Julia Koschitz: Ihr Wettlauf gegen die Zeit sorgt für Gänsehaut
Gerade noch rechtzeitig entkommt eine Frau in Wien ihrem Entführer, Star-Architekt Carsten Spanger (Justus von Dohnányi). Psychiaterin Karla Eckhardt (Julia Koschitz) soll nun für den Prozess dessen Schuldfähigkeit abklären. Im Lauf der Gespräche kommt bei ihr der Verdacht auf, einen Serienmörder vor sich zu haben, dass jedoch ein entführtes Opfer noch leben könnte. Um das zu retten, muss Karla hoffen, dass ihr Gegenspieler Hinweise liefert. Dafür muss sie aber sehr viel von sich preisgeben. Und doch kommt es anders, als sie meint …
Der Psycho-Thriller „Im Schatten der Angst“ sorgt am Sonntag (20.15, ORF2) für Gänsehaut. Vor allem jene kammerspielartigen Szenen, in denen die 44-Jährige als sensible wie unbestechliche Psychiaterin versucht, dem charismatischen Tatverdächtigen von Dohnányi nahe zu kommen, ist große Schauspielkunst, für das es oft nicht mehr braucht als Blicke. Die in München lebende Österreicherin im Interview.
KURIER: Die stärksten und intensivsten Szenen von "Im Schatten der Angst" sind jene, in denen Sie mit Justus von Dohanyi im Zwiegespräch sind. Wie schafft man es, diese spezielle Chemie herzustellen?
Julia Koschitz: Es waren genau diese Szenen, die mich von Anfang an am meisten gereizt haben, um so mehr, als ich hörte, dass ich sie mit Justus spielen darf. Er ist ein beeindruckender Schauspieler und ein unglaublich angenehmer Partner, mit ihm zu spielen war einfach nur ein Vergnügen. Wir hatten ein ausgesprochen gelungenes Buch mit guten Dialogen und vielschichtigen Charakteren als Vorlage und einen hervorragenden Regisseur, der differenziert und sehr genau mit uns gearbeitet hat. Es waren alle Komponenten da, auch visuell, um zumindest nicht gleich zu scheitern.
Der Film ist sehr düster, inhaltlich als auch optisch. Welches Umfeld benötigen Sie am Set, um in solche Szenarien abtauchen zu können?
Eigentlich genau das, was ich gerade beschrieben habe - ein gutes Buch und gute Partner. Wenn jeder an einem Strang zieht und es einfach nur darum geht, die Geschichte zu erzählen, ohne irgendwelche Eitelkeiten, dann fühle ich mich am wohlsten.
Haben Sie sich für ihre Rolle der Gutachterin und Psychologin Karla speziell vorbereitet?
Ich habe viel gelesen und mir lauter Interviews mit forensischen Psychiatern angeschaut, wie z.B. Hanna Ziegert und Norbert Nedopil, die sich beide mit ethischen und rechtlichen Fragen innerhalb der Forensischen Psychiatrie auseinander gesetzt haben. Ein wahnsinnig spannendes Thema. Durch diese Recherche, aber auch nach einem Gespräch mit einer Psychiaterin konnte ich mir ein Bild davon machen, wie die Suche durch das Innenleben eines Verbrechers aussehen kann.
Ermittelnde Psychiater und Psychologen liegen derzeit in Film und Serie im Trend. Was könnten aus Ihrer Sicht die Ursachen dafür sein?
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Ich weiß nur, dass mich persönlich das „Warum“ einer Tat, dem ein Psychologe auf die Spur geht, mehr interessiert, als das „Wer war es“. Es erzählt viel mehr über den Menschen an sich. Vielleicht geht es ja anderen auch so.
Sie bestechen auch in diesem Film durch ein reduziertes Spiel, arbeiten sehr intensiv mit ihrer Mimik, mit den Blicken.
Ich spiele hier eine Frau, die Menschen grundsätzlich misstraut, die ihr Innenleben versteckt hält und sich eigentlich nur wohl fühlt, wenn sie sich mit komplizierten, schwierigen Persönlichkeiten auseinander setzen kann. Das Reduzierte ist in diesem Fall schon auch Teil ihres Charakters - sie will nicht gesehen werden, sie will sehen, und sie kann Dinge sehen, die sonst niemand erkennt. Daher wahrscheinlich auch inszenatorisch der Fokus auf meinen Blick. Eine impulsive, offene oder weniger kontrollierte Figur bräuchte natürlich eine ganz andere Verkörperung. Insofern würde ich sagen, dass das Reduzierte nicht mein Leitmotiv ist, es muss zur Figur passen.
Sie sprechen in Interviews auch ihre Selbstzweifel an. Sind Sie eine Perfektionisten, die selten mit dem Geleisteten zufrieden ist? Und woraus schöpfen Sie das Selbstvertrauen, das notwendig ist, um sich voll und ganz vor der Kamera öffnen zu können?
Ich denke beim Spielen nicht an mein Selbstvertrauen, ich habe einfach Lust zu spielen. Und die Tatsache, dass am Ende niemand weiß, was ich denke, hilft wahrscheinlich auch. Und was meine Zweifel angeht, ich glaube, sie sind ein Motor. Man könnte auch stattdessen sagen, dass sich mir immer neue Fragen stellen und sie zu beantworten führt zwangsläufig zu einer Präzisierung. Das gefällt mir, ich glaube, dass man auf diese Weise Beliebigkeit vermeiden und einer Wahrhaftigkeit näher kommen kann. Beim Spielen lässt man das eh alles wieder los, lässt sich auf die Szene und seinen Partner ein und wird im besten Fall von etwas ganz Neuem überrascht.
Sie zeichnen sich in Ihren Rollen durch eine enorme Wandlungsfähigkeit aus. Können Sie sich, auch angesichts steigender Qualität im Seriengenre, vorstellen, wieder in einer Seriec zu spielen und damit längere Zeit an einer Figur zu arbeiten?
Mit einem interessanten Thema, guten Büchern und einer spannenden Rolle, auf jeden Fall.
Für ihre Leistung in der vom ORF co-produzierten Tivoli-Film-Produktion, in der u. a. auch Aaron Friesz, Marie-Christine Friedrich und Johannes Zeiler zu sehen sind, wurde Koschitz eben beim Festival des deutschen Films ausgezeichnet.
Drama und Satire
Koschitz, dem breiten Publikum in Österreich etwa durch „Das Sacher“ bekannt, beherrscht nicht nur das dramatische Fach, wie ein Auszug ihres jüngsten Schaffens zeigt: Im Sommer drehte sie in Wien den Jugend-Mystery-Kino-Film „Das schaurige Haus“ (Regie: Daniel Prochaska); beim Filmfest Hamburg sind demnächst „Unterm Birnbaum“, eine in der Jetzt-Zeit erzählte Version der Fontane-Novelle und die Polizei-Satire „Das Gesetz sind wir“ zu sehen, die das ZDF ausstrahlen wird. Für die ARD hat Koschitz „Weil Du mir gehörst“, ein Familen-Drama und PAS-Film, gedreht, das im ersten Quartal 2020 zu sehen sein wird.
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