Nehammer bei ServusTV: Seitenhieb auf Grüne, Schinkenfleckerl mit Kurz

Nehammer bei ServusTV
Warum er es nicht normal findet, dass man über Normalität diskutieren muss, erklärte der Bundeskanzler im ServusTV-Nachrichtenstudio.

* Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends*

 

Im ORF hatte es Kanzler Nehammer zuletzt nicht einfach. Der ÖVP-Chef bezeichnete die „ZiB2“-Interviews bei Armin Wolf dann selbst an einer Stelle als „Duelle“.

Auf ServusTV, wo der Kanzler am Dienstag in die Hauptnachrichtensendung um 19:20 Uhr eingeladen wurde, geht es nicht ganz so konfrontativ zu.

Hilfen für Unternehmen

Der Sender legte zunächst als Aufmacher das Thema Hilfen für Unternehmen aufs Tapet. Bei der Ausgestaltung des Energiekostenzuschuss II hakt es, wie auch der KURIER zuletzt berichtet hatte.

ServusTV zitierte aus einem „Zeitungsinterview“ (genauer gesagt: im KURIER) mit Johanna Mikl-Leitner, in dem die nö. Landeshauptfrau die Grünen in der Bundesregierung in die Pflicht nimmt: „Es braucht hier dringend mehr Tempo, ein Ende der innerkoalitionären Blockadehaltung und der Endlosverhandlungen.“

Nehammer erklärte im darauf folgenden Interview, dass die Auszahlung immer für den Herbst geplant gewesen sei. Wirtschaftsminister Kocher verhandle mit dem Koalitionspartner noch die letzten Details und Richtlinien. Klingt eigentlich nach Plan,

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ServusTV-Infochef Hans Martin Paar sah den Energiekostenzuschuss II, der bisher nicht gerade für Schnappatmung in der Bevölkerung gesorgt hatte, als gutes Beispiel, um die Themensetzung der ÖVP dezent in Frage zu stellen: „Haben Sie nicht den Eindruck, dass diese Themen den Menschen wichtiger sind  als die Diskussion darüber, was normal und was nicht normal ist?“

Nehammer, der selbst immerhin ein virales Video zum Thema „Was ist normal?“ Ins Netz gestellt hatte, fühlte sich überhaupt nicht bei irgendwas ertappt. Im Gegenteil, er sagte: „Absolut, die Normalität der Menschen ist der Alltag, die Dinge, die sie beschweren, sind Teuerung und Inflation. Deshalb hab ich gesagt: Ich finde es schon nicht normal, dass man über Begriffe wie Normalität überhaupt diskutieren muss. Sie haben Recht, die Sorgen der Menschen sind groß, Teuerung ist nach wie vor ein großes Thema.“

Liest man die Umfragen, dann hat man den Eindruck, die Bevölkerung fühlt sich gerade bei diesen Themen derzeit nicht abgeholt.

"Wie läuft's mit der FPÖ?"

Weil der Kanzler nun in Salzburg zu Gast ist, wollte Paar auch wissen, was der Salzburger LH Wilfried Haslauer über die schwarz-blaue Koalition berichtet: „Wie läuft’s denn mit der FPÖ?“

Nehammer erklärte, er habe den Eindruck, dass es auf Landesebene „immer sehr gut“ laufe. Für die Bundesebene erneuerte er aber die Kritik an FPÖ-Chef Herbert Kickl, dass dieser ein „Sicherheitsrisiko“ sei, weil er sich dem Raketenschutzschirm Sky Shield verweigert habe.

Paar fiel an dieser Stelle Nehammer ins Wort und meinte, Kickl würde das „naturgemäß anders sehen“ und liege in den Umfragen derzeit vorn. Ob er sich eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene vorstellen könne, wenn etwas Marlene Svazek oder Manfred Haimbuchner die Partei führen sollten?

Nehammer entschied sich dazu, die Frage nicht zu beantworten, sondern auf die Umfragen auszuweichen. Pamela Rendi-Wagner habe auch einmal 30 Prozent in den Umfragen gehabt, „und wo ist Pamela Rendi-Wagner jetzt?“ Die Wähler würden der Politik den Auftrag geben, nicht die Meinungsforscher.

Nehammer führt "Normal"-Debatte weiter

Der ServusTV-Moderator sprach den Plan in manchen Bundesländern an, philippinische Hilfskräfte für den Pflegebereich ins Land zu holen, ob das „nicht eine politische Niederlage“ sei? Nehammer: "Auf der einen Seite haben wir das Thema, dass Menschen, die in Österreich leben, weniger bereit sind zu arbeiten als noch vor Jahrzehnten. Das andere ist, dass wir tatsächlich einen demografischen Wandel erleben, eine Pensionierungswelle.“ Er spreche sich für eine „kontrollierte Zuwanderung aus“, zugleich funktioniere ein solidarischer Sozialstaat nur dann, „wenn genug Menschen bereit sind, auch arbeiten zu gehen“.

"Mitwirkungspflicht"

Angesprochen auf den jüngsten Vorschlag aus Bayern - CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte, dass Zahlungen an Migranten ohne Arbeit an eine „Mitwirkungspflicht“ geknüpft werden - sagte Nehammer: "Ich finde es generell vernünftig, dass man immer dann, wenn man Leistungen vom Staat bekommt, auch etwas dafür tun soll.“

Im Nachsatz ein Seitenhieb: „Mit unserem Koalitionspartner gerade schwer umzusetzen.“

Der ServusTV-Interviewer denkt da schon weiter: „Aber vielleicht in der nächsten Legislaturperiode?“

Nehammer wollte offenbar noch nicht an eine türkis-blaue Koalition denken, er erläuterte weiter: „Aber die Differenzierung funktioniert nicht, wenn, dann muss es für alle gleich sein.“ Also eine solche Regelung könne nicht nur für Flüchtlinge gelten, meint der Kanzler wohl.

Er finde aber, „wenn man Leistungen vom Staat erhält, und dazu in der Lage ist, eine Gegenleistung zu erbringen, dann soll das auch geschehen.“

Schinkenfleckerl

Im gesamten Interview (auf ServusTV ON zu sehen) tauchten die beiden noch tiefer in die Migrationspolitik ein. Dort fragt der Moderator zu Beginn: "Wie geht's Ihnen?" Worauf Nehammer die "technischen Möglichkeiten" des Studios lobte, er sei hier zum ersten Mal zu Gast.

Was Nehammer von Georgia Meloni, Alexander Van der Bellen und Andreas Babler hält, kann man nur in dieser Langfassung sehen. Dafür ging sich beim Interview in den „Servus Nachrichten“ noch eine Frage nach Sebastian Kurz aus: „Der ehemalige Bundeskanzler lädt in Salzburg zu einer Abendveranstaltung mit dem Titel ,Schinkenfleckerl und Gin Tonic’. Sind Sie eingeladen?“

Nehammer sagte lächelnd „Ja“, und: „Wenn es sich zeitlich ausgeht, schaue ich auch vorbei.“

ServusTV wünschte „noch eine gute Zeit in Salzburg.“

Das gesamte Interview fühlte sich jedenfalls mehr nach "Schinkenfleckerl" als nach „Duell“ an. Wobei inhaltlich deutlich mehr Punkte - abseits des Polit-Hick-Hacks - angesprochen wurden als bei ähnlichen ORF-Interviews: Geburtenrate, Schengen-Veto, Beitrag zum EU-Haushalt. Um das zu sehen, muss man sich allerdings die gestreamte Langversion ansehen.


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„Ich finde es generell vernünftig, dass man immer dann, wenn man Leistungen vom Staat bekommt, auch etwas dafür tun soll. Mit unserem Koalitionspartner gerade schwer umzusetzen.“
Bundeskanzler Karl Nehammer über seine Vorstellungen hinsichtlich der Sozialpolitik und die Zusammenarbeit mit den Grünen.

„Auf der einen Seite haben wir das Thema, dass Menschen, die in Österreich leben, weniger bereit sind zu arbeiten als noch vor Jahrzehnten. Das andere ist, dass wir tatsächlich einen demografischen Wandel erleben.“
- über die Herausforderungen am Arbeitsmarkt.

„Es ist eine politische Verantwortung, darauf hinzuweisen, dass Arbeit ein Wert ist und dass sich Leistung auch lohnen muss. Zugleich funktioniert ein Sozialstaat nur dann, wenn genug Menschen bereit sind, auch arbeiten zu gehen.“
- über die Verantwortung der Politik in Zeiten des Fachkräftemangels.

„Wir brauchen einen noch entschlosseneren Kampf gegen illegale Migration. Gemeinsam mit der Europäischen Union gibt es viele Bestrebungen, die Außengrenzen stärker zu schützen, die Asylverfahren zu beschleunigen und die, die nicht bleiben dürfen, schnell wieder zurückzubringen.“
- über die Asyl- und Migrationspolitik der EU.

„Wir kämpfen gemeinsam mit der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni für eine Verbesserung der Migrationspolitik.“
- über seine Partner für eine neue Asyl- und Migrationspolitik der EU.

„Das eine ist, dass man dafür Sorge tragen muss, dass die Zahl der unregistrierten Flüchtlinge und irregulären Migranten, die bei uns ankommen, deutlich zurückgeht. Das andere ist, dass wenn tatsächlich das Vertrauen in den Außengrenzschutz so groß ist, dass wir Schengen erweitern können, auch die Bundesrepublik Deutschland aufgefordert ist, die Grenzkontrollen zu Österreich zu beenden. Weil dann haben wir ja Vertrauen in den Außengrenzschutz.“
- über die Voraussetzungen, die aus seiner Sicht erfüllt sein müssen, damit Österreich sein Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien beendet.

„Ich finde es nicht normal, dass man über Begriffe wie Normalität überhaupt diskutieren muss.“
- über die aktuelle „Normal“-Diskussion in Österreich.

„Ich habe ein sehr gutes Verhältnis mit dem Bundespräsidenten. Wir tauschen uns immer wieder aus. Der Bundespräsident hat auch die Aufgabe zu mahnen. Das ist sein gutes Recht.“
- auf die Frage, ob er die Worte des Herrn Bundespräsidenten bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele als Rüge interpretiert.

„Ich halte Herbert Kickl für ein Sicherheitsrisiko.“
- über den Bundesparteiobmann der FPÖ.

„Die Neutralität hat auch wehrhaft zu sein.“
- zur Vereinbarkeit der österreichischen Neutralität mit dem Europäische Raketenabwehrsystem "Sky Shield".

„Wir als neutrales Land müssen besonders auf die Einhaltung des Völkerrechts achten, weil die Neutralität auch durch das Völkerrecht geschützt ist.“
- über die Wichtigkeit des Völkerrechts.

„Ich kenne Andreas Babler aus der Zeit als Bürgermeister in Traiskirchen. Gerade auch in der Pandemie war hier eine Zusammenarbeit notwendig und gut. Die hat auch gut funktioniert.“
- über bisherige Berührungspunkte mit dem SPÖ-Chef.

„Ich habe Andreas Babler mehrere Treffen angeboten, nun ist es der August geworden. Ich freue mich auf das Gespräch.“
- über ein geplantes Treffen mit Andreas Babler im August.

„Wir müssen die Kinderbetreuung weiter ausbauen. Wir müssen Lebensperspektiven für Familien aufzeigen, dass es Frauen und Männern gleich möglich ist, am Erwerbsleben teilzuhaben.“
- über seine Vorstellungen, wie in Österreich wieder mehr Kinder auf die Welt kommen können.

„Geplant war die Auszahlung immer für den Herbst. Der Wirtschaftsminister verhandelt gerade noch mit dem grünen Koalitionspartner die letzten Details, wie die Richtlinie beantragt werden kann.“
- zum aktuellen Planungsstand des Energiekostenzuschuss Zwei.

„Wir haben gesagt, es gibt von der EU eine Forderung, dass sie insgesamt 60 Milliarden Euro mehr braucht. Wir haben gesagt "Nein, das tun wir nicht". Das EU Budget ist ja bis 2027 auf 1000 Milliarden Euro festgelegt. Es muss möglich sein, durch Umschichtungen mehr Mittel aufzustellen. Das ist nach wie vor unsere Position.“
- auf die Frage, ob Österreich künftig mehr in den europäischen Haushalt einzahlen wird.

„Ja, wenn es sich ausgeht, schaue ich vorbei.“
- auf die Frage, ob er heute die Abendveranstaltung „Schinkenfleckerl und Gin Tonic“ des ehemaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz besuchen wird.

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