"Seifenoper" im ORF: 2 weitere Publikumsräte müssen den Rückzug antreten

Mittlerweile heißt es raus aus den ORF-Gremien wegen Unvereinbarkeit: Wegen der Politiker-Klausel müssen Ex-ORF-Journalistin Gertrude Aubauer und die frühere Ministerin Beatrix Karl ihren Rückzug antreten
Nächster Rückzug aus einem ORF-Gremium aufgrund der oft milde belächelten Politiker-Klausel: Am Freitag wurde das Ausscheiden der Ex-ORF-Journalistin und früheren Nationalratsabgeordneten Gertrude Aubauer aus dem Publikumsrat bekanntgeben. Der hatte sie in seiner konstituierenden Sitzung jüngst auch in den Stiftungsrat entsandt. Der Grund: Sie ist Vizeobfrau der ÖVP-Senioren. Ebenfalls verabschiedet wurde die ehemalige Justiz- und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl aus dem Publikumsrat, weil sie Vizeobfrau des steirischen ÖAAB ist.
Für beide gilt, dass „jedenfalls auch bundes- und landesweite Teilorganisationen einer Partei“ von der Politikerklausel erfasst sind, wie es im Kommentar zum ORF-Gesetz (Kogler/Traimer/Truppe) heißt.
In einer dem KURIER übermittelten Stellungnahme erklärt Aubauer, dass sie „gewissenhaft bei Juristen recherchiert“ habe. „Ich bin bei den ÖVP Senioren weder rechtlich vertretungs- noch zeichnungsberechtigt und somit ist auch sachlich keine leitende Funktion ableitbar.“ Es gebe offenbar auch andere juristische Meinungen. „Wenn dies die Arbeit im Publikums- und Stiftungsrat belastet, so macht es für mich keinen Sinn, an meinen ehrenamtlichen Funktionen festzuhalten.“ Persönlich bedaure sie das.
Zuvor schon musste schon Andreas Herz, ursprünglich vom Dachverband der Sozialversicherungsträger für den Publikumsrat nominiert, den Rückzug antreten. Die Funktion des Landesparteiobmann-Stellvertreter der Steirischen Volkspartei steht einer ORF-Gremienfunktion entgegen. Beim ÖGB-Bundesjugendsekretär Matthias Hauer war wiederum die „Abkühlfrist“ als Jugendgemeinderat eines 3000-Einwohner-Ortes noch nicht weit genug fortgeschritten. Beide waren schon bei der konstituierenden Sitzung des Publikumsrats vorige Woche nicht mehr dabei.
Seifenoper
„Die Neubestellung der ORF-Gremien (nach dem VfGH-Erkenntnis und der Neuregelung im ORF-Gesetz) gerät immer mehr zur Seifenoper“, meint der renommierte Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer in seinem jüngsten Blogeintrag. Denn alle künftigen Mitglieder des Publikums- und des Stiftungsrats müssen Vereinbarkeitserklärungen unterzeichnen, die ausdrücklich auf die Ausschlussbestimmungen nach dem ORF-Gesetz Bezug nehmen.

Weil sie Vizepräsidentin des Seniorenbundes ist, ist für Ex-ORF-Journalistin Aubauer die Zeit im Stiftungsrat schon vor ersten Sitzung vorbei
Frage der Konsequenzen völlig offen
Sowohl Aubauer als auch Karl haben an der konstituierenden Sitzung des Publikumsrates teilgenommen. Unter anderem wurden dort 9 Mitglieder (darunter Aubauer) für den machtvollen Stiftungsrat ausgewählt, der z. B. 2026 die neue ORF-Führung kürt, es wurden Ausschüsse beschickt und eine Vorsitzende (Gabriele Zgubic-Engleder, AK Wien) gewählt. Welche Konsequenzen die im Nachhinein festgestellten Unvereinbarkeiten nach sich ziehen, darauf „gibt es derzeit nur eine ehrliche Antwort: wir wissen es nicht“, schreibt Lehofer. „Das ORF-Gesetz regelt diesen Fall nicht ausdrücklich, und es gibt auch keine Rechtsprechung dazu. Denkbar ist Vieles ...“
Die Bundesregierung muss jedenfalls zwei neue Mitglieder des Publikumsrates bestellen, der dann wiederum ein Mitglied in den Stiftungsrat zu entsenden hat. Aubauer war für die Bereich Ältere Menschen nominiert, Karl für den Vertretungsbereich Hochschulen.„Da die gesetzliche Funktionsperiode der Organe (ungeachtet der bereits erfolgten Konstituierung des Publikumsrates) noch gar nicht begonnen hat, wird eine Bestellung aus den bereits eingeholten Vorschlägen zulässig sein“, meint Lehofer. Ein Nachrücken ist allerdings erst wieder im Herbst möglich. Naheliegend wäre, dass Petra Stolba, die den Tourismus im Publikumsrat vertritt und bereits Stiftungsratserfahrung hat, wieder in das oberste ORF-Gremien gewählt wird.

Vizeobrau des steirischen ÖAAB zu sein, verträgt sich nicht mit eine Gremienfunktion im ORF, musste nun die frühere Ministerin Beatrix Karl zur Kenntnis nehmen
Es wird gleich zu Beginn handfest
Die konstituierende Sitzung des Stiftungsrates findet kommenden Dienstag statt. Klar ist bereits: Das obersten Aufsichtsgremium wird zunächst mit nur 34 statt 35 Mitgliedern sein Auskommen finden müssen. Zum Start in die neue Funktionsperiode wird es diesmal nicht nur Formalakte, wie die Wahl eines Vorsitzenden (voraussichtlich SPÖ-Vertreter Heinz Lederer) geben, sondern es geht gleich zur Sache: Die Regierungsparteien SPÖ, ÖVP und Neos, die im Stiftungsrat gemeinsam ein breite Mehrheit haben, nehmen sich laut Tagesordnung die ORF-Beitragstochter OBS vor und sie wollen über Kooperationen am gebeutelten Medienstandort Österreich reden. Peter Westenthaler, einer von nun drei Blauen im Stiftungsrat, will wiederum über den erkrankten ORF-Manager Pius Strobl, der u. a. das 303-Millionen-Bauprojekt am Küniglberg verantwortet, und dessen Dienstvertrag sowie die neuen ORF-Diskussionsformate diskutieren.
Sowohl das Medienstandort-Projekt als auch die Diskussionsformate wären allerdings Grund für positive Nachrichten, was Westenthaler wohl eher nicht intendiert: Strobl, bestverdienender Angestellter im ORF, wurde von Alexander Wrabetz 2015 als „ständiger Bauherrenvertreter“ geholt, als das Projekt nicht nur finanziell aus dem Ruder zu laufen drohte. Zehn Jahr später steht nun fest, dass es trotz einer Inflation am Bau jenseits der 20 Prozent nicht nur im geplanten Budgetrahmen abgeschlossen werden kann, sondern die Kosten sogar darunter liegen. Strobls Vertrag läuft im übrigen im kommenden Jahr aus.
Zeitlich passend hat der ORF soeben die neuen Info-Formate „Das Gespräch“ und „ZiB Talk“ bilanziert: Mit durchschnittlich bis zu 581.000 Reichweite und im Schnitt 368.000 Reichweite bei 21 Prozent Marktanteil liegt „Das Gespräch“ (im direkten Vergleichszeitraum Jänner bis Mai 24/25) vor dem Vorgängerformat „Im Zentrum“ mit 336.000 Reichweite und 18 Prozent Marktanteil. Seit dem Start am 12. Jänner gehört „Das Gespräch“ außerdem medial zu Österreichs meistzitierten TV-Sendungen.
Der „ZIB Talk“ mit Simone Stribl, Alexandra Maritza Wachter, Stefan Lenglinger und Tarek Leitner erreichte seit dem Start am 22. April im Schnitt 215.000 Reichweite bei 14 Prozent Marktanteil und konnte damit am bisherigen Sendeplatz (im Jahr 2025 im Schnitt 174.000 Reichweite bei 12 Prozent Marktanteil) ebenfalls zulegen.
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