LA Screenings: TV-Serien werden kurz, knackig, international

Für ORF-Film- und Serien-Chefin Andrea Bogad-Radatz das Highlight: „The Lazarus Project“ von Sky UK mit Emmy-Nominee Paapa Essiedu
Serien sind für viele TV-Sender weiterhin eine wichtige Programmsäule und oft einer der wenigen Anknüpfungspunkte zu jungen Zielgruppen. Der Hotspot für den internationalen Programm-Markt dazu sind die LA Screenings, die nach zwei Jahren Corona-Pause jüngst wieder stattgefunden haben.
Doch in dieser kurzen Auszeit hat sich die Fernsehwelt deutlich verändert. Fast jeder der US-Konzerne hat nun eigene internationale Streaming-Dienste, für die produziert wird und über die Inhalte der eigenen Studios und Sender exklusiv vermarktet werden. Diesbezüglich extra-konsequent war nun Disney, das gar keine Screenings für Programm-Einkäufer in Los Angeles abhielt. Vertreten waren hingegen die klingenden Namen Universal, Sony, Paramount und Warner.
Schwindender Erfolg
„Die Zeiten, in denen die US -Serienproduzenten mit ihren Themen und Schauplätzen ausschließlich auf den Heimmarkt konzentriert waren, sind vorbei“, bilanziert ORF-Film- und Serien-Chefin Andrea Bogad-Radatz die Programm-Messe. Und das meint sie durchaus positiv. „Es gibt eine hohe Bereitschaft zu internationalen Co-Produktionen. Man könnte sagen: Hollywood wird international.“ Man reagiere damit auch auf den schwindenden Erfolg am internationalen Markt. „Das ist aus unserer Sicht eine erfreuliche Entwicklung, weil diese Serien thematisch möglicherweise besser zu unserem Publikumsgeschmack passen“, meint Bogad-Radatz.
Die nach ihrer Einschätzung auffälligste Produktion bei den LA Screenings fällt in diese Kategorie „Internationale Produktion“: „The Lazarus Project“ ist eine achtteilige Action-Thriller-Serie von SKY UK mit dem Emmy- und BAFTA-nominierte Paapa Essiedu ("I May Destroy You“). Darin geht es um eine geheime Organisation, die die Fähigkeit besitzt, die Zeit zurückzudrehen, wenn der Welt der Untergang droht. „Eine hochwertig produzierte, spannende Geschichte mit einem charismatischen Hauptdarsteller.“ Regie führte der Deutsche Marco Kreuzpaintner ("Der Fall Collini").
Event-Charakter
Dass diese Produktion ab Herbst zunächst bei SKY und da über Monate laufen wird, ehe sie für lineare TV-Sender wie den ORF überhaupt erwerbbar wird, stelle kein Problem dar. „Wir sprechen ein anderes Publikum an.“ Das aber sehr wohl für Serien mit Event-Charakter zu begeistern sei. „Das hat uns ,Chernobyl` deutlich gezeigt“, das zuvor auch lang im Pay-TV und bei Streamern zu sehen war und in ORF1 ein unerwartet großer Quoten-Erfolg war.

Gemma Arterton („James Bond 007: Ein Quantum Trost“) aufwarten kann der Sechsteiler „Funny Woman“, ebenfalls von SKY UK
Dass für Streaming-Plattformen nun verstärkt Mini-Serien produziert werden, sei als klarer Trend auszumachen gewesen. „Das passt auch gut für uns und für potenzielle Event-Programmierungen in ORF1“, erklärt Bogad-Radatz. Beispiele neben „The Lazarus Project“ waren die sechsteilige Serie „The Undeclared War“ von Channel 4 und NBCUniversal, hochkarätig besetzt mit Mark Rylance ("Dunkirk") und Simon Pegg ("Star Trek"). Im Mittelpunkt steht ein Team von Analysten der britischen Spionageabwehr, die einen geplanten Cyberangriff auf das Wahlsystem des Landes abwehren müssen. Mit Gemma Arterton („James Bond 007: Ein Quantum Trost“) aufwarten kann der Sechsteiler „Funny Woman“, eine Adaption von Nick Hornbys „Funny Girl“, über eine Schönheitskönigin, die in den Swinging Sixties versucht, als Comedian in London berühmt zu werden.
Eskapismus
„Funny Woman“ ist zudem ein Beispiel für den vorherrschenden Eskapismus, den Bogad-Radatz konstatiert. So gibt es von der Neo-Western-Serie „Yellowstone“ nun ein Prequel „1883“ und ein Sequel „1932“ (mit Harrison Ford und Helen Mirren). Und zur erfolgreichen CW-Serie „Walker“, ein Reboot zu „Walker, Texas Ranger“, kommt ebenfalls ein Prequel, das davon handelt, wie die wohlhabende Abby Walker (Katherine McNamara) aus Boston im späten 19. Jahrhundert mit ihrem Mann nach Texas umsiedelt.
Ein Thema, das mehrere Produktionen aufgreifen, sind zudem Zeitreisen. Das prominenteste Beispiel ist die NBC-Neuauflage von „Quantum Leap“ („Zurück in die Vergangenheit“), 30 Jahre nach der Mutterserie.
Kuriosum
Daneben gab es in LA auch die normalen Serien der TV-Networks, klassische wöchentliche Polizei-, Feuerwehr- und Krimi-Serien, die versuchen, an Erfolge wie die „Navy CIS“-Franchise anzuknüpfen, etwa „East New York“ von Warner. „Davon wird aber ganz klar weniger produziert, man fokussiert auf die Programme für die Streaming-Dienste“. Kaum vertreten war hingegen Comedy. „Wir suchen alle nach einer Hit-Serie, wie es ,Big Bang Theory‘ war und zum Teil ja immer noch ist. 2022 war sie nicht dabei.“

"Ze Network" ist eine Produktion von Paramount und RTL+ (v. l.): David Hasselhoff und Henry Hübchen spielen sich selbst. Mit dabei: Lisa Marie Koroll
Vielleicht kann die Humor-Lücke ja eine internationale Produktion der kuriosen Art füllen: die neue David Hasselhoff-Serie „Ze Network“, die Paramount gemeinsam mit dem Streamingdienst RTL+ produziert hat. „Eine Persiflage auf den Erfolg Hasselhoffs in Deutschland. Das zeigt beispielhaft, dass Serien-Produktion keine Einbahnstraße mehr von den USA nach Europa ist“, sagt Bogad-Radatz.
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