und übertragen werden können. Dort, wo Events komplett gestrichen werden müssen, werden wir uns ein an- und entsprechendes Ersatz-Programm überlegen. Aber es ist keine Frage, es ist bitter – nicht nur für uns als übertragender Sender.

Eigentlich geht derzeit und bis auf Weiteres gar nichts.

Wir versuchen, wo es geht, flexibel und kreativ zu reagieren und so langjährige Partner zu unterstützen. So wie wir nun planen, die Barocktage aus dem Stift Melk mit Startenor Michael Schade anders, ohne Publikum und unter Einhaltung aller Auflagen zu produzieren. Wir könnten es uns auch einfach machen und nur Konserven spielen - wobei das ORF-Archiv wirkliche Schätze bietet. Aber das kann nur ein Teil der Lösung sein. Ich halte das als Signal ans Publikum für wichtig zu zeigen, die Kultur arbeitet weiter für Euch und deshalb geht der ORF mit den Partnern im Großen wie im Kleinen neue, andere Wege. Natürlich ist es beispielsweise gewöhnungsbedürftig, wenn sich die Kabarettisten der ORF-III-„Tafelrunde“ via Skype am Schmäh halten – aber es funktioniert und das ist das Ziel. Dieses Bemühen zeigt dem Publikum und nicht nur dem affinen, warum Kultur gefördert wird und was der ORF möglich macht. Und das ist wichtig in Zeiten wie diesen.

Schlimme Zeiten erleben auch viele Produzenten. Was kann ORF III tun?

Wir versuchen, alles, was wir – also für ORF III, 3sat und ARTE – an Produktion machen können, zu tun. Da ist auch Co-Geschäftsführerin Eva Schindlauer extrem dahinter und als kaufmännische Leiterin eine wirkliche Ermöglicherin. Es ist uns wichtig, dass diese oft kleinen, langjährigen Partner in Brot und Arbeit bleiben.

Im ORF gibt es ebenfalls Kurzarbeit, es wird ein kräftiges Minus erwartet. Daran gab es Kritik. Wie sehr ist ORF III davon betroffen?

Es gibt bei ORF III und 3sat Kurzarbeit, es gibt aber auch Kollegen, wie etwa jene in der Isolation oder in der Programmplanung, die am Limit arbeiten. Fakt ist, es sind einfach Bereiche des öffentlichen Lebens auf Null gestellt und das hat auch Rückwirkungen auf unsere Arbeit. Ein Beispiel: Geschichte ist ja ebenfalls ein wichtiger Pfeiler des ORF-III-Programms und wir werden heuer 75 Jahre Republik und 75 Jahre „Österreich ist frei“ ausführlich begehen. Die Doku anlässlich 75 Jahre Brand des Stephansdoms, am Ostermontag um 20.15 Uhr zu sehen, konnten wir nur unter enormen Anstrengungen doch noch fertigstellen. Unser großes Zeitzeugen-Projekt mussten wir hingegen stoppen. Es wäre unverantwortlich, mit Menschen, die um die 90 Jahre alt sind, weiter zu arbeiten. In solch einem Bereich, aber auch in Teilen der Administration trifft uns dann die Kurzarbeit.

Zum Abschluss noch zu etwas ganz Anderes, zur Konkurrenzsituation: ServusTV-Chef Ferdinand Wegscheider hat jüngst im KURIER erneut moniert, dass ORF III im Grunde nur dazu da ist, den Privatsender mit Hilfe der GIS-Gebühren zu bekämpfen.  Als Beispiel genannt wurde etwa die Gegenprogrammierung zur ersten ServusTV-Serie „Trakehnerblut“.

Wir haben an sich ein gutes Miteinander mit ServusTV. Mir ist nicht bewusst, dass wir gegen diese Serie programmiert hätten. Als ORF III gestartet ist, war der Generalverdacht der Privaten, dass wir Tsching-Bum-Filme spielen werden – das absolute Gegenteil ist der Fall, aber auch dagegen kann man natürlich sein. ORF-III-Haupt- und Spätabende sind vielfach Eigen- und Co-Produktionen aus den Bereichen Kunst, Kultur, Literatur, Musik, Geschichte, Wissenschaft. Das mag in der Zwischenzeit in Teilen auch ServusTV abdecken, wir haben jedenfalls seit neun Jahren ein unverändertes Programmschema. Was man aber auf gar keinen Fall sagen kann und das ist ja das eigentlich Wichtige für Privatsender, dass ORF III das gesamte Werbegeld aus dem Markt absaugt. Der ORF ist öffentlich-rechtlich und diesbezüglich ist ORF III nichts vorzuwerfen. Ich glaube vielmehr, dass wir mit manchen Programmideen anderen Sendern Inspiration liefern. Das zeigen ja auch die Gottesdienste, die ServusTV nach ORF III ins Programm genommen hat.

 

Er steht für den Wiederaufbau Österreichs nach dem Zweiten Weltkrieg: der  Stephansdom. Er prägt das ORF III-Programm  am Wochenende mehrfach. Zunächst spirituell: Am Karsamstag überträgt ORF III  mit der Osternacht (20.15 Uhr) erstmals eine Messe live im Hauptabend mit   Kardinal Christoph Schönborn.

Danach steht mit Wim Wenders’ Doku „Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ (22.05) ein cineastisches Highlight an. Wenders selbst beschrieb  das Projekt so: „Ich habe nach einigen Überlegungen vorgeschlagen, nicht einen biografischen Film über den Papst zu machen, sondern einen Film mit ihm.“

Den Ostersonntag eröffnet eine „Feier.Stunde“ (9.00) mit Gebeten und Gesängen der griechisch-orthodoxen Kirche sowie Lehren und Weisheiten aus dem Koran.

ORFIII-Chef Schöber: "Wer auf die Herausforderung reagiert hat, profitiert"

"Brandakte Stephansdom - Rekonstruktion einer Katastrophe" am Ostermontag in ORFIII

Topbesetzt mit Jonas Kaufmann sind zwei Produktionen der Salzburger Osterfestspiele, die heuer wegen der Pandemie nicht stattfinden, im Hauptabend: „Cavalleria rusticana“ (20.15) sowie „Pagliacci“ (21.40). Es dirigiert Christian Thielemann.

Am Ostermontag öffnet ORF III  anlässlich des 75. Jahrestages die „Brandakte Stephansdom – Rekonstruktion einer Katastrophe“ (20.15). Davor erzählt   die Doku „Eine Riesenorgel für den Stephansdom“ (19.10), wie die alte, baufällige Dom-Orgel abgebaut und dann Schritt für Schritt wieder instand gesetzt wurde. 

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