Höhlendrama als TV-Event: Ein Riesending fürs Fernsehen

Eine Gruppe von Höhlenforschern watet durch das Wasser in einer dunklen Höhle.
Vier Wochen drehte ein Team rund um Verena Altenberger in echten Höhlen, um die Verfilmung der Rettungsmission in der Riesendinghöhle am Untersberg so realitätsnah wie möglich zu gestalten.

Bergsteiger klettern nach oben, Höhlenkletterer nach unten. Vom Berg aus sieht man die Welt. Im Berg wirft man einen Blick in die Unterwelt. – So formulieren Höhlengeher im neuen TV-Zweiteiler "Riesending – Jede Stunde zählt" die Faszination ihrer Erkundungen. Gang für Gang, Schacht für Schacht entsteht eine Kartografie des scheinbar Sinnlosen.

Im Juni 2014, als der deutsche Höhlenforscher Johann Westhauser durch einen Steinschlag schwer verletzt in 1.000 Meter Tiefe und 6,5 Kilometer vom Tageslicht entfernt in der größten Höhle Deutschlands lag, stellten manche auch die Sinnfrage. Was treibt Menschen in diese Kälte, Enge und Finsternis? Warum soll "der Steuerzahler" für so eine Rettung aufkommen?

Der Film des Regisseurs Jochen Alexander Freydank (Mittwoch, 28. Dezember, ServusTV/ARD/SRF, 20.15 Uhr) findet dafür zutiefst humanistische Antworten – und sorgt trotz des bekannten Ausgangs drei Stunden lang für spannende Fernsehunterhaltung.

Freydank wollte weg von "so Eventmovies aus den 90er Jahren, wo man im Vordergrund eine Liebesgeschichte hat, und im Hintergrund stürzen Bergwerke ein. Diese Art des cheesigen Erzählens finde ich nicht mehr zeitgemäß. Wir wollten Realismus plus große Bilder und Emotionen." 

Echte Höhlen

Unabdingbar war für Freydank – Regisseur des oscarprämierten Kurzfilms "Spielzeugland", dem Kinofilm "Kafkas Der Bau" und zahlreichen Fernsehkrimis – das Drehen in echten Höhlen. Beim Riesending selbst (benannt nach dem Ruf "Das ist ja ein Riesending!" bei der Entdeckung im Jahr 1996) war das praktisch unmöglich. "Der Originaleingang ist für ein Filmteam nur schwer zu erreichen", sagt der Regisseur. "Da ist auch ein Gitter davor, nur noch Spezialisten dürfen reingehen. Wir hatten daher auch über eine Studiokonstruktion nachgedacht, finanziell war das aber nicht möglich und hätte auch nicht den Look gebracht, den wir wollten: Realismus plus große Bilder und Emotionen."

Ein Mann mit Glatze und verschränkten Armen steht vor einer Felswand.

Intensive Höhlendrehs: Regisseur Freydank

Letztlich sei man aufs Naheliegende gekommen und suchte nach geeigneten Höhlen. Fündig wurde man in Kroatien und Slowenien und kombinierte gut begehbare Höhlen mit solchen, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind. "Das ist grenzwertig", sagt Freydank, "aber es ist am Ende wirklich auch zu sehen. Weil man den Atem sieht bei permanent acht Grad. Und wenn die wo entlang kriechen, dann müssen sie nicht so tun, als ob sie angestrengt sind, sondern dann ist das wirklich anstrengend."

Zwei Personen mit Helmen und Stirnlampen in einer dunklen Höhle.

Sabine Timoteo spielt eine im Höhlenklettern erfahrene Ärztin und Verena Altenberger eine gute Freundin des Verunglückten

Teamgeist

Vier Wochen am Stück verbrachte das Filmteam mit Höhlendrehs. "Ich hatte am Anfang riesengroße Befürchtungen, dass das für den Teamgeist schwierig wird, dass die Leute nach ein paar Tagen in Kälte und Dunkelheit unruhig werden. Aber es haben alle, die da unten waren, das wirklich mit durchgezogen. Die Darsteller haben sich selbst abgeseilt, die konnten klettern, haben ihre Hausaufgaben gemacht. Das war schon sehr sportlich."

Extreme Umstände

Ein Profi auf dem Gebiet ist Kameramann Thomas Dirnhofer, der Bergfilme wie "Cero Torre" in Szene gesetzt hatte. Aber die Schauspieler mussten noch Kletterkurse absolvieren. Verena Altenberger, die eine österreichische Höhlenkletterin spielt, spricht von "extremen Umständen, die auch körperlich wahnsinnig viel abverlangen.“ Aber das zahle sich auch aus. "Für mich hat Filmschauspiel immer damit zu tun, einen hohen Konzentrationszustand herzustellen", sagt Altenberger. "Vor der Kamera muss man ja wirklich denken und fühlen, was man gerade sagt. Weil die Kamera sieht, was ich denke. Und die Höhle zwingt einen auf eine ganz neue Art, da muss ich bei jedem Schritt aufpassen."

Drei Personen der Bergwacht Bayern sitzen an einem Tisch vor einem Feuerwehrfahrzeug.

Während sich im Berg Spezialisten zum Schwerverletzten vorarbeiten, gibt die Einsatzleitung (Maximilian Brückner, Mitte.) Pressekonferenzen. Das Innenministerium hat einen Aufpasser geschickt (rechts).

Das Team verbrachte auch die Mittagspausen oft mehrere hundert Meter in Höhlen. Da ist bei der Regie Fingerspitzengefühl angesagt. Freydank: "Wir haben jeden Tag pünktlich auf die Sekunde den Dreh beendet. So konnte man sich darauf verlassen, dass man draußen noch den Sonnuntergang sehen konnte. So etwas ist psychologisch wichtig." Laut Freydank gab es keinerlei Panikattacken am Set.

Dennoch herrschten schwer planbare Bedingungen. "Zwei Tage vor Drehbeginn fing es zu regnen an", sagt der Berliner. "Für die Ästhetik war das zwar gut, aber das ist dann der Moment, wo einem einfällt: Höhlen entstehen ja durch Wasser. Und dieses Wasser lief überall aus den Wänden. Wenn du einmal Wasser im Stiefel hast, dann kommt auch relativ schnell die Kälte. Aber die Schauspieler hatten echt gute Kondition, das war eine eingeschworene Truppe."

Eine Gruppe von Rettungskräften transportiert eine verletzte Person in den Bergen.

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