ORF-Doku: Die einflussreichen Menschen hinter Kurz, Kogler, Haider und Co

ORF-Doku: Die einflussreichen Menschen hinter Kurz, Kogler, Haider und Co
„Menschen und Mächte“ schaut auf die Menschen hinter den Spitzenpolitikern. Die Doku (zu sehen am Mittwoch) ist ein Vorbote einer Neuausrichtung der ORF-Reihe

Der (damalige) Chef ist weiter in aller Munde. Während die Debatte um die zwei Filme über Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz schwelt, schaut die ORF-Reihe „Menschen und Mächte“ aber auf die „Die zweite Reihe der Macht“ (Mittwoch, 22.30, ORF2).

Ex-TV-Chefredakteur Fritz Dittlbacher bat die vors Mikrofon, die für Spitzenpolitik Entscheidungen vorbereiten, Wahlkämpfe mitorganisieren, Reden schreiben und Spin-Doktoren geben.

Gerald Fleischmann, Mister Message-Control der ÖVP, ist ebenso dabei wie die graue Eminenz der FPÖ, Klubdirektor Norbert Nemeth, oder die Kommunikationschefin von Vize-Kanzler Werner Kogler (G), Theresa Vonach.

Und es wird durchaus ehrlich: „Wenn man nie müde, man nie erschöpft ist, dann hat man entweder Hilfe von außen nötig – oder man lügt“, sagt Vonach.

Auch der Blick in die Historie fehlt nicht. Jörg Haiders Vertrauter Stefan Petzner meint über seine Arbeit: „Ich hatte da teilweise sogar ein schlechtes Gewissen.“

Neuausrichtung

„Die zweite Reihe der Macht“ steht prototypisch für eine Neujustierung bei „Menschen und Mächte“. „Einerseits sollen die Grundwerte der Reihe – tiefgehende Recherche und Blickwinkel, die es sonst nicht im ORF gibt – erhalten bleiben. Nun wollen wir auch das Blickfeld stärker ausweiten“, sagt Tom Matzek, Leiter der TV-Hauptabteilung „Bildung, Wissenschaft und Zeitgeschehen“. Denn Zeitgeschichte passiere auch in der Gegenwart und für die stünden wiederum die 1920er- und 1930er-Jahre parabelhaft.

ORF-Doku: Die einflussreichen Menschen hinter Kurz, Kogler, Haider und Co

Dittlbachers Doku zeigt, wie Macht funktioniert. „Natürlich befriedigt der Blick hinter die Kulissen auch eine gewisse Neugier. Aber es gehört natürlich zu unseren Aufgaben, den Menschen die Mechanismen und Systeme dahinter zu zeigen und das wollen wir verstärken. Ich möchte auch, dass wir mehr investigativ arbeiten“, sagt der studierte Politologe.

Denn der große Vorteil der Zeitgeschichte gegenüber dem aktuellen Journalismus sei, „mit einigem Abstand wird mitunter klar, dass Sachverhalte ganz anders sind, als zunächst wahrgenommen.“

So ein Fall sind etwa die Kurdenmorde 1989 in Wien, über die Matzek für eine Doku recherchiert. „Die Debatte damals war ganz stark von der Innenpolitik geprägt. Dabei spielte diese Komponente, wie sich gezeigt hat, bestenfalls bei der Vertuschung oder der Fluchthilfe für die Täter eine Rolle. Es war viel mehr eine kurdisch-iranische Angelegenheit.“

Auch tiefer in der Geschichte warten spannende Themen, die in den nächsten Monaten in ORF2 zu sehen sein werden: „Tirol in den Tropen“ erzählt von der Auswanderung nach Brasilien. „Das war zum Teil Arbeitsmigration. Sie wurde aber auch von Bundeskanzler Engelbert Dollfuß hoch dotiert. Warum, das versuchen wir aufzuarbeiten“, sagt Matzek.

Ein Projekt fürs nächste Jahr ist „Jahrzehnte in Rot-Weiß-Rot“. Die Erfolgsreihe, von Andi Novak konzipiert und ein Panoptikum aus politischen Strömungen, Kultur, Gesellschaft, wird nun ausgeweitet auf die drei Jahrzehnte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. In „Der Patronen-König – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl“ widmet sich Georg Ransmayr dem Ehemann von Hedy Lamarr, Fritz Mandl, seines Zeichens Generaldirektor der Munitionsfabrik Hirtenberger. Von hier ist es thematisch nicht weit in die jüngere Geschichte Österreichs, zur Noricum-Affäre im Jahr 1985.

Die ist für ältere Menschen noch präsent. Aber für jüngere? Matzek: „Während wir bis vor 20 oder 30 Jahren annehmen konnten, dass jeder weiß, was ,der Anschluss’ bedeutet und wer Dollfuß war, ist das heute nicht mehr der Fall. Wichtig wäre deshalb, ein Format zu entwickeln, das jüngere Menschen oder auch solche mit Migrationshintergrund dort abholt, wo sie sind“ – örtlich, also digital, aber auch von der Erzählweise und Aufbereitung. „Da müssen wir neue Wege gehen.“

Im ORF passiert das in diesen Monaten u. a. mit der multimedialen Aufstellung von Hauptabteilungen und den aktuellen Ressorts. „Wir intensivieren unsere Zusammenarbeit über Mediengattungen hinweg. Das funktioniert schon gut, weil gerade Wissenschaftsjournalisten die Leidenschaft für die Sache eint. Damit läuft dieser Prozess bereits unabhängig von organisatorischen Rahmenbedingungen. Ich glaube außerdem, dass das im Sinne von immer kleiner werdenden Redaktionen, wie wir sie im ORF auch haben, der einzige Weg ist, die Qualität zu sichern. Und die macht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus.“

Kommentare