Larry Flynt: Herr Porno ist tot
Der Weg von Pornograf zu Bürgerrechtler ist ein kurzer. Bei Larry Flynt, Stripclubbesitzer und Herausgeber des einschlägigen Magazins Hustler, führte das eine geradezu zwangsläufig zum anderen. Er kämpfte für Meinungsfreiheit, für freie Sexualität und erstritt sich das Recht auf obszöne Verunglimpfungen prominenter Kirchenleute. Er war dabei ebenso konsequent wie selbstgerecht, zahlte aber einen hohen persönlichen Preis: Ein Attentäter schoss ihn 1978 an und verletzte ihn so schwer, dass Flynt für den Rest seines Lebens im Rollstuhl saß.
Im Kern war Flynt ein amerikanischer Selfmade-Mann: Er betrieb zunächst einige Stripclubs, zu deren Bewerbung er Nacktfotos veröffentlichte, aus denen später das Hustler Magazin wurde, das sein Lebenswerk wurde. Das Heft war das erste, das die Geschlechtsteile von Frauen in Nahaufnahme zeigte, und betrat damit Neuland in der Schmuddelbranche.
Flynt scheute aber ohnehin keinen Skandal. Das begann mit heimlich geschossenen Nacktbildern der früheren First Lady Jackie Kennedy 1975 und reichte von Vergewaltigungscomics bis zu Fantasien über Kindesmissbrauch. Nach massiver Kritik wurde eine entsprechende Rubrik später adaptiert. Lernfähig blieb Flynt. Hohe Reputation erlangte er nie.
Flynt, der nach eigener Aussage nichts mehr verachtete als Prüderie, stand mehr als einmal vor Gericht, um die Meinungsfreiheit wortreich zu verteidigen. 1977 wurde er zu einem Vierteljahrhundert hinter Gittern verurteilt, ein Berufungsgericht hob das Urteil aber wieder auf. Vor allem religiöse Gruppen hatten es juristisch immer wieder auf ihn abgesehen, sein Leben wurde aber durch rassistisch motivierte Gewalt für immer verändert: Ein Attentäter, dem es nicht passte, dass er im Hustler-Magazin Beziehungen mit Menschen anderer Hautfarbe propagierte, schoss auf Flynt und seinen Anwalt. Jahrelang litt der Verleger unter großen Schmerzen und wurde tablettenabhängig. Den Rollstuhl führte er aber ohne Verdruss vor – zu besonderen Anlässen zeigte er sich mit einem vergoldeten Gefährt. Und er bewies unkonventionellen Großmut: 2013 versuchte Flynt, den Täter, der auch zahlreiche andere Gewaltverbrechen begangen hatte, vor der Todesstrafe zu bewahren – vergeblich.
Politisch stand der Pornomagnat, der den viel zitierten „kleinen Mann“ als Zielgruppe für seine Produkte im Visier hatte, eher bei den liberalen Kräften. Er mischte zuletzt lautstark in einer Kampagne gegen Donald Trump mit. 2017 schaltete er in der Washington Post eine ganzseitige Anzeige, in der er ein Preisgeld von zehn Millionen Dollar für kompromittierende Informationen über den damaligen US-Präsidenten bot. Gegen den Republikaner Mitt Romney ging er ähnlich vor, als dieser Präsidentschaftskandidat war.
Früh ins Netz
Neben der Freude an Vulgarität und öffentlicher Debatte hatte Flynt vor allem geschäftlichen Weitblick: Schon 1995 rief er die erste Hustler-Website ins Leben. In einem Interview mit der Tech-Zeitschrift Wired im Jahr 2004 erklärte er, dass er bereits 80 Prozent seiner Umsätze digital mache. Die Hochglanzkonkurrenz Penthouse, die auf Print pochte, war zu der Zeit in die Pleite geschlittert und wurde verhökert.
In dem 16 Jahre alten Interview prophezeite er ein Zusammenwachsen von Fernsehen und Streaming und sprach von künftigen Probleme in Sachen Privatsphäre.
Der Verleger diversifizierte die Porno-Industrie in verschiedene Sparten und brachte zu verschiedenen Vorlieben zunächst eigene Magazine, später dann Online-Angebote heraus.
Er kaufte aber auch ein Skateboardmagazin: Das unorthodoxe Heft Big Brother, aus dessen Dunstkreis die spätere MTV-Reihe „Jackass“ entstehen sollte, wechselte in den 90er-Jahren in seinen Besitz. Dabei kam es zu einem kuriosen Missgeschick in der Adresskartei: Die Abonnenten von Hustler und Big Brother bekamen einmal jeweils das verkehrte Produkt zugeschickt.
Mit dem Film „Larry Flynt – Die nackte Wahrheit“ zollte Oscar-Preisträger Milos Forman im Jahr 1997 Tribut. Dem echten Flynt gefiel die Verfilmung seines Lebens und auch deren Hauptdarsteller Woody Harrelson. Er fühle sich geehrt, sagte Flynt, schließlich werde selten das Leben eines Mannes verfilmt, der noch lebt. Flynt gab in der Darstellung den etwas ordinären Ehrenmann, blieb aber eine kontroverse Figur. Als die Verfilmung seines Lebens erschien, waren Kritiker empört. Der Film habe nicht thematisiert, dass Hustler Bilder von Frauen zeige, die „geschlagen, gefoltert und vergewaltigt“ werden, schrieb die US-Frauenrechtlerin Gloria Steinem damals in der New York Times. „Ein Pornograph ist kein Held.“
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