Gerhard Zeiler: An ORF-Haushaltsabgabe "führt kein Weg vorbei"
Mit einer optimistischen Grundstimmung wurden die 29. Österreichischen Medientage des Manstein Verlages heute in Wien eröffnet.
Wenngleich Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ausgerechnet in ihrer einleitenden Keynote von „Sand im Getriebe unserer Republik“ sprach und einen Vertrauensverlust in Politik und Medien ortete - mit ausgelöst durch aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Chat-Veröffentlichungen. Journalisten würden ihre wichtige Kontrollfunktion zum Teil mit einer Funktion als Richterinnen und Richter verwechseln, die einer anderen Gewalt im Staate, der Judikative, zustehe, mahnte Edtstadler.
Keine Regierungsinserate, dafür mehr Medienförderung
Im nachfolgenden ersten Podiumsgespräch zeichneten Medienmanager Gerhard Zeiler (President International Warner Bros. Discovery) und Staatsoperndirektor Bogdan Roščić hingegen ein positives Bild der heimischen Medienlandschaft. In Relation zu der Kleinheit des Landes habe man ausreichend Qualitätszeitungen, sagten beide übereinstimmend. Hier zog man auch einen Vergleich zu den USA und Deutschland.
Zeiler plädierte im Sinne der Beibehaltung der Medienvielfalt dafür, Inseratengelder der Politik in eine geregelte Medienförderung zu stecken. Dabei den Boulevard möglicherweise geringer zu berücksichtigen, verlange Mut. Roščić fügte hinzu, dass es auch den politischen Willen dafür brauche. Zeiler attestierte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) zwar, medienpolitische Schritte setzen zu wollen. Doch traue sie sich offenbar angesichts unterschiedlicher Marktinteressen, keine Entscheidung zu treffen.
In Hinblick auf den ORF, den Zeiler als "Riesen" bezeichnete, stehen mehrere politische Entscheidungen an. Einerseits ist nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Streaminglücke bei den GIS-Gebühren zu schließen. An einer Haushaltsabgabe wie es sie bereits in Deutschland oder der Schweiz gibt, führe "kein Weg vorbei", so Zeiler. Vielleicht werde man sie aber anders nennen.
Blaue Seite und Wrabetz
Auch pocht das öffentliche-rechtliche Medienhaus auf mehr digitale Möglichkeiten. Verleger fürchten angesichts der Dominanz des ORF und der "blauen Seite", dass weitere Möglichkeiten für den ORF sie hart treffen könnten. Speziell um orf.at - die "blaue Seite" - wird gerungen. "Die 'blaue Seite' aufzulassen, macht keinen Sinn", so Zeiler. Aber zu schauen, wie man Zeitungen einbinden und im Werbebereich zusammenarbeiten könnte, sei dennoch geboten, so der ehemalige ORF-Generaldirektor. Seinem Nachfolger, er meinte damit Alexander Wrabetz, habe er dies „vor fünf, sechs Jahren schon vorgeschlagen“, dieser habe dies „aber nicht für notwendig befunden, als er Generaldirektor war“. Zeiler bezog sich dabei auf aktuelle auch im KURIER geäußerte Vorschläge Wrabetz’, auch die Verleger in der ORF.at-Frage einzubinden.
Grundprinzipien für ORF
Er formulierte fünf Grundprinzipien für einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Unabhängige Berichterstattung, die er bei allen Vorwürfen „sehr gut“ mache. Österreich müsse Hauptziel der Berichterstattung sein. Drittens müsse, wenn alle mitzahlen, auch für alle etwas angeboten werden, wenngleich „nicht jeden Tag“ - im Sinne eines Geamtangebotes. Der vierte Auftrag verlangt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung voll ausnützt. Hier könne man dem ORF am ehesten etwas vorwerfen, in den vergangenen Jahren zu wenig investiert zu haben, trotz der gesetzlichen Reglementierungen. Fünftens, müsse er mit den ihm anvertrauten Geldern müsse er finanziell verantwortlich umgehen.
Zu den digitalen Möglichkeiten des ORF gefragt, meinte Zeiler: "Wenn man den ORF zerstören will, gibt man ihm keine digitale Zukunft.“ Auch Roščić trat für mehr Möglichkeiten des ORF im digitalen Raum ein. Ein ORF-Player wäre für die Kultur von "unschätzbarem Wert". Auch könne es kaum eine Zukunftsstrategie für den Medienmarkt sein, das beliebteste Onlinemedium in Form von orf.at zu verbieten, so der frühere Ö3-Chef, der sich ansonsten mit Ratschlägen allerdings zurückhielt.
Reglementierung von Sozialen Medien
In Hinblick auf die Welt der Sozialen Medien wandte sich Roščić gegen elitäres Denken, mit Anleihen am Bundespräsidenten meinte er: "So sind wir." Die Forderung des Sozialphilosophen Jürgen Habermas nach einer Bestrafung der Tech-Konzerne für die Verbreitung von Falschinformationen finde er "rührend", denn das "Wie" sein eine schwierige Frage. Auf der anderen Seite sollte man Qualitätmedien als Kulturgut betrachten und subventionieren.
Zeiler formulierte am Ende in Schlagworten noch einmal fünf Vorschläge für die mediale Zukunft: Inseratenbudgets in die Printmedienförderung; Streaming für den ORF ermöglichen; Dem ORF und den Privatsendern zu sagen: "Zusammenarbeiten, wo immer es geht"; Wirklich dafür zu sorgen, dass soziale Medien in Österreich reglementiert werden; und abschließend: "Wer immer Hassmeldungen verbreitet, soll es wirklich finanziell spüren."
VÖZ-Chef: Kooperation Im Technologiebereich
Markus Mair, CEO der Styria Media Group und Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zeigte sich offen für Zusammenarbeit im Technologie- und Strukturbereich. Dort gebe es "mannigfaltige Kooperationsmöglichkeiten", die auch noch nicht ausgeschöpft seien. Aber sollten Medienmarken und deren Journalistinnen und Journalisten den Medienmarkt weiterhin mit ihrer Unabhängigkeit und Individualität prägen, sah er keinen Raum für "journalistischen Einheitsbrei". "Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, mehrere Meinungen zu lesen", so Mair.
Generell bezeichnete er es etwa mit Blick auf die Gebührenfinanzierung des ORF und den starken internationalen Mitbewerb als "große Herausforderung" in einer Branche zu arbeiten, in der marktwirtschaftliche Mechanismen versagen. "Möchte man eine pluralistische, freie Medienlandschaft, bedarf es Handlungen", so Mair. Einzig auf Basis von Förderungen zu überleben, sei aber keine Option. "Medienhäuser sind gefordert, aktiver zu verkaufen und neue Produkte zu entwickeln", meinte Mair. Einem etwaigen Bedeutungsverlust des heimischen Markts müsse man mit hochwertigem Journalismus begegnen.
Überblick. Im Medienbereich stehen wichtige politische Entscheidungen an. Einerseits ist nach einem VfGH-Urteil die Streaminglücke bei den GIS-Gebühren zu schließen. Eine der diskutierten Möglichkeiten ist eine Haushaltsabgabe, wie es sie in Deutschland oder der Schweiz gibt. Aber auch eine Abo-Variante – gegen die sich der ORF ausspricht – und eine Budgetfinanzierung sind im Gespräch.
Der ORF selbst pocht auf mehr digitale Möglichkeiten, etwa ein Ende des 7-Tageslimits. Zeitungsverlage fürchten angesichts der Dominanz des gebührenfinanzierten Medienriesen und seiner „blauen Seite“ orf.at, dass ihre eigenen digitalen Erlösmodelle noch mehr unter Druck geraten.
Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz brachte hierzu im KURIER kürzlich Vorschläge ein. Man solle Modelle durchdenken, die eventuell sogar eine Verleger-Beteiligung an orf.at vorsehen. Es gehe darum, wieder „Bewegung in die erstarrt wirkenden Fronten zu bringen“.
Weiter als die ORF-Digitalnovelle scheinen die Verhandlungen über eine neue Medienförderung gediehen zu sein. ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger sagte im Standard, man werde diese „in den nächsten Tagen und Wochen über die Ziellinie bringen“.
Weißmann: "Man will ja nicht lebensmüde werden"
Medien als Anker und Leuchttürme in stürmischen Zeiten stehen angesichts der Polarisierung der Gesellschaft zusehends auf dem Prüfstand. Auch der ORF ist manchmal mit Vorwürfen, nicht ausgewogen zu berichten, konfrontiert. "Wir hinterfragen uns täglich", meinte ORF-Chef Roland Weißmann. Insgesamt orte er aber einen "unabhängigen, ausgewogenen" ORF, der eine Fehlerkultur pflege und hart daran arbeite, alle bestmöglich zu erreichen.
"Natürlich sind Menschen kritisch, das ist auch ihr gutes Recht. Aber ehrlicherweise merken wir Kritik oft aus einer Zuspitzung heraus, um möglicherweise Aufmerksamkeit zu erregen und zu polarisieren", so Weißmann. Aufgabe aller Qualitätsmedien sei es, auf Augenhöhe mit der Bevölkerung zu operieren. Bei den Österreicherinnen und Österreichern merke er eine "gewisse Nachrichtenmüdigkeit". Um gegenzusteuern, solle man nicht nur informieren, sondern auch unterhalten. "Man will ja nicht lebensmüde werden."
Vorwürfe rund um Filz und Freunderlwirtschaft, wie sie derzeit den deutschen Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und dessen fristlos entlassene Intendantin Patricia Schlesinger betreffen, fürchtet Weißmann nicht. Als öffentlich-rechtliches Medienhaus stehe man zu Recht auf dem Prüfstand. "Wir haben 15 Prozent weniger Gehalt als die Vorgängergeschäftsführung, fahren kleinere Dienstautos, vertrauen auf strenge Compliance-Vorschriften und gehen mit gutem Beispiel voran", so der ORF-Chef. "Im ORF ist alles in Ordnung", so sein Befund.
ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz wurde von KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon zu seiner Tätigkeit in der Ukraine und der Möglichkeit, Propaganda von Wirklichkeit zu unterscheiden, befragt. Wehrschütz meinte, es gelte zu berücksichtigen, dass beide Seiten versuchen, Journalisten zu manipulieren. Zugang zu Informationen seien zwangsläufig begrenzt und dennoch müsse man danach streben, auch "dritte Quellen" zu haben. Keineswegs dürfe man sich zum Anwalt einer Sache machen. Russland sei zwar ganz klar der Aggressor, dennoch müsse man Dinge kritisch prüfen.
Nur Zerstörung zu zeigen, erachtet er nicht als sinnvoll. "Wir versuchen auch zu zeigen, welche Überlebensstrategien es gibt und welche Selbstlosigkeit etwa von Ärzten oder dem Pflegepersonal ausgeht", so Wehrschütz. Die jüngst von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung in Russland bezeichnete er als "gefährlichste Eskalationsstufe seit der Kuba-Krise". "Die Situation ist brandgefährlich", so der ORF-Korrespondent.
Kralinger: "Kein Panikjournalismus"
Schon Ministerin Edtstadler hatte sich am Morgen dem Thema Ukraine-Krise gewidmet. Die Sanktionen gegen Russland bezeichnete sie als "alternativlos" und "scharfe, aber auch gelindeste Reaktion" auf den Völkerrechtsbruch Russlands. Die Treffsicherheit der Maßnahmen müsse man aber evaluieren. "Wir müssen durchhalten", so Edtstadler. Denn es stünden nicht weniger als die "Grundprinzipien der zukünftigen Sicherheitsordnung" am Spiel. Wichtig sei es, in diesen Zeiten vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Ein starker und pluralistischer Medienstandort sei von "unfassbarem Wert" für das Zusammenleben in Österreich.
Um Kommunikation in diesen Krisenzeiten ging es am Nachmittag. KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger sagte, Medien hätten die Aufgabe, einen „Weg nach vorne“ anzubieten. Man müsse dabei „die Wahrheit sagen, aber so, dass die Menschen nicht gelähmt sind, dass niemand verunsichert ist. Panikjournalismus wäre das Falsche.“
Konkurrenz im Streamingmarkt
Neal O'Rourke, Geschäftsführer von Sky Österreich, betonte bei einem "Opening Breakfast", die große Konkurrenz im Streamingmarkt. Der Pay-TV-Sektor sei viel Risiko und Unsicherheit ausgesetzt, was ihn ein schwieriges kommendes Jahr erwarten lässt. Trotz des weitverbreiteten öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich sieht er ausreichend Raum für Sky gegeben. "Österreich ist ein interessanter Markt", so O'Rourke. Überzeugen wolle man nicht nur mit Inhalten wie "House of the Dragon", "Der Pass" oder "Babylon Berlin", sondern auch mit dem Sportangebot und neuesten technologischen Entwicklungen. Positiv erachtet er die jüngst von der Regierung gesetzten Schritte, um Produktionen in Österreich attraktiver zu gestalten.
Kommentare