Zwei neue ORF-Publikumsräte nach Rücktritten wegen Politikerklausel

Zwei neue ORF-Publikumsräte nach Rücktritten wegen Politikerklausel
Regierung bestellt Uni-Professor und Medienfachmann Fallenböck sowie Ex-Werbeagentur-Chef Becker. Diskussionen zur Politikferne könnten weitergehen

Nach dem unfreiwilligen Rückzug von Gertrude Aubauer und Beatrix Karl aus ORF-Publikumsrat am Freitag, hat die Bundesregierung bereits am Samstag zwei neue Mitglieder per Umlaufbeschluss benannt. Die Nachfolge Karls im Bereich Wissenschaft tritt Markus Fallenböck an, für Aubauer und damit im Bereich älteren Menschen rückt Heinz Kurt Becker nach. Die nächste Sitzung des Publikumsrats ist allerdings erst im September und erst dann kann auch der nun freie Sitz im ORF-Stiftungsrat besetzt werden.

Kenner der Medienbranche

Fallenböck ist aktuell Vizerektor für Personal und Digitalisierung sowie Universitätsprofessor für Technologie- und Innovationsrecht an der Universität Graz. In der Medienbranche ist der Steirer, Jahrgang 1973, kein Unbekannter.  Er war ab 2006 zunächst tätig als Prokurist und Vertriebschef der Styria Multi Media (Magazin-Holding der Styria Media Group) und ab 2011 Geschäftsführer von Iventa Personalanzeigen. Ab 2014 und bis 2018 verantwortete er als Geschäftsführer der VGN Medien Holding GmbH die Bereiche Einzelverkauf, Abo und Großverkauf aller Magazine und E-Paper Angebote sowie alle CRM-Aktivitäten der VGN sowie auch die Ressorts IT und Medienproduktion. Er beschäftigt sich laut Uni Graz seit über 20 Jahren mit der rechtlichen und wirtschaftlichen Umsetzung der digitalen Transformation und ist Miteigentümer des Fintechs Sunrise (früher Own360).

Enge Verbindung zu ÖVP-Senioren

Becker war in seiner aktiven Zeit ebenfalls, und zwar über das Werbebusiness, mit dem Medienbereich verbunden. Nach Stationen bei Grey, GGK, BZW sowie Philipps machte sich der nun bald 75-Jährige 1993 mit der BECKER Werbeagentur selbständig. Politisch ist Becker klar in der ÖVP verortet. Er war u. a. Mitglied des Europaparlaments und Generalsekretär des Seniorenbunds, wo er heute noch kooptiertes Mitglied des Bundesvorstands ist. Darin sieht man, weil keine Leitungsfunktion im rechtlichen Sinn, "eindeutig keinen Widerspruch zur Politikerklausel", wie es auf Nachfrage hieß. Diskussionsstoff kann das aber allemal liefern.

Denn genau über die waren nun Aubauer und Karl gestolpert – womit sie im Zuge der Neuaufstellung der ORF-Gremien aber auch nicht die ersten waren. Die war notwendig geworden, weil der Verfassungsgerichtshof 2023  die Besetzungsbestimmungen für die ORF-Gremien als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Konkret sah das Höchstgericht zu viel Regierungseinfluss. Formal wurde das von der neuen Dreier-Koalition gleich bei Antritt repariert, um innerhalb der von VfGH gesetzten Frist zu bleiben. So bestellt nun die Regierung nur mehr sechs Personen (statt zuvor neun) und der ORF-Publikumsrat nun neun Mitglieder (statt zuvor sechs) in den 35-köpfigen Stiftungsrat.

Die müssen allerdings „politikfern“ sein. Die Paragrafen 20 bzw. 28 des ORF-Gesetzes beschränken den Zugang von aktiven und ehemaligen Politikern zu den ORF-Gremien Publikums- und Stiftungsrat. Das betrifft Mitglieder der Bundes- oder Landesregierungen, des österreichischen und Europäischen Parlaments sowie Gemeinderäte und Partei-Angestellte. „Auch bundes- und landesweite Teilorganisationen einer Partei“ sind von der Politikerklausel erfasst, wie es im Kommentar zum ORF-Gesetz heißt – was zuletzt mehrere potenzielle Gremienmitglieder stolpern ließ.  Eine solche Tätigkeit muss laut Gesetz jedenfalls vier Jahr zurückliegen. Diese Hürde wurde 2001 unter Schwarz-Blau mit damals neuen ORF-Gesetz eingeführt. Bis dahin saß die damalige Spitzenpolitik - darunter auch Peter Westenthaler, der heute FPÖ-Stiftungsrat ist - im ORF-Kuratorium.

Kommentare