Kein Wunder also, dass Moderator Thomas Gottschalk – auch ein Produkt dieses Jahrzehnts – vieles von dem, was damals in den deutschen und österreichischen Hitparaden auf und ab gespielt wurde, um sich versammelt. Die Musik von damals, sagt er im Promo-Vorfeld zur Show, „funktioniert ja heute immer noch.“ Wie wahr.
Dermaßen bewegt, sitzt Gottschalk aber im nächsten Atemzug der Mutter aller Kulturirrtümer auf: „Ich bin überzeugt“, sagt er, „dass man 2050 keine solche Sendung über die Nullerjahre machen wird oder über das, was 2019 musikalisch unterwegs war. Ich glaube auch nicht, dass Ariana Grande dann noch in irgendeiner Show auftritt.“
Ein wunderbarer Sager, um einzuhaken. Denn Musikverklärung, egal welches Jahrzehnt sie betrifft, ist in der Hauptsache ein statistisches Problem, dem man leicht aufsitzt, dem man aber auch leicht abhelfen kann.
Im Rückblick kollabiert nämlich die Liebe zur Musik eines Jahrzehnts schnell unter dem Druck des Chartsalltags. Ein paar Handvoll erinnerungswürdiger Songs stehen vielen, vielen, vielen anderen gegenüber.
Das Verhältnis von Herausragendem zu Meterware war einst wie heute das selbe. Nur hört man die Meterware von heute andauernd, deren Vorgänger schon gnädig der Vergessenheit übergeben wurden.
Zur Erinnerung: 1988 war der erfolgreichste Song von Milli Vanilli, die sich dann als Fake-Band herausstellten, 1989 von, nun ja, David Hasselhoff. Platz 9 im Jahr 1987: „Guten Morgen, liebe Sorgen“.
Dass die Nuancen der Nullerjahre an jenen vorbeigegangen sind, die sich schon früher aus dem aktuellen Popgeschehen ausgeklinkt haben, ist nicht verwunderlich. Dabei war das Jahrzehnt überaus ergiebig: „Kid A“ von Radiohead, „Back To Black“ von Amy Winhouse, das schwarze Album oder auch „Blueprint“ von Jay Z , die White Stripes und vieles von Kanye West stehen künstlerisch ordentlich gut da.
Für die spätere Nostalgie eignen sich auch die Nullerjahrewerke von U2, Coldplay, Justin Timberlake, Norah Jones, Alicia Keys, James Blunt.
Und so weiter.
Popmusik funktioniert über die emotionale Aufladung, die man ihr mitgibt – und genau so, wie die nunmehrigen Samstagabendfernschauer lädt die nächste, die übernächste Generation ihre Musik mit diesem Leben auf.
Und wird dereinst genauso gerührt auf selbiges und selbige zurückblicken (wohl aber, dem Medienwandel ist’s verdankt, nicht bei einer Samstagabendshow im öffentlich-rechtlichen TV).
Eins noch: Wer damals dabei war, weiß: Nun hervorgeholte Acts wie Thomas Anders (Modern Talking!) oder auch Kim Wilde wären in den 1980ern froh gewesen, wenn sie jemand so ernst genommen hätte, wie heute Ariana Grande ernst genommen wird.
Kommentare