Im April 2021 hat die UFA Documentary offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Als Co-Geschäftsführerin fungiert die gebürtige Grazerin Gwendoline Szyszkowitz-Schwingel. Beim Interview im Wiener Café Goldegg spricht die 43-Jährige über das TV-Event „#VOXforWomen“ am 1. November, nächste Projekte und den fehlenden Mut zur Schauspielerei.
KURIER: Was ist die Mission der UFA Documentary?
Gwendolin Szyszkowitz-Schwingel: Gute Frage. Wir hatten noch gar keine Zeit, uns groß mit einem philosophischen Hintergrund auseinanderzusetzen. Wir haben sofort losgelegt und hatten schon vor der Unternehmensgründung erste Projekte am Laufen. In aller Kürze würde ich sagen, die Mission von UFA Documentary ist, das, was die UFA ausmacht, umzulegen auf den dokumentarischen Bereich. Die UFA stand und steht stets für die filmische Umsetzung von großen Geschichten, Dramen und wichtigen Ereignissen.
Ungewöhnlich für eine Dokumentarfilm-Firma ist deshalb, dass zu den ersten Projekten ein TV-Event gehört: #VOXforWomen. Wie das?
Das hat mehrere Aspekte. Zunächst: Ich meine, dass das Thema „Frauen-Power“ an allen Ecken und Enden der Gesellschaft brodelt. VOX hat als Sender wiederum eine weibliche Zielgruppe. Eine zweite Frage ist: was ist die Stärke linearer Sender? Was können sie, was Streamer nicht können? Das ist live TV und das ist Show - Event. Dazu kommt nun mein Ansatz, den ich auch in der UFA Documentary habe, der lautet, man macht nicht nur einen Film, sondern man löst mit dem, was man tut, etwas aus, im besten Fall eine Art von Debatte, einen medialen Hall im Nachgang. Indem wir etwas machen, das es in dieser Form im deutschen Fernsehen noch nicht gab, wollen wir das mit #VOXforWomen erreichen. Wir bringen das Thema Feminismus in seiner Gesamtheit aufs Tapet; VOX geht mit diesem Event tatsächlich in eine Vorreiter-Rolle und andere Medien folgen - hoffentlich.
Zur Person
Gwendolin Szyszkowitz-Schwingel (43) begann bei Hannes Jagerhofer sowie bei DoRo und arbeitete lange bei Kobalt Productions für den ZDF-Theaterkanal. Ab 2009 selbstständige Produzentin und Regisseurin. Projekte u. a.: "Lugau City Lights“, "Jan Josef Liefers – Soundtrack meines Lebens“
Zum Unternehmen
UFA Documentary ist ein eigenständiges Produktionsunternehmen unter dem Dach der UFA und Teil der Bertelsmann Content Alliance. Der Fokus liegt auf Doku, Dokuhybride, serielle Feature etc.
Das ist schon sehr ambitioniert.
Wir wissen, dass wir damit auch scheitern können, aber es muss das einfach einmal einer anfangen. #VOXforWomen geht ja über ein mehrstündiges TV-Event hinaus. Wichtige Influencerinnen, die Teil des Events sind, haben schon davor in ihren Communities dafür getrommelt und werden es danach weiter tun. #VOXforWomen ist also auch als Social-Kampagne aufgesetzt, um tatsächlich zu nachhaltigen Diskussionen zu führen. Und es soll zudem im nächsten Jahr weitergehen. Das macht auch so Spaß an diesem Projekt, #Voxforwomen ist innovativ – und sau anstrengend.
#VOXforWomen bringt auch eine Zusammenarbeit mit ihrem Mann, VOX-Senderchef Sascha Schwingel. Macht es das einfach oder kompliziert?
Natürlich kompliziert (lacht). Klar nimmt man das Berufliche mit zum Abendessen daheim. Wir haben ja in den Jahren, als ich selbständig war, schon oft zusammengearbeitet. Das erste Mal vor vielen Jahren, als er noch Produzent bei der teamWorx war, die zwischenzeitlich in der UFA aufgegangen ist. Er sollte etwas über Pferde machen und er hat mich wegen eines Textes dazu gefragt. Ich hab‘ sofort ja gesagt, denn ich habe mir gedacht, Pferde mag ich sehr und schreiben kann ich auch – aber wir haben dann tierisch gestritten. Ich hatte mir dann geschworen, das nie wieder zu tun. Aber es ist anders gekommen.
Und bei #VOXforWomen?
VOX wollte diese Themenwoche gestalten und ich beschäftige mich seit Jahren sehr intensiv mit Frauen Themen und habe mehrere Dokumentarfilme darüber gemacht. Und dann habe ich, zusammen mit dem Netzwerk We Are Era, unser UFA Documentary Konzept eingereicht. Es ist übrigens natürlich keine Zusammenarbeit im herkömmlichen Sinn, weil das die Compliance Regeln von Bertelsmann gar nicht erlauben. Das interfamiliäre Arbeiten ist natürlich schön, wenn es gelingt, was wir hoffen. Aber eben furchtbar, wenn etwas nicht funktioniert. Denn das trägt man dann natürlich miteinander aus, um Lösungen zu finden. Das kann man ja nicht bei der Haustüre ausschalten. Aber das Thema ist wichtig und muss erzählt werden. Da muss man die eigenen Eitelkeiten dann auch mal ausschalten.
Themenwoche. Diese abendfüllende TV-Show widmet sich der Stärkung von Frauen und einer Veränderung des gesellschaftlichen Frauenbildes: Die mehrstündige Sondersendung "#VOXforWomen – Das Event“ am 1. November (20.15, VOX)) soll die Initialzündung sein für eine komplette Themenwoche mit Reportagen, Talkrunden, Studioaktionen sowie soziale Experimenten zu Themen wie Sexualität, Rollenbilder, Arbeitswelt oder Politik. Ziel dessen ist es aufzuzeigen, dass das Thema geschlechterunabhängig alle betrifft.
Schauspielerin und Mitinitiatorin Natalia Wörner sowie Moderatorin Laura Wontorra werden gemeinsam durch das TV-Ereignis führen und eine Vielzahl von Alltagsheldinnen und prominenter Gäste begrüßen. Darunter sind u. a. die Schauspielerinnen Wolke Hegenbarth, Ursula Karven sowie Thelma Buabeng, Gastronomin Haya Molcho und Unternehmerin Diana zur Löwen.
#VOXforWomen wird über die Sendung hinaus begleitet von Social-Media-Aktionen auf Instagram und weiteren Kanälen von VOX.
Die UFA und damit UFA Fiction ist Teil der Bertelsmann-Welt. Dazu gehören auch RTL und die Sender der Gruppe, in Deutschland auch noch die Streaming-Plattform RTL+ (vormals TVnow), Gruner+Jahr uvm. Seid Ihr da zur Synergie verdammt?
Nein. Ich persönlich finde aber, dass man diese Synergien noch viel stärker nutzen könnte. Innerhalb von Bertelsmann gibt es ja seit 2019 synergetische Zusammenschlüsse, wie etwa die Content Alliance, zu der auch die UFA gehört. Da erfährt man dann beispielsweise, was die Kollegenschaft der Verlagsgruppe Penguin Random House an Veröffentlichungen plant. So bekommt man sehr früh Zugriff auf einen Stoff, der extrem gut recherchiert ist, an dem sonst Filmemacher sehr viel länger arbeiten müssten. Gerade aber im Non-Fiction-Bereich ist es ja so, dass die Entwicklungsphase eines Stoffes kaum oder nur schlecht bezahlt wird. Für uns ist es also ein Geschenk, wenn etwa ein Sachbuch vorliegt, das Stoff für eine Doku sein kann. Und das machen wir nun verstärkt, Sachbücher zu optionieren und zu überlegen, wie und mit wem wir das angehen können. Teil dessen zu sein, ist für uns ein großes Privileg.
Eure ersten Doku-Projekte sind sehr unterschiedlich: Es geht mit Weltumsegler und Abenteurer Boris Herrmann, der 2019 Greta Thunberg nach New York brachte, auf die härteste Regatta. Angekündigt ist zudem ein Porträt der deutschen Pop-Legende Rosenstolz.
Boris Herrmann ist ein gutes Beispiel für eine synergetische Zusammenarbeit innerhalb der Bertelsmann Content Alliance: „Allein zwischen Himmel und Meer" ist einerseits als Buch bei C. Bertelsmann erschienen und ein Bestseller. Im Oktober, zur Nachhaltigkeitswoche, wurde die 90-minütige Dokumentation über die Vendée Globe auf RTL+ veröffentlicht. Die ist ein Rückblick auf diese höchst dramatische Regatta aus Sicht von Boris Herrmann. Jetzt im November folgt mit „Boris Herrmann – Die ganze Welt des Segelns“ eine neunteilige Serie, in der auch andere ihre Sicht auf diesen Sport erzählen.
„Rosenstolz“, eine Produktion für die ARD, führt Sie ja quasi zurück zu ihren Anfängen in diesem Metier bei DoRo, also zu Pop und Rock zurück?
Ich finde es wahnsinnig schön, dass Musik und Musikgeschichten jetzt endlich wieder mehr gefragt sind. Nachdem die Musik in den 1990ern noch groß und wichtig war fürs Fernsehen, wurde sie zwischendurch klein. Man konnte sie im TV-Bereich nicht gut verkaufen. Ausnahmen wie „Metallica: Some Kind of Monster“ bestätigen die Regel. Jetzt gibt es wieder Interesse daran, eben auch der Öffentlich-Rechtlichen. Zu Rosenstolz gibt es einen engen Draht, der über meinen Partner bei UFA Documentary, Marc Lepetit, geht. Das ist nicht die Geschichte von Ruhm und Erfolg, sondern hier erzählen Künstler aus ihrer Sicht aus ihrem Leben. Für Rosenstolz, die als Band ja nicht mehr existieren, schließt sich so zum 30er ein Kreis.
Dokumentation ist ja vieles, das reicht vom Tierfilm, über Wissenschaft bis zur Historie und Gesellschaft. Es ist für Fernsehen, Kino, Streaming gleichermaßen ein Thema und doch jeweils unterschiedlich vom Anspruch und Machart. Entscheidet ihr von Projekt zu Projekt, das ihr erarbeitet, für wen das etwas wäre oder kommen Impulse von außen?
Es gibt Briefings, denen wir zu folgen versuchen. Wir saßen eben mit Amazon zusammen. Da ist die Vorstellung von einem Stoff etwa, dass man sich vorstellt, durch eine Shopping Mall zu streifen. Und dann ist da ein Kino - bei welchem Film geht man hinein? Was muss da vorne dran stehen, um den Schritt ins Kino zu tun und nicht weiter einkaufen zu gehen? „Schweinsteiger“ war so ein Beispiel. Dann gibt es Geschichten, die auf uns treffen und solche, die uns angeboten werden, aber im UFA-Kosmos entstehen. Da gehen wir dann raus und bieten das auf dem Markt an nach dem Prinzip First come, first serve. Das ist heute ja völlig anders geworden und durchaus üblich, Projekte mehrfach anzubieten.
Im fiktionalen Bereich gibt es einen regelrechten Produktionshype, ausgelöst durch die Streaming-Portale. Viel investiert wird in Exklusivität bei Kreativen. Ist es bei Dokumentation auch schon so?
Das ist im Moment ganz wild, wobei das Spektrum sehr weit ist. Es reicht von, man zahlt von Sender- oder Streaming-Seite her fast gar kein Honorar, weil man ja den Machern mit einer Produktion quasi ein Denkmal setzt, bis hin zu schon absurd hohen Summen – und du weißt nie vorher, wer dir da am Verhandlungstisch gegenübersitzt. Diese Dynamik macht es schwierig. Fakt ist, es gibt auch im Doku-Bereich ein Buhlen um die besten Namen.
Es gibt bei Serien auch eine gewisse Annäherung von Streamern und lineare Sendern.
Das ist eine wirklich spannende Entwicklung derzeit, lineare Sender wollen werden wie die Streamer und andersrum. Lineare Sender wollen auch dieses große visuelle Erzählen, was früher aufgrund der Budgets nicht möglich war. Jetzt aber gibt es das für ausgesuchte Produktionen. Die Streamer wiederum schärfen ihr Angebot auf die jeweiligen Zielgruppen hin und das auch regional bzw. können regionale Produktionen durchaus global erfolgreich sein. Das ging bis vor relativ kurzer Zeit noch nicht, da wurde ausschließlich global gedacht.
Spiegelt sich das auch im Doku-Bereich?
Absolut. Wen zum Beispiel alle versuchen zu erreichen, ist die sogenannte verlorene Zielgruppe, also die 30- bis 40-Jährigen. Das sind jene, die nur noch wenig linear schauen, viel streamen und einen sehr hohen Anspruch haben, was die Produktionsqualität betrifft. Sie sind mit Themen zu erreichen, die sie betreffen, weil die zum Beispiel damals aktuell waren, als sie jung waren. Sehr stark im Trend liegt derzeit deshalb, 20 oder 30 Jahre zurückzuschauen. Wir scannen gerade diese Zeit nach dem Mauerfall, um das auf Deutschland umzulegen, sowie die Nuller-Jahre nach Themen.
Das eine sind die Inhalte das andere ist, wen man als Partner in der Produktion bzw. als Käufer anstrebt. Streamer, lineare Sender? Gibt es da Vorgaben von Bertelsmann, mit wem Partnerschaften bei Produktionen eingegangen werden?
Es gibt keine Konstellation, die es nicht gibt. Da springt jeder mit jedem in die Kiste. Die UFA hat sogar Inhalte sowohl an Netflix als auch Amazon gleichzeitig lizensiert. Mit Freemantle Media gibt es jedenfalls auch bei uns unter dem Dach der RTL Group einen starken internationalen Partner im Bereich Lizenz- und Formathandel. Aber am Ende ist es eine Frage der Verträge. Was sich abzeichnet ist, dass öffentlich-rechtliche Sender verstärkt dazu übergehen, Inhalte länger in ihren Mediatheken zur Verfügung zu stellen. Das schränkt wiederum die Weiterverwertung ein – aber das ist auch nur eine Frage des Preises. Für Produzenten bringt die aktuelle Nachfrage-Situation mit sich, dass Budgets steigen, weil es mehr Möglichkeiten, bei Co-Produktionen anzudocken, gibt. Gewinner sind in jeden Fall auch die Anwälte, die sehr viel mehr Verträge verhandeln (lacht).
Gibt es für Sie so etwas wie Lieblingsproduktionen?
The first cut is the deepest, sagt man … das war zwar keine Film-Produktion, aber eine irre Stimmung bei Hannes Jagerhofer und den Beach-Volley-Ball-Events. Das waren meine Anfänge und das prägt, wenn man in so einem Stadion steht und man hat seinen Teil dazu beigetragen. Bei DoRo haben wir Herbert Grönemeyer in der Olympiahalle in München aufgezeichnet und ich bin mit Hannes Rossacher dorthin gefahren. Als wir in die noch leere Halle gekommen sind, hat Herbert gerade ganz alleine auf der Bühne „Halt mich“ gesungen, beim Soundcheck. Das war für mich zutiefst beeindruckend. Und dergleichen gibt es noch viele Projekte, ob nun als Angestellte oder später als selbständige Produzentin, in denen ich mit Herzblut drin gehangen bin. Das ist heute nicht anders.
Wann war Ihr Schritt in die Selbständigkeit?
Mit 30 habe ich den Schritt in die Selbständigkeit als Produzentin gewagt, lustigerweise damals mit der UFA im Rücken. Nico Hofmann, nunmehr mein Chef, hat mich damals unterstützt. Ich war dann zwölf Jahre selbständig – um nun wieder bei der UFA zu landen. Irgendwie denken Film-Leute in Familien-Strukturen (lacht). Da denk ich auch an die Zeit bei DoRo in Wien zurück.
In Ihrem Lebenlauf steht, dass sie sieben Jahre lang für den ZDF-Theaterkanal in Berlin gearbeitet haben?
Ich kannte Wolfgang Bergmann, den damaligen Leiter des Theaterkanals, schon aus DoRo-Zeiten. Es gab da das Magazin „Foyer“, das die Berliner Produktionsfirma Kobalt produziert hat. Ich war damals schon in Berlin und auf Jobsuche und er hat mich vermittelt. Das war eine großartige, spannende Zeit. Wir haben über die aktuellsten Theater-Inszenierungen in Deutschland und Österreich berichtet. So viel Hochkultur so geballt zu erleben, das war echt beeindruckend. Es war auch immer wieder lustig, als Fernsehteam ins Theater zu kommen. Die Herangehensweise an einander damals, das war von beiden Seiten fast Klischee, also nicht unbedingt vorurteilsfrei (lacht).
Selbst hat sie die Schauspielerei nie gereizt? Durch ihre Schwestern Aglaia und früher auch Roswitha wäre es ja naheliegend.
Nein. Ich wollte allerdings Model werden, weil ich mit 13 Claudia Schiffer beim Kastner&Öhler in Graz auf der Rolltreppe gesehen habe. In meiner Erinnerung hat dann aber mein Vater gemeint, dass es bei diesem Beruf vornehmlich um Äußerlichkeiten, und somit um Vergängliches geht. Dann hab ich mich das doch nicht getraut, so wie ich auch nicht mutig genug für das Schauspielen war, wie meine Schwestern. Hinter der Kamera fühle ich mich deutlich wohler.
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