Verlegerin Becker: "'Treibstoff der Demokratie' geringer besteuern"
Die Funke-Aufsichtsratsvorsitzende Julia Becker fordert vom Staat einen Verzicht auf die Mehrwertsteuer bei journalistischen Produkten. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen Verlage stehen, wäre ein derartiger Schritt eine wirkungsvolle Investition in die Demokratie, meinte sie am Montag in ihrer Eröffnungsrede am European Publishing Congress in Wien.
"Wer es schafft, innerhalb weniger Wochen Steuern auf klimaschädliche Treibstoffe zu reduzieren und tatenlos dabei zuschaut, wie Ölkonzerne Teile der Steuerreduzierung als Gewinn abschöpfen, wird es wohl auch hinbekommen, journalistische Produkte als 'Treibstoff der Demokratie' geringer zu besteuern“, sagte Becker.
VÖZ zieht mit
Auch in Österreich sind Medienunternehmen mit stark steigenden Preisen konfrontiert. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) unterstützt dementsprechend den Vorschlag Beckers "ausdrücklich“, wie VÖZ-Präsident Markus Mair in einer Aussendung betonte.
"Bereits im zweiten Halbjahr 2020 wurde in Österreich die Mehrwertsteuer auf Zeitungen und Magazine im Zuge der Corona-Entlastungsmaßnahmen auf fünf Prozent gesenkt“, erinnert Mair. "Das war ein wesentlicher Konjunkturimpuls und ein richtiger Schritt zur Stärkung redaktioneller Medien. Bedauerlicherweise war diese Maßnahme lediglich zeitlich befristet.“
Insbesondere vor dem Hintergrund der digitalen Transformation könne eine dauerhafte Mehrwertsteuer-Senkung ein probates Mittel zur Medienförderung sein, so der Mair. „Vonseiten des VÖZ werden wir uns auch in Hinblick auf die aktuell in der Bundesregierung verhandelte Neuausrichtung der Presseförderung für diese wirksame Maßnahme einsetzen.“
Selbstkritik
Hier lohnt auch ein Blick über den österreichischen Tellerrand. Denn in vielen europäischen Ländern liegt der Mehrwertsteuersatz für Printprodukte bereits deutlich unter zehn Prozent. In Ländern wie Großbritannien oder in Skandinavien entfällt die Mehrwertsteuer für Zeitungen als indirekte Presseförderung sogar ganz.
Verlegerin Becker stellte beim European Publishing Congress nicht nur Forderung auf, sondern übte auch Selbstkritik: "Die Sparrunden der Verlage in der Vergangenheit haben unverhältnismäßig stark die Redaktionen getroffen und dazu geführt, dass zum Beispiel das Netz der Lokalredaktionen immer mehr ausgedünnt wurde. Das war ein Fehler.“
Mit der Zusammenstellung vieler Redaktionen ist Becker ebenfalls unzufrieden. "Wir haben allzu häufig versäumt, uns in den Redaktionen so bunt aufzustellen, wie unsere Gesellschaft heute ist“, so Becker mit Verweis auf zu wenige Frauen in Führungspositionen oder auch zu wenige Menschen mit Migrationshintergrund in den Medienhäusern. "Wir müssen diverser im umfassenden Sinne werden, um nahe bei den unterschiedlichen Zielgruppen zu sein - und, ganz wichtig, um junge Menschen als Leserinnen und Leser zu gewinnen.“
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