"Nix und!" - Ein TV-Wahlabend der Widersprüche ohne Trostpflaster

Am Abend der Bundespräsidenten-Wahl zeigten sich die angriffigen Gegner Van der Bellens plötzlich zufrieden und seltsam sittsam.

* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*

 

Sagen wir, es war nix.

Sonntag, 17:00 Uhr. Die erste Hochrechnung zeigt Alexander Van der Bellen bereits ausreichend weit über der 50 Prozent-Schwelle, womit die Hauptfrage gleich nach Sekunden geklärt ist: Sechs weitere Jahre.

Plötzlich waren alle zufrieden. Auch jene, die mehrere Wochen lang trommeln durften, dass sie unbedingt Bundespräsident werden müssen, damit die Regierung postwendend in die Wüste geschickt werden kann. Nur MFG-Kandidat Michael Brunner bedauerte ausdrücklich, dass Van der Bellen nun eine zweite Amtszeit bekommt. Ansonsten vermittelten fast alle den Eindruck, dass sie mit ihrer ausgiebigen TV-Präsenz in den vergangenen Wochen bereits ihre Wahlziel erreicht hatten.

„Es war doch eine ungewöhnliche Präsidentenwahl“, sagte Armin Wolf zu Beginn er „ZiB 2“. Das spiegelte sich auch an diesem Wahlabend wieder.

Kein Trostpflasterl

FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz trug zwar zwei Pflasterl auf der Stirn (das erinnert ein bisschen ans blaue Auge Andreas Schieders bei der EU-Wahl), brauchte aber offenbar überhaupt kein Trostpflaster. „Ich war auf jeden Fall der richtige Kandidat, selbstverständlich“, sagte er. Auf die Frage von ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger, warum er „nicht wenigstens in die Richtung“ der 49,7 Prozent von Norbert Hofer bei der (ungültigen) Stichwahl von 2016 gekommen ist. Dass das möglicherweise „ein unfairer Vergleich“ ist, gab Bürger selbst zu. Als Vergleichsgröße hätten’s auch die 35 Prozent Hofers und damit Platz 1 im ersten Wahlgang von 2016 getan.

Fast exakt gleich viel (35 Prozent) erreichten nun die prononciert rechtspopulistisch ausgerichteten Kandidaten Rosenkranz, Tassilo Wallentin, Gerald Grosz und Brunner in Addition. Das hat sicher auch bei der FPÖ schon jemand in den Taschenrechner eingegeben. Sollten zwei dieser Kandidaten bei der nächsten Nationalratswahl antreten, braucht die FPÖ wohl tatsächlich ein Trostpflaster.

Ob das der Fall sein könnte, traute sich nicht einmal Politik-Auskenner Peter Filzmaier zu beantworten. In der „ZiB 2“ sagte er: „Bei Wallentin und Grosz habe ich es im Verlauf des Wahlkampfes nach einigen Auftritten aufgegeben, zu erforschen, was in ihren Hinterköpfen vorgeht, denn ich bin Politikwissenschaftler und habe keine gehirnchirurgischen Ambitionen.“

Politologe Filzmaier zum Wahlausgang

Erleichterung

Keinerlei Kenntnisse in Neurologie musste man mitbringen, um die Gemütslage von Van der Bellen zu erforschen. Bei der Ankündigung seines Interviews strahlte er wie ein frisch gestrichenes Honigkuchenpferd in die Kamera. Die Erleichterung ob der Verhinderung eine Stichwahl gab er auf einer Skala von 1 bis 10 ohne Nachzudenken mit "na zehn, auf jeden Fall!" an.

Kein Wunder. Hätte sich der Amtsinhaber in einem allfälligen Stichwahlkampf ja kaum - wie in den vergangenen Wochen - den TV-Konfrontationen entziehen können. Am Wahlabend kam dieser Vorwurf dann von keinem der angriffigen Herausforderer mehr, wenngleich das Ausbleiben einer großen Schlussrunde Anlass dazu geboten hätte.

Langfassung: Bundespräsident Alexander Van der Bellen über seine Wiederwahl

Private Wahlparty

Nun zog es aber offenbar sogar der „lauteste und schrillste“* Kandidat Gerald Grosz (wir erinnern an 'Zipfl eini, Zipfl aussi') vor, in seiner „Wahlzentrale“ eher leise Töne anzuschlagen. Nadja Bernhard* fragte ihre Kollegin vor Ort, wie denn Grosz’ Wahlparty aussehen würde. Auf der Dachterrasse eines Wiener Innenstadthotels hätten sich vier Kamerateams und ansonsten nur Grosz und sein Lebensgefährte eingefunden, hieß es.

Wahlzentrale von Gerald Grosz

Genug

Den Schuhfabrikanten Heinrich Staudinger zog es hingegen ins Pressezentrum in die Hofburg, er sei im Wahlkampf „mit erratischen Wortmeldungen aufgefallen“ sagte Moderatorin Bernhard. Bei seinem Schlussresümee wurde es nicht wesentlich besser. Staudinger zitierte seinen Lieblingsspruch von Seneca: „Nie ist zu wenig, was genügt.“

Offenbar genügte es ihm, eine prominente Fläche erhalten zu haben für die Botschaft, „dass wir mit dem Mainstream an die Wand fahren.“ Staudinger ist alles andere als Mainstream - was er mit seinem Wahlergebnis bewiesen hat.

Erste Stellungnahme von Staudinger

Ebenfalls nicht Mainstream ist Dominik Wlazny. Er konnte aber ein Ergebnis vorweisen, dass Kopf an Kopf mit jenem eines bei „Krone“-Lesern offenbar sehr beliebten Kandidaten liegt. Vor einigen Unterstützern stehend, stellte Wlazny ein weiteres Mal seine Schlagfertigkeit unter Beweis. Auf die Frage, ob das nun eine Testlauf für die Nationalratswahl gewesen sei, sagt er: „Man rennt ja auch keinen Marathon zum Aufwärmen.“

Wlazny über den Wahlausgang

Für Wlaznys Wahlparty waren noch Livemusik und eine Tombola angekündigt. Später, in der „ZiB 2“, konnte man beobachten, dass der Sekt bei der MFG-Party kaum perlte. Und eine Wlazny-Wählerin, und offenbar Freundin der Bierpartei, meinte: „Jetzt wird gefeieeeeert“ und öffnete eine Thermosflasche.

Erdrutsch

Tassilo Wallentin hatte offenbar kein großes Pipapo am Start, der ORF erwischte ihn irgendwo zwischen Tür und Angel. Dort sagte er dann: „Wenn Sie das auf eine Nationalratswahl umlegen, wäre das ein wirklicher Erdrutschsieg gewesen.“

Nun sind sich die meisten Beobachter darüber einig, dass man das eben nicht 1:1 umlegen kann. Die meisten sind sich dafür darüber einig, dass sich der Anwalt und Kolumnist auf die Unterstützung durch die „Krone“ verlassen konnte. Wallentin dazu: „Das größte Märchen ist die mediale Unterstützung durch die Kronen Zeitung. Zeigen Sie mir, wo die war.“

Kreativ

Die kreativste Auslegung des Wahlergebnisses hörte man dann aber in der „ZiB 2“ aus den Reihen des Mit freundlichen Grüßen-Kandidaten (Sorry, das war die Auto-Korrektur, Anm.) Brunner. Michaela aus dem MFG-Lager musste zunächst beherzt lachen, als gefragt wurde, ob man zufrieden sei. Dann die Antwort: „Wir haben definitiv gewonnen. Wir haben mehr Stimmen als die SPÖ, wir haben mehr Stimmen als die ÖVP.“

Bierpartei & MFG: Wie sich das Blatt wendet

Diese Aussage zielte darauf ab, dass die beiden traditionellen Großparteien keine Kandidaten aufgestellt hatten. Über diese vergossene Milch wurde dann später auch bei „Im Zentrum“ diskutiert. Die ehemaligen Vertreter dieser Parteien, Heinz Fischer und Reinhold Mitterlehner, erklärten dann, warum Rot und Schwarz kein großes Problem mit diesem Nicht-Antreten haben, wenngleich sie betonten, für sich selbst zu sprechen. Mitterlehner bedauerte allerdings, dass keine Frau zur Wahl gestanden sei. Irmgard Griss erklärte ihr Nicht-Wiederantreten freilich etwas kreativ: „Es wäre mir komisch vorgekommen … ich habe ja auch ein gewisses Alter erreicht, ich werde jetzt 76.“

Zur Erinnerung: Van der Bellen wird seine zweite Amtszeit mit 79 beginnen.

Griss zitierte einen Kommentar, dass „das Ende der Zeit der alten Männer“ einzuläuten sei, und meinte damit „auch die der alten Frauen“. Die ORF-Runde bei „Im Zentrum“, die auch über Änderungen an der Bundespräsidentenwahl für die Zukunft diskutierte, bestand aber ausschließlich aus grau- bis weißhaarigen Männern und Frauen.

Wahl 22: IM ZENTRUM - Das Ringen um das höchste Amt im Staat

Nix und!

Es war eben ein Abend der Widersprüche. Das zeigte auch die Aussage des FPÖ-Vertreters in der Runde, Ex-Staatssekretär Reinhart Waneck (76). Unter Verweis auf einen „skurrilen“ Wahlkampf sagte er: „Daher bin ich froh, und ich möchte auch dem Bundespräsidenten von hier aus gratulieren, dass das so ausgegangen ist und dass wir uns eine Stichwahl ersparen.“ Das war auch finanziell gemeint, wie Waneck anfügte.

Ein Antreten von roten und schwarzen Kandidaten „hätte Niveau in diese Auseinandersetzung gebracht“, meinte Griss.

„Auf jeden Fall hätt’s dann eine Stichwahl gegeben“, sagte Fischer, Ex-Bundespräsident und im Wahlkampf Van-der-Bellen-Unterstützer.

Griss: „Ja und?!“

„Ja nix und!“, erwiderte Fischer.

Dem ist ist jetzt aber auch wirklich gar nix hinzuzufügen. 

Außer: Sagen wir einfach, es war nix.

 

 

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