Gerti Drassl als schwangere Patin: "Du wirst in die Mafia hineingeboren"

Gerti Drassl als schwangere Patin: "Du wirst in die Mafia hineingeboren"
Gerti Drassl beeindruckt "Im Netz der Camorra - Der Gejagte" als eiskalte, schwangere Clan-Führerin.

Die Schauspielerin Gerti Drassl ist von den Bühnen („Heldenplätze“ fürs Volkstheater) und aus dem TV bekannt („Vorstadtweiber“). Nun spielt die in Wien lebende Südtirolerin im dritten Teil von "Im Netz der Camorra" (8 Dezember, 20.15 Uhr, ServusTV) eine schwangere Patin.

 

KURIER: Ihre Rolle bringt eine spezielle Note in "Im Netz der Camorra - der Gejagte" hinein. Würden Sie selbst sagen, das ist die heftigste Rolle, die Sie bisher gespielt haben?

Gerti Drassl: Das weiß ich nicht. Aber als ich sie gelesen hab, dachte ich: Ja Wahnsinn …! Aber ich war total froh, dass man mir das angeboten hat. Rick Ostermann und ich sagten: Wow, was ist das für ein Mensch? Er hat mich dann ziemlich bald auf Mathilde Schwabeneder gebracht, die sehr viele Frauengeschichten aus der Mafia recherchiert hat. Ihr Buch "Die Stunde der Patinnen" habe ich dann wirklich verschlungen. Am Anfang war das für mich etwas total Fremdes, ich hab mich wirklich den ganzen Sommer auf diese Rolle vorbereitet.

Haben Sie die Rolle als große Herausforderung gesehen?
Eher schon, ich hab richtig gezittert. Beim Dreh konnte ich viel Verständnis dafür entwickeln, weil diese Prozesse innerhalb der Mafia, so brutal sie sind, alle ein System haben. Wenn man da hineingeboren wird, ist es auch unglaublich schwierig, sich dem zu entziehen. Das musste ich erst einmal verstehen, weil man sich natürlich fragt: Warum klinkt sie sich nicht einfach aus und kriegt ihr Kind und es ist gut? Das war eigentlich der wichtigste Punkt für mich. Sie hat sich dafür entschieden, ihre Familie zu verteidigen. Und dann? Dann ist man da drin und kann auch nicht mehr loslassen. Das fand ich halt Wahnsinn, da hinzugehen..

Warum, glauben Sie, nimmt sie die Aufgabe, Matteo zu finden, gerade in dieser Phase an?Es ist wie ein Schwur, aber den kannst du eigentlich gar nicht leisten,  du bist reingeboren. Und die Leute, die das verlassen haben, sind in den Kronzeugenstatus gegangen. Oder sie haben mit ihrem Leben bezahlt. Wirklich heftig, was ich da auch teilweise gelesen habe an diesen Geschichten. Und selbst die Frauen, die eingeheiratet haben in die Mafia, ja dann ist man eh so drin und kann aus diesem Zug nicht mehr aussteigen. Da musst du dir eine neue Identität suchen. Ich glaube, dass Antonia Romano ideologisch dahinter steht, bis eben zu dem Punkt, wo sich die beiden dann gegenüberstehen, und als sie ihr Kind so spürt. Dann kommt sie in die Bredouille. Egal wie viele Gesetze da in ihr schon geschrieben sind -  trotzdem schreibt sich das Leben noch einmal neu.

Das Böse, das sie doch verkörpert, bröckelt also?
Das Kind, das sie erwartet, steht dann doch an erster Stelle. Ich glaube, sie dachte vorher, dieses Kind nicht gebären zu können, bevor sie diese Aufgabe erledigt und die Rache vollzogen zu hat. Sie muss quasi erst nachvollziehen, was das System von ihr abverlangt. Ein System, an das sie auch glaubt. In dem Moment, wo sie und Antonio sich gegenüberstehen, sieht sie ihr Kind gefährdet und alles bricht zusammen. Eine Mutter würde das Leben ihres Kindes nicht riskieren.

Macht es auch Spaß, so eine böse Rolle zu spielen?
I
ch finde, dass Spaß und Freude immer dazugehören. Das ist für mich immer ein Wesenszug des Spielens. Man geht natürlich auch in den Schmerz hinein, muss sich total öffnen. Ich vergleiche es immer mit dem Kinderspiel. Die sind da ganz drin und wenn man zum Beispiel ruft "Essen fertig", ist alles wieder vergessen. (lacht).

Gerti Drassl als schwangere Patin: "Du wirst in die Mafia hineingeboren"

Drassl mit Antonia Moretti

Was haben im Buch sie über die Frauen in der Mafia gelernt, was sie antreibt?
Es gibt zum einen Frauen, die in diese Familie geboren werden und dann die Frauen, die hinein geheiratet haben. In den Gegenden, in denen diese Frauen groß werden, ist die Mafia so verbreitet ist, dass sie ein Teil des Lebens ist. Ich fand es total spannend zu sehen, dass die Frauen ab einem bestimmten Punkt eine Machtposition innerhalb der Mafia eingenommen haben. Meistens an dem Punkt, an dem entweder die Brüder oder die Väter schon im Gefängnis waren und sie quasi die Positionen übernehmen mussten. Diese Frauen sind Macherinnen, richtige Geschäftsfrauen. Es ist einfach deren Geschäftsmodell, das sie leben. Sie sind ziemlich intelligent, sprechen auch mehrere Sprachen, haben teilweise auch sehr gute Ausbildung. Als ich jung war, hab ich natürlich alle drei Teile von "Der Pate" gesehen, wusste auch darüber Bescheid, was mit Richter Falcone passiert ist, aber ich hatte mich ehrlich gestanden nie damit auseinandergesetzt, wie die Position der Frau innerhalb der Mafia aussieht. Und da hat mir dieses Buch schon sehr geholfen, das besser zu verstehen.

Bereiten Sie sich immer auf Rollen vor, dass zu den Rollen intensiv recherchieren?
Das ist sehr unterschiedlich. Es kommt auf die Figuren und auf die Geschichten an. In diesem Fall war es mir sehr wichtig, um nicht irgendwas Plakatives zu zeigen, sondern wirklich zu verstehen, aus welchen Beweggründen sie handelt.

Wie war es bei "Euer Ehren"? Da haben Sie eine Mutter gespielt, die sich um ihre verwahrloste Familie kümmert.
Da habe ich mich eher dafür interessiert, wie es ist, wenn man am Ende eines Tals lebt. Und wenn man sich selber nicht mehr als Teil einer Gesellschaft sieht und sich ein eigenes System kreiert. Sie schützt ihre eigene Familie auch total. Es hat sogar Ähnlichkeiten zu einem Mafiasystem. Und da habe ich schon auch versucht, zu recherchieren und Geschichten zu finden, wo Leute den Staat nicht mehr als Institution ernst nehmen.

Haben Sie für den Film "Persona non grata", den Sie gerade drehen, viel mit der früheren Skifahrerin Nicola Werdenigg gesprochen?
Ich spiele eine Andrea Weingartner, die Geschichte ist aber an Nicola Werdenigg angelehnt. ich habe sie kennengelernt und ganz tolle und sehr intensive Gespräche mit ihr geführt.

War für Sie von vornherein klar, dass das eine spannende Geschichte wird?
Es war mir sofort klar, dass es wichtig ist, diese Geschichte zu erzählen. Für das Stück "Heldenplätze" im Volkstheater habe ich mich schon intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt: Wie geht man mit der eigenen Erinnerung um? Und dann hat mich diese Anfrage von Antonin Svoboda genau an diesem Punkt erreicht.

Glauben Sie, dass der Film vielleicht erreichen kann, dass sich in der Zukunft was ändert?
Ich hoffe sehr, dass wir darüber nachdenken, wie Systeme funktionieren und warum sie so funktionieren. Die Nicola ist wirklich eine unglaublich tolle, kluge Frau. Ich finde, dass es auch immer ihr Ansatz ist: Wie können wir es besser machen? Damit Menschen nicht verletzt werden. Und ich hoffe natürlich sehr, dass wir es mit diesem Film schaffen, dass man sich darüber Gedanken macht.

KURIER: „Im Netz der Camorra - der Gejagte“ wurde von Anfang September bis 6. Oktober gedreht und kommt jetzt schon ins Fernsehen. Das ist relativ schnell gegangen.
a, ich war erstaunt, wie schnell das geht, weil normalerweise im Minimum ein halbes Jahr liegt zwischen den Dreharbeiten und der Ausstrahlung, aber diesmal ist es wahnsinnig schnell gegangen.

Sie haben jetzt zwei Mal in Südtirol gedreht und z.B. in Bozen eine Lesung zum Jubiläum des Theaters. Wie wichtig ist es Ihnen, immer wieder dort zu sein?Mit den VBB versuche immer, die Beziehung aufrechtzuerhalten. Ich werde auch im Winter hier spielen, im Jänner oder Februar. Mir ist es schon sehr wichtig, hier zu sein. Ich bin einfach hier großgeworden. Theater und Kultur war immer schon ein großer Teil meines Lebens und ist auch hier wichtig.

Wie sieht es bei Ihnen mit dem Theater aus, von der Gewichtung her?
Im nächsten halben Jahr werde ich sehr viel Theater machen, in Bozen und fürs Volkstheater in den Außenbezirken. In Kooperation mit "Dossier" das Stück "Die Redaktion", ab April. Und dann werde ich auch in Telfs spielen, bei den Volksschauspielen. Das nächste Jahr wird sehr theaterintensv. Ich freue mich sehr darauf, dass ich das machen kann.

Wie war das für "Wald" längere Zeit im Wald bzw. im Waldviertel zu drehen?
Ich hatte das Waldviertel noch nicht so gut gekannt, Ich kannte Litschau, weil ich da eben auch "Heldenplätze" gespielt habe. Also ich fands total schön und mystisch. Es war letztes Jahr auch noch in der Coronazeit, als wir gedreht haben. Es war alles sehr ruhig, eine ganz stille, sehr eindringliche Atmosphäre. Ich kann mich noch erinnern, ich bin immer zwischen Wien und dem Waldviertel hin und her gefahren und irgendwie hat man dann gespürt Also jetzt bin ich im Waldviertel. (lacht)

 

Welche Rückmeldungen haben Sie zu "Heldenplätze" bekommen? Es geht ja doch um ein Idol Österreichs. Gab es da auch wütende Stimmen?
Es sind schon hin und wieder Leute während des Stücks gegangen, aber nur vereinzelt. Es geht eigentlich nicht um eine Anprangerung von Toni Sailer. Er ist der Held meiner Figur. Diese Figur lebt davon, sich ihre Erinnerungen anhand von Toni Sailer aufrechtzuerhalten. Und für sie ist es schrecklich, dass das an die Oberfläche kommt. Man identifiziert sich eher mit der Figur und denkt sich: Was ist überhaupt ein Held? Wozu braucht man Helden im Alltag? Und was ist, wenn dieser Held etwas getan hat, was absolut falsch ist. Es geht nicht darum zu sagen: Wer hat das und das gemacht, und das zu verurteilen. Laut der Recherchen, die ich gelesen habe, weiß man, dass es einfach falsch war, dass es nie eine Gerichtsverhandlung gegeben hat. Es geht für die Figur darum: Warum habe ich mir diesen Helden so lange aufrechterhalten? Und was ist, wenn das Bild von diesem Helden anfängt zu bröckeln, was macht das dann mit mir? Es ist nicht diese harte Form von Diskussion entstanden. Und das fand ich von Anfang an gut an diesem Stück, dass es nicht um Polemisieren geht, sondern darum, Verständnis zu entwickeln, wie wir funktionieren.

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