Bereit für die ORF-Chef-Wahl: Stiftungsrat wurde komplettiert

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Konstituierende Sitzung am 17. Juni. ÖVP-"Freundeskreis" geschrumpft, jener der SPÖ deutlich angewachsen

Mit der am Donnerstag erfolgten Wahl von neun ORF-Stiftungsräten aus den Reihen des ORF-Publikumsrats ist das oberste Aufsichtsgremium des Öffentlich-Rechtlichen komplett. Am 17. Juni findet dessen konstituierende Sitzung statt mit der Bestellung eines neuen Vorsitz. Der neue Stiftungsrat kürt im kommenden Jahr die nächste ORF-Geschäftsführung. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat jüngst bei seiner Ehrung als "Medienmanager des Jahres" sein Interesse an einer zweiten Amtsperiode deponiert - "wenn's nach mir geht."

Ob es so kommt, ist offen: Mit der neuen Stiftungsratsperiode sind die "Freundeskreise" von ÖVP und Grünen geschrumpft. Dagegen sind künftig mehr Personen im ORF-Gremium vertreten, die der SPÖ, der FPÖ oder den NEOS nahestehen. Das erinnert an die Kür von Alexander Wrabetz 2006, der von einem "Regenbogen" gewählt wurde.

Die Neukonstituierung des ORF-Stiftungsrats erfolgt heuer nach einer Gesetzesänderung, die eine Reaktion auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) war. Das Höchstgericht hatte festgestellt, dass die Bundesregierung zu großes Gewicht bei der Bestellung der ORF-Gremien habe. Die aktuelle Bundesregierung reagierte darauf, indem sie u.a. die Anzahl der von der Regierung entsandten Mitglieder von neun auf sechs senkte und im Gegenzug die Vertreter aus den Reihen des ORF-Publikumsrats von sechs auf neun erhöhte. Neu war beim Bestellvorgang auch, dass die Funktionen im Stiftungsrat nicht nur öffentlich ausgeschrieben wurden, sondern auch die fachliche Qualifikation in Form einer Begründung dargelegt werden musste.

Weisungsfrei und ehrenamtlich

Der ORF-Stiftungsrat hat 35 weisungsfreie, ehrenamtliche Mitglieder. Diese werden von Regierung (6), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (9) und ORF-Zentralbetriebsrat (5) beschickt und sind abgesehen von mehreren Ausnahmen in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Mitglieder dürfen keine Politiker oder auch sonst nicht für eine Partei tätig sein.

Hatte die ÖVP in der abgelaufenen Periode mit von ihr entsendeten und ihr nahestehenden Räten über eine Mehrheit verfügt, ist dem nun nicht mehr so. Jeweils über zehn Stiftungsrätinnen und -räte stehen der ÖVP bzw. der SPÖ nahe, wobei letztere Gruppe deutlich anwuchs und mancher weiterer unabhängiger Stiftungsrat eine Tendenz zur SPÖ erkennen lässt. Mehr Personen entsenden nun auch die FPÖ als stärkste Parlamentspartei und NEOS als Teil der Bundesregierung. Sie kommen jeweils auf drei ihr nahestehende Personen im Stiftungsrat. Den Grünen steht nur noch eine Person nahe.

ORF-Generaldirektorenwahl im Sommer 2026

Der Stiftungsrat bestellt alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag höchstens vier Direktoren und neun Landesdirektoren. Das nächste Mal ist es 2026 soweit, wobei ORF-Chef Roland Weißmann zuletzt erneut durchblicken ließ, dass er einer neuerlichen Bewerbung nicht abgeneigt sei. Die Gremienmitglieder genehmigen Finanz- und Stellenpläne sowie weitere wesentliche Unternehmensentscheidungen.

Der Stiftungsrat beschließt auch die Erhöhungen des ORF-Beitrags, der noch bis 2029 eingefroren ist, und jedes Jahr den Jahresabschluss und das Programmschema des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders. Diese Entscheidungen erfolgen mit einfacher Mehrheit, also 18 Stimmen. Eine Abberufung des Generaldirektors würde dagegen eine Zweidrittelmehrheit, also 24 Stimmen, benötigen. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

Der ORF-Generaldirektor bzw. die Generaldirektorin hat dem Stiftungsrat wie ein Vorstand dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zu berichten. Die Funktionsperiode des Stiftungsrats dauert vier Jahre, gerechnet vom ersten Tag des Zusammentretens.

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