FPÖ-Frau Svazek in ORF-Talk: "Politik ist kein Mädchenpensionat"

FPÖ-Frau Svazek in ORF-Talk: "Politik ist kein Mädchenpensionat"
100 Jahre Frauenwahlrecht in Österreich - und das Thema Gleichberechtigung ist noch immer stark ideologisch geprägt.

*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

Frauen wollen vorher immer das Thema wissen, erzählt "Im Zentrum"-Moderatorin Claudia Reiterer. Männer würden hingegen zuerst ihr Kommen zur ORF-Sendung einmal zusagen, und erst hinterher fragen, worüber eigentlich diskutiert werde.

Diesmal ist fünf Frauen die Entscheidung offenbar leicht gefallen. Sie diskutieren am Sonntagabend mit nur einem Mann zum Thema "100 Jahre Frauenwahlrecht - Wo bleibt die Hälfte der Macht?"

Am Beginn der Talkrunde steht gleich einmal die ewige Diskussion um verpflichtende Frauenquoten in Politik und Wirtschaft.

Johanna Dohnal, von 1990 bis 1995 erste Frauenministerin der Republik, hat zu diesem Thema eine harte Wahrheit klar ausgesprochen. Mehr Frauen in der Politik bedeutet gleichzeitig: Weniger Männer.

Für Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) ist das keine Härte, sondern reine Zahlenlogik. Die Aufteilung in der Gesellschaft solle auch im Parlament abgebildet sein.

FPÖ-Frau Svazek in ORF-Talk: "Politik ist kein Mädchenpensionat"

Die FPÖ-Politikerin Marlene Svazek ist zwar auch für Härte, aber in einem anderen Sinn. „Die Politik ist kein Mädchenpensionat“, sagt die Salzburgerin. Es gehe in Parteien um demokratische Prozesse, wo man sich erst einmal durchsetzen müsse. 

Ob man ihr nun glauben mag, dass es nur an einem angeblich freien Wettbewerb liegt, dass die FPÖ mit 24 Prozent den geringsten Prozentsatz an weiblichen Abgeordneten hat, ist eine Sache, aber eines ist klar: Es gibt geeignetere Sprachbilder für eine Diskussion um Gleichberechtigung als das „Mädchenpensionat“. Und damit ist nicht der „Ponyhof“ gemeint.

Svazek meint, dass manche Frauen das gar nicht wollen, von Ortsparteitag zu Ortsparteitag tingeln zum Beispiel. Manche Frauen hätten andere Prioritäten.

Bei Neos sind es hingegen 50 Prozent, die eine solche Priorität haben, bei der SPÖ 48 Prozent, bei Jetzt 43 Prozent und bei der ÖVP immerhin noch 36 Prozent, zumindest was den Anteil weiblicher Nationalratsabgeordneter betrifft.

Politik weniger konkurrenzorientiert?

Der Männlichkeits- und Genderforscher Erich Lehner wünscht sich hingegen im Svazekschen Sinn mehr Mädchenpensionat, Politik müsse nicht zwangsläufig so konkurrenzorientiert ablaufen. Es müsse auch nicht sein, dass hauptsächlich Frauen in der Gesellschaft mit „Reproduktionsarbeit“ beschäftigt sind.

Schauspielerin Nina Proll („Vorstadtweiber“) findet, dass Gleichberechtigung nicht nur an Aufsichtratsmandaten und politischen Posten abzulesen ist, sondern auch an gewissen Freiräumen in der Gesellschaft zum Beispiel.

Rapperin und Autorin Yasmin Hafedh, die laut eigenen Angaben anfänglich gegen Quoten war, sagt, sie sei mittlerweile draufgekommen, dass es Vorbilder aus dem eigenen Geschlecht brauche, zu denen man aufschauen kann.

Eine „intellektuelle Degradierung“ sieht darin hingegen die deutsche Autorin Birgit Kelle: „Die Frauenquote würde ja in ein Gesetz einzementieren, dass wir Frauen eine Quote brauchen für das, was Männer selbstverständlich ohne Quoten schaffen.“

Frauen seien in diesem Rennen einfach später losgelaufen, in fünfzig Jahren werde kein Mensch mehr darüber diskutieren, ist Kelle überzeugt.

Kelle, selbst CDU-Mitglied, weist aber auch darauf hin, dass die Parteien in Deutschland durch die Bank weniger weibliche als männliche Mitglieder hätten, daher halte sie eine Überrepräsentation in den Parlamenten für eine ungerechte Bevorzugung von Frauen.

Quoten als notwendige "Krücke"

Bures hält daraufhin ein Plädoyer für „gemischte Teams“, sie möchte keine frauendominierte Zukunft, sondern eine „menschliche Zukunft“. Quoten seien nur eine vorübergehende „Krücke“ dafür, um ein gesellschaftliches Ziel zu erreichen.

Lehner, der davor direkt von Kelle kritisiert worden ist, sagt, er glaube nicht, dass sich Frauen autonom zu 90 Prozent für Kinderarbeit entscheiden würden, und umgekehrt, 90 Prozent der Männer für berufliche Arbeit. Kelle hätte gerne Belege dafür, Lehner bleibt beim Glauben. Dass seine Aussagen nicht frei von Ideologie sind, kann er also nicht ganz ausräumen.

Die FPÖ-Politikerin Svazek ist natürlich auch nicht frei von Ideologie, sie argumentiert in diesen Punkten aber zwingender. Sie bestreite nicht, dass erst der Feminismus ihr die Möglichkeit gegeben habe, ihre politische Meinung zu vertreten. Heute hätten gut ausgebildete Frauen aber bereits alle Chancen auf dem Arbeitsmarkt, der Schnittpunkt sei für die meisten noch immer die Mutterschaft.

 

Kind und Karriere

Hier hakt Proll ein und hebt die Diskussion endlich in den Alltag. Generell glaube sie, dass Frauen „eher vom Herzen aus das Bedürfnis haben, für die Kinder da zu sein“. Aber es gebe eben auch handfeste wirtschaftliche Gründe, dass sich Frauen eher für Teilzeit entscheiden. Wenn sie in Tirol, wo sie lebt, eine leistbare Nachmittagsbetreuung suche, dann sei das Angebot dort ungenügend, weil zu wenig Bedarf da sei. Jemanden anzustellen, sei aber für viele Menschen zu kostspielig und in dieser Situation würde es sich einfach nicht auszahlen, Vollzeit arbeiten zu gehen.

Bures gesteht zu, dass bei der Vereinbarung von Beruf und Familie noch viel zu tun sei. Es gebe aber immer noch die strukturellen Unterschiede. Als Beispiel nannte sie ein Schweizer Orchester, das nach einem anonymen Vorspielen hinter Vorhängen wesentlich mehr Frauen aufgenommen hat, als zuvor.

"Dämliche" Frauen, die sich schlecht verkaufen

Autorin Kelle, die mit „Gender Gaga“ und "Muttertier" polarisierende Bücher zum Thema geschrieben hat, ist weniger gnädig mit ihren Geschlechtsgenossinnen. Konfrontiert mit den Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen (Österreich 20,1 Prozent beim Bruttolohn laut APA/Statistik Austria, EU-Schnitt: 16,2 Prozent), sagt sie: „Vielleicht sind es auch Frauen, die sich dämlich anstellen und sich schlecht verkaufen.“ Hinter der brachialen Aussage versteckt sich dann aber doch ein konstruktiver Ansatz: Frauen sollten nicht nur darauf schauen, was „die bösen Männer“ machen, sondern auf das, „was wir Frauen steuern können“ und „wo wir vielleicht auch dazulernen müssen.“

Hafedh sagt, Frauen müsste auch bewusst gemacht werden, was sie alles können. Bures fügt an, dass Mädchen dazu ermuntert werden sollten, technische Berufe zu erlernen. Dort würden derzeit auch höhere Löhne gezahlt. Was wiederum die Seite Kelle und Svazek damit kontert, dass auch klassische Frauenberufe besser bezahlt sein sollten. Argumentiert wird das damit, dass Frauen vielleicht gewisse Dinge deshalb machen, weil sie sie tendenziell lieber machen. Und so landet die Diskussion wieder bei der Kindererziehung. Diese müsse vonseiten der Politik mehr Wertschätzung erfahren und daher auch bezahlt werden. Die öffentliche Hand solle im Gegenzug weniger für „Fremdbetreuung“ ausgeben, sagt Svazek. Kelle findet, Frauen sollten damit aufhören, die besseren Männer sein zu wollen.

Spätestens jetzt ist der Kernbereich der Diskussion erreicht: Wie stehen individuelle, private Entscheidung und politische Zielrichtung zueinander?

Genderforscher Lehner plädiert für das schwedische Modell, das Männer und Frauen beim Einsatz für die Familie gleichermaßen fördere. Im Detail erklären kann er das Modell an diesem Abend nicht und muss sich von der Seite Kelle und Svazek Bevormundung vorwerfen lassen. Der Staat solle nicht sagen, was gut und richtig ist.

Proll will sich für keine der beiden Seiten entscheiden, ist aber auch gegen Bevormundung.

 

"Madonnen-Modell"

Lehner sagt, Kinder würden davon profitieren, wenn sie zwei ausgeglichene Bezugspersonen hätten und nicht das „Madonnen-Modell“ mit Mama zu Hause und Papa in der Ferne. Er sage bewusst nicht Vater und Mutter, um gleichgeschlechtlich Liebende nicht auszuschließen.

Kelle sagt, sie würde sehr wohl "Vater und Mutter sagen."

Wenig Klares sagte an diesem Abend Bures. Eher unverbindlich hielt sie kurze Reden darüber, was wünschenswert wäre, über den Weg dort hin ließ sich die Nationalratspräsidentin wenig herauslocken.

Vielleicht ist es auch dieser Nicht-Diskussionsstil, der Reiterer zur abschließenden Frage veranlasst, ob Bures nicht erste Bundespräsidentin des landes werden wolle.

Bures: Es seien ja noch vier Jahre bis zur nächsten Wahl, da wäre es gegenüber dem amtierenden Präsidenten respektlos, zu diesem Zeitpunkt irgendwas zu verkünden.

Das präsidial diplomatische Antworten beherrscht Bures schon sehr gut.

Ganz zum Schluss wendet sich Moderatorin Reiterer noch mit einem breiten Grinsen an mögliche zukünftige weibliche Gäste: Bei der nächsten Anfrage der „Im Zentrum“-Redaktion sollen sie doch zuerst einmal zusagen - und dann erst fragen, was denn das Thema ist.

 

100 Jahre Frauenwahlrecht

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