Oligarchen-Geld für TV-Journalisten: Wie sich Russland Polarisierung erkauft

Der deutsche Journalist Hubert Seipel überreicht Wladimir Putin ein Buch. Seipel soll Geld aus Russland angenommen haben
Ein gekaufter Journalist nützt Wladimir Putin – er transportiert die Messages, die der Kreml in die Debatte des Westens einbringen will, hilft dabei, diese Debatte im Sinne Moskaus zu polarisieren.
Noch mehr aber nützt es Putin, wenn bekannt wird, dass sich ein westlicher Journalist kaufen ließ.
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Denn das ist ein weiterer Tiefschlag für eine der Säulen der westlichen Demokratien: Jeder käufliche Journalist verfestigt eine Erzählung, die Gift ist für die Stabilität des Westens, dass nämlich die Demokratien korrupt sind und die Machthaber und Meinungsmacher das Volk belügen.
Die Aufregung um den deutschen TV-Journalisten und Autor Hubert Seipel, dem vorgeworfen wird, von einem Kreml-nahen Oligarchen 600.000 Euro genommen zu haben, zahlt genau in diese Meinungsmache ein: Im westlichen Boulevard wird dies bereits als Skandal im „Zwangsgebühren-Fernsehen“ eingebucht. Also wieder eine Journalismus-Affäre, die die angeschlagene Branche nach der Affäre um den Spiegel-Autor Claas Relotius erneut schwer treffen würde, und nicht als empörenden Angriff Russlands auf die Medien.
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Trollfabriken
Dass Russland Einfluss auf die Meinung und die Politik im Westen nimmt, ist wohletabliert. Allein zwischen 2020 und 2022 habe Russland gezielte Anstrengungen unternommen, das öffentliche Vertrauen in mindestens elf Wahlen in neun Demokratien zu untergraben, hieß es kürzlich aus Brüssel.
In diesem System wäre ein bestochener Journalist ein eher kleines Rädchen. Viel effizienter ist inzwischen die direkte Beeinflussung der öffentlichen Meinung auf den Sozialen Medien. Dort wird gezielt Desinformation verbreitet, die das Vertrauen in die westlichen Demokratien und in die freien Medien und schwächen soll. Und das auf professionalisierte Weise.
So hat der gefallene Putin-Vertraute Jewgeni Prigoschin vor seinem Tod noch zugegeben, eine derartige Trollfabrik gegründet zu haben. Deren Mitarbeiter beeinflussen die Debatten auf Facebook und anderen Netzwerken sowie in den Foren der Medien im Sinne Russlands. Diese Desinformationskampagne trifft auf eine unvorbereitete Bevölkerung: Viele User können die Fake News nicht einordnen – bzw. finden die Gegenerzählung zur „Mainstream“-Meinung ansprechend. Und sie trifft auf Parteien und „alternative Medien“, die die verunsicherten Wähler abholen, indem sie dieselben Erzählungen – der Westen ist schuld am Krieg in der Ukraine etc. – salonfähig machen.
Aufarbeitung
Dieser Kontext nimmt dem Fall Seipel nichts an Schärfe. Der Journalist räumt die im Zuge einer Recherchekooperation zu fragwürdigen Geschäften Zyperns aufgedeckte Zahlung ein. Daraus seien aber keine inhaltlichen Verpflichtungen gegenüber dem Geldgeber, Milliardär Alexej Mordaschow, erwachsen.
Seipel war zuletzt auch im ORF bei zwei „Im Zentrum“-Ausgaben zum Ukrainekrieg eingeladen, wo er die russischen Sichtweisen durchargumentierte. Schon zuvor hatte es in deutschen Medien heftige Kritik an Seipel gegeben. „Die damals bekannten Vorwürfe hatte Hr. Seipel in Abrede gestellt“, hieß es auf Anfrage des KURIER aus dem ORF, der selbst an der Zypern-Recherche beteiligt war. Bei den Einladungen seien „die journalistischen Standards eingehalten“ und Seipel „in beiden Sendungen kritisch mit seinen Aussagen konfrontiert“ worden. „Beide werden im internen Qualitätsmanagement selbstverständlich erneut nachbesprochen.“
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