Rot-Türkises Tandem führt künftig den ORF-Stiftungsrat

ORF-STIFTUNGSRAT - KONSTITUIERENDE SITZUNG: LEDERER/SCHÜTZE/WESTENTHALER
SPÖ-Vertreter Lederer ohne Gegenstimme zum Vorsitzenden gewählt. Blaue Stiftungsräte wollten Sitzung vertagen - abgelehnt. ORF 2025 wirtschaftlich positiv

Der neue ORF-Stiftungsratsvorsitzende heißt Heinz Lederer. Der 62-jährige Wiener, der als SPÖ-Vertreter schon lange Mitglied des obersten ORF-Aufsichtsgremiums ist, wurde in der konstituierenden Sitzung am Dienstag ohne Gegenstimme gewählt. Zwei Enthaltungen kamen, doch überraschend, von SPÖ-naher Seite, nämlich vom Neu-Mitglied und Uniprofessor Leonhard Dobusch sowie von der Betriebsrätin Christiana Jankovics. Lederer folgt damit auf den grün-nahen Lothar Lockl, der sich aus dem Gremium zurückzieht.

Mit 33 Ja-Stimmen und einer Enthaltung zum Stellvertreter Lederers gewählt wurde ÖVP-Stiftungsrat Gregor Schütze - ebenso wie dieser PR-Unternehmer. Damit folgt das Gremium der Tradition, dass Vorsitzende und Stellvertreter mit hoher Zustimmung auch aus Oppositionskreisen rechnen dürfen.

Dobusch führte zu seiner Stimm-Enthaltung auf seinem Blog aus, der Grund dafür sei "das Festhalten von den beiden Gewählten an explizit parteipolitisch strukturierten Freundeskreisen im Vorfeld der Sitzung", gegen die er sich ausspricht.

Vertagung abgelehnt

Zuvor hatten allerdings die drei FPÖ-Stiftungsräte Peter Westenthaler, Uni-Professor Christoph Urtz sowie der steirische Vertreter und Ex-ORF-Direktor Thomas Prantner die Vertagung der Sitzung verlangt. Als Grund führten sie an, dass die Beschickung aus dem Publikumsrat nicht rechtskonform zustande gekommen sei, so Westenthaler gegenüber Journalisten. 

In den vergangenen Wochen haben vier Publikumsräte ihre Sitze in der Hörer- und Sehervertretung wieder abgegeben, weil sie von der Politikerklausel im ORF-Gesetz betroffen waren. Zwei von ihnen, Gertrude Aubauer und Beatrix Karl, hatten aber bei der Abstimmung im Publikumsrat über die Entsendung von 9  Mitgliedern in den Stiftungsrat mit gestimmt. Da auch Aubauer in den Stiftungsrat entsandt hätte werden sollen, blieb heute ein Sitz leer.

Der Einschätzung der FPÖ-Vertreter folgte die Mehrheit der Stiftungsräte nicht. Mit dieser Vorgangsweise "gibt es das Damoklesschwert, dass jeder Beschluss des Stiftungsrates jedenfalls bekämpfbar, möglicherweise sogar nichtig ist", erläuterte Uni-Professor Urtz am Rande der Sitzung.

Neue Kräfteverhältnisse

Mit der Neukonstituierung des ORF-Stiftungsrats, die nach einer kleinen Gremienreform als Reaktion auf ein Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis erfolgte, herrschen dort neue Kräfteverhältnisse. Die Funktionsperiode des Stiftungsrats dauert vier Jahre, wobei das Gremium alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag höchstens vier Direktoren und neun Landesdirektoren bestellt. Das nächste Mal ist es 2026 soweit. Die Gremienmitglieder genehmigen Finanz- und Stellenpläne und beschließen auch die Erhöhungen der ORF-Gebühren und jedes Jahr den Jahresabschluss und das Programmschema des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

„Sehr hohes Sparpaket“

„Der Stiftungsrat war in guten Händen und geht nun hoffentlich in vernünftige Hände über“, sagte Lederer nach erfolgter Wahl vor Journalisten in Richtung des scheidenden Vorsitzenden Lockl. Lederer sprach von einem „heißen Sommer“, der auf den ORF mit Blick auf ein „sehr hohes Sparpaket“ zukomme. Der gesetzlich eingefrorene ORF-Beitrag bringe „wirklich hohe Lasten“ mit sich. 

„Wir werden uns sehr intensiv damit beschäftigen, welche Schritte nun zu treffen sind“, sagte der Neo-Stiftungsratsvorsitzende. Sehr wichtig sei ihm, dass es nicht zu einem „personellen Kahlschlag“ komme. Auch erachtet er das ORF-Programm als zentralen Kern des öffentlich-rechtlichen Auftrags. „Daher müssen wir darauf achten, dass die gesamte Breite des Angebots von FM4 bis Ö1 und den Fernsehsendern aufrechterhalten bleibt. Das wird eine Mammutaufgabe“, so Lederer. Lederer will zudem den Stiftungsrat öffnen. 

Mit den privaten Medienhäusern im Land wolle er einen „sehr vernünftigen Umgang pflegen“. Ohne sie seien die Herausforderungen am Medienstandort nicht mehr zu schultern, meinte Lederer, der bis auf Weiteres den roten Freundeskreis noch führt, sich hier aber zurücknehmen will. 

ORF-Chef Roland Weißmann sprach im Anschluss an die sehr lange Sitzung von „herausfordernden Jahren, die auf den ORF zukommen“, an die man mit Mut und Ideen herangehen wolle.

Das heurige Jahr werde man wirtschaftlich positiv abschließen können. Während das aktuelle Sparpaket läuft, rechnet Weißmann für die Jahre 2027 bis 2029 mit einem weiteren. Das soll bei einem niedrigen dreistelligen Millionenbetrag liegen. „Sie hören uns wenig klagen und das Publikum merkt es nicht“, verweist Weißmann auf die besten TV-Quoten seit Jahren. Man wolle mit Mut und Ideen an die Herausforderungen herangehen. 

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Nach dem ORF-Stiftungsrat (v. li.): Gregor Schütze (stv. Vorsitzender), Vorsitzender Heinz Lederer, ORF-Chef Roland Weißmann

Song Contest kleiner als in der Schweiz

Aus Kostengründen wird übrigens auch der Song Contest „nicht so groß wie in der Schweiz“ angelegt werden. Die Devise laute „sparsam, aber spektakulär", so Weißmann weiter. Die Entscheidungsfindung über den Ort läuft über den Sommer. 

Gute Nachrichten gibt es nun auch offiziell vom Bau-Projekt „Medienstandort“, das vom ob seines Jahresverdienstes oft kritisierten ORF-Manager Pius Strobl verantwortet wird. Das Projekt, das seit einem Jahrzehnt läuft, wird beschlussmäßig voraussichtlich mit Jahresende fertig, die Bautätigkeit geht dann noch etwas weiter. Fix ist laut Weißmann: Trotz einer Inflation am Bau jenseits der 30 Prozent wird das Planbudget unterschritten werden. Statt 303 Millionen rechnet er jetzt mit nur 290 Millionen an Kosten. Trotzdem will Weißmann auch bei den nachgelagerten Maßnahmen, das sind Bau- und Renovierungsmaßnahmen, die nicht Teil des Projekts „Medienstandort“, auf die Bremse steigen, „wie jeder Häuslbauer“, weil „es finanziell etwas enger ist.  Das wird über den Sommer erarbeitet.“

Die Kosten sind auch ein Thema beim 2026 anstehenden Sport-Highlight, der Fußball-WM in den USA, Kanada und Mexiko. Auch deshalb teilt man sich die Senderechte mit Servus TV, wobei das Erstrecht nun beim ORF liegt. Wichtig, so Weißmann, sei, dass alle 104 Spiele frei zu sehen seien.

Verschärfung

Einstimmig angenommen wurde vom Stiftungsrat ein Antrag Prantners. Dieser verlangt eine Verschärfung einer Dienstanweisung zu „Cash-Inseratenvergaben und Gegengeschäftsvereinbarungen des ORF mit den heimischen Verlagshäusern nach klaren, objektiven und transparenten Kriterien“. Dabei werde weder deren Sinnhaftigkeit noch die Notwendigkeit in Frage gestellt. Auslöser sollen Vergaben im Fachmedienbereich sein. Prantner sieht darin einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und Objektivierung.

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