Epo-Film-Chef Jakob Pochlatko hofft auf Kontinuität in der Filmförderung. Der aktuelle Antragsstopp bei FISA+ und ÖFI+ sorge bei internationalen Partnern schon für "gewisse Nervosität".
Viele Jahre lang haben halb Europa und die USA aufgrund großzügiger finanzieller Bedingungen in Prag (bzw. Budapest) gedreht. Jetzt wird aber plötzlich ein Film, der in Prag spielt, in Wien in Szene gesetzt. Die Kohout-Verfilmung "Sternstunde der Mörder". Man habe „den Spieß einmal umdrehen“ wollen, sagt Produzent Jakob Pochlatko. „Es kann ja nicht sein, dass alle in Prag drehen. Dieses Projekt bringt ja auch aufgrund der Ansässigkeit des Autors der Romanvorlage einen starken Wien-Bezug mit.“ Der Großteil der 50 Drehtage fand in Wien statt, an Locations wie Mölker Bastei, Alte Post, Piaristenkirche, Funkhaus oder Palais Auersperg, der Rest in Krems und Traismauer.
Eine große Rolle hätten die nun „sehr guten Fördermöglichkeiten in Österreich“ gespielt. Die Produktion der deutschen Zeitgeist in Koproduktion mit Pochlatkos Epo-Film, ARD Degeto, NDR, ServusTV und HR (in Zusammenarbeit mit Bravado Equity und Česká Televize)wird von FISAplus und Fernsehfonds Austria gefördert.
KURIER: In den letzten Jahren haben halb Europa und die USA in Prag gedreht - oder in Budapest - und jetzt wird plötzlich ein Film, der sogar in Prag spielt, in Wien gedreht. Wie kam es dazu?
Jakob Pochlatko: Wir haben gesagt: Jetzt drehen wir den Spieß einmal um, es kann ja nicht sein, dass alle in Prag drehen, auch das historische Wien wurde oft in Prag gedreht. Dieses Projekt, bringt ja nicht zuletzt aufgrund der Ansässigkeit des Autors der Romanvorlage in Wien einen starken Österreich-Bezug mit. Daher haben wir gesagt: Es wäre doch gelacht, wenn wir das nicht auch in Wien zusammenbringen. Es sind ja beide Städte einander architektonisch nicht unähnlich und warum soll man bei einer hauptsächlich deutsch-österreichischen Koproduktion dann überhaupt in Tschechien drehen? Ursprünglich wurde überlegt, die Produktion in drei Ländern aufzusetzen, in Deutschland, Österreich und Tschechien. Aufgrund der sehr guten Fördermöglichkeiten in Österreich fanden wir es effizienter und von der Qualität her zumindest ebenbürtig, wenn man Wien als Hauptdrehort nimmt.
Hat die Förderschiene FISAplus eine große Rolle gespielt? Absolut, das ist ein Projekt, wo wir bewusst quasi die gesamte Wertschöpfung in Österreich angesiedelt haben. Ich sehe das als FISAplus-Paradeprojekt. Es wird sehr viel ausländisches Sendergeld in Österreich ausgegeben wir haben fast ausschließlich österreichische Teammitglieder dabei. FISAplus fördert einen gewissen Anteil der Ausgaben in Österreich (auf 80 Prozent werden bis zu 35 Prozent an Förderungen angerechnet, Anm.). Und wenn die Ausgaben in Österreich sehr hoch sind, dann ist klar, dass auch der Förderbeitrag entsprechend hoch ist.
"Projekte stehen Schlange"
Seit Anfang des Jahres gibt es aber bei FISAplus einen Antragsstopp. Was ist nun von der neuen Regierung zu tun, dass solche Projekte auch weiterhin in Österreich gedreht werden können?
Es müsste schnellstmöglich zusätzliches Budget für die Förderung freigeschaltet werden, sowohl im Bereich ÖFI+ (für Kinofilme, Anm.), als auch im Bereich FISAplus (für TV, Streaming und internationale Serviceproduktionen, Anm.), weil die Projekte im Moment Schlange stehen. In dem Moment, wo Förderanträge wieder möglich sind, würden weiter Projekte eingereicht. Aus unserer Sicht und aus Sicht der österreichischen Filmbranche ist das unerlässlich. Das ganze System wurde ja aufgesetzt mit der Ankündigung, dass das zumindest für vier Jahre in dieser Form weiter funktioniert und im Vertrauen darauf haben viele Produktionsunternehmen stark in die Struktur investiert. Auch die Epo-Film hat viele zusätzliche Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter angestellt, um ein erwartungsgemäß gestiegenes Volumen an Produktionen zu bewältigen - was ja eigentlich eine super Entwicklung ist. Wir merken auch einen Professionalisierungsschub , der durch die Branche geht.Mittlerweile arbeitet man regelmäßig mit großen internationalen Produktionshäusern zusammen, weshalb man natürlich auch auf deren Qualitätsanforderungen reagieren muss. Das erfordert natürlich auch eine gewisse Struktur. Aber in dem Moment, wo man diese Struktur geschaffen hat, und aber Planungssicherheit, was die Förderung betrifft, nicht da ist, kommt man in eine sehr schwierige Situation, weil die Fixkosten natürlich deutlich höher sind.
"Deckel nicht sinnvoll - das ist eigentlich ein No-Brainer"
Ein Hauptfaktor für den Erfolg dieser Förderung war die Automatik und das Bekenntnis der Politik, dass es keinen Deckel hat, was eben hohe Planungssicherheit ermöglichen sollte. Jetzt kann man natürlich auf dem Standpunkt stehen, wenn die Budgets dann regelmäßig so überschritten werden, dass man - auch in finanziell schwierigen Zeiten für die Politik - vor solchen Antragstopps steht, ob es nicht auch sinnvoll wäre, in irgendeiner Form einen Deckel einzuführen ...
Aus meiner Sicht ist ein Deckel absolut nicht sinnvoll, einfach aus dem Grund, dass jeder geförderte Euro mit einem mehrfachen Faktor zurückkommt. Da gibt es unterschiedliche Studien und Evaluierungen dazu, aber unterm Strich kann man sagen, dass jeder geförderte Euro zumindest zwei zusätzliche Euro wieder in die Staatskasse zurückspült. Eigentlich ist das sehr gut investiertes Geld, weil es dem Staat mehr bringt als es ihn kostet, sowohl bei FISAplus, als auch bei ÖFi+. In Wahrheit ist das ein No-Brainer, ein System, das allen hilft.
Gibt es der Arbeitsmarkt in Österreich in diesem Volumen schon her? Man hört, dass zum Teil auf internationale Gewerke zurückgegriffen wird - auch bei der Epo-Film Das ist natürlich ein Thema. Es gibt ja zwei Komponenten, die man da beachten muss. Das eine ist, dass bei einer internationalen Produktion internationale Teams fast Standard sind und aus meiner Sicht auch wünschenswert, weil du auch da wieder einen weiteren Professionalisierungsschub kriegst. Wenn ein dreherfahrenes ausländisches Team mit österreichischen Teammitgliedern zusammenarbeitet, lernen die voneinander. Also das ist gut.
Wurde in der Ausbildung schon genug getan? Das hat natürlich immer einen gewissen Vorlauf. Man kann nicht von heute auf morgen Fachkräfte herbeizaubern. Aber jetzt sind wir schon seit zwei Jahren in diesem doch deutlich erhöhten Produktionsaufkommen tätig und da professionalisieren sich die österreichischen Teams, die regelmäßig in Projekten arbeiten, ja ohnehin. Durch diese Anknüpfungspunkte an internationale Partner entwickelt sich auch der Erfahrungshorizont. Und zusätzlich haben wir einige sehr gute Ausbildungsstätten für Filmberufe, wo früher vielleicht gar nicht die Möglichkeit da war, dass alle Absolventen auch wirklich in Filmberufen unterkommen. Und davon sind wir jetzt ganz weit weg. Die Nachfrage nach Filmberufen ist groß.
Die Epo-Film hat zuletzt einige internationale Produktionen gemacht. Service-Produktionen, aber auch Koproduktionen für ÖFI+. Wie hat sich bei diesem gestiegenen Volumen die Rekrutierung von Fachkräften gestaltet? Das ist natürlich eine Herausforderung. Wir haben schon frühzeitig darauf geachtet, uns die Leute für Projekte zu sichern. Und klar, im Moment wird wahnsinnig viel gemacht und die einzelnen Teammitglieder können sich bis zu einem gewissen Grad aussuchen, in welches Projekt sie gehen. Wir haben daher versucht, durch möglichst verlässliche und hoch qualitative Arbeitsbedingungen ein Umfeld zu schaffen, wo die Leute auch gerne arbeiten, im Rahmen dieses stressigen Berufs. Und ich glaube, auf diese Dinge kommt es dann an. Die Kollektivvertragsgagen bezahlen, glaube ich, alle Produktionsunternehmen gleichermaßen und dann kommt es eben auch auf andere Faktoren an.
Die Löhne sind aber gestiegen in den letzten Jahren, auch durch diesen Wettbewerb ... Ja, das ist sicher auch ein Faktor, aber ein ganz großer Faktor waren auch die allgemeinen Preissteigerungen. Die Inflation war da sicher auch ein massiver Treiber bei den Kollektivvertragsgagen.
Wie sieht es mit den nächsten Projekten bei Epo-Film aus, was ist bereits in der Pipeline? Wir haben eine große Kinoproduktion in Planung, die wir im Sommer umsetzen wollen. Wobei allerdings noch nicht ganz klar ist, ob das wirklich stattfinden kann, weil bei ÖFI+ das Antragsportal zu ist. Wir haben jetztein relativ sportliches Zeitfenster. Eigentlich haben wir nur noch eine Woche Zeit (Zeitraum wurde seit Datum des Interviews - 6.3. - angepasst, Anm.), um zu entscheiden, ob es realistisch ist, dass noch eine österreichische Finanzierung aufgestellt werden kann. Sonst wandert die Produktion zwangsläufig in ein anderes Land ab.
Wer wäre der Koproduktionspartner? Das ist eine größere Koproduktion, die wir gerade mit Wiedemann und Berg besprechen, sie haben zwingend ein Drehfenster im Juli und wenn wir da nicht die Verlässlichkeit bieten können, dass diese Produktion auch wirklich bei uns finanziert werden kann, dann ist völlig nachziehbar, dass man sich aus kaufmännischen Gründen dazu entscheidet, sich ein anderes Land zu suchen, wo bis zu diesem Zeitpunkt entsprechende finanzielle Mittel aufgestellt werden können.
"Extrem brisant, Branche braucht eine Perspektive"
Wovon hängt es nun in Österreich ab?. Es geht darum, eine Perspektive zu kriegen, wann die entsprechenden Fördertöpfe wieder aufgehen.
Das neue Budgetgesetz wird wahrscheinlich erst im Mai im Nationalrat beschlossen ... Genau das ist ja das Thema. Also in dem Moment, wo wir Gehör haben oder ausreichend glaubwürdig und verlässlich zugesichert wird, dass man die Filmbranche jetzt nicht im Regen stehen lässt, in dem Moment habe ich elativ großes Vertrauen, dass dieses Wort auch gehalten wird. Es ist völlig klar: Die Zeit rast und die neue Regierung hat relativ viele Themen - da sind wir eines von vielen, aber für uns ist es natürlich extrem brisant. Und für die gesamte österreichische Filmbranche, die sich darauf verlassen hat, dass in diesem Jahr in einem ähnlichen Volumen wie im Vorjahr produziert werden kann. Im Moment rennen die Kosten, die Aufträge wären theoretisch da, aber wir können sie nicht annehmen.
Das heißt, der neue Kulturminister Andreas Babler müsste schon bald ein Bekenntnis abgeben, zum Beispiel bei der Diagonale? Er wird dem Vernehmen nach zur Eröffnung am 27. März in Graz erwartet ... Es wäre extrem wichtig, vermittelt zu bekommen, dass ein Verständnis da ist und dass man an diesem Problem arbeitet. Wobei ich aufgrund des Regierungsprogramms schon einigermaßen zuversichtlich gestimmt bin, dass der Film wirklich ernst genommen wird. Es wird ja explizit erwähnt. dass der Filmstandort zwar evaluiert, aber auch gestärkt werden soll. Und im Vertrauen darauf hoffen wir jetzt sehr, dass die entsprechenden Schritte sehr schnell gesetzt werden, weil es da wirklich um die Wurst geht.
Bei den Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ war das Bekenntnis nicht so eindeutig ... Im Regierungsprogramm wurde das Thema erwähnt, aber nicht in dieser Deutlichkeit. Wobei es an und für sich jeder oder jedem einleuchten muss, unabhängig von einer parteilichen Couleur, dass das eine Wirtschaftsförderung ist, die mehr Geld ins Land bringt, als es das Land kostet.
Kritisiert wurde - teilweise auch vom Rechnungshof - dass die Filmförderung auf zu viele Körperschaften oder Fördertöpfe verteilt ist. Ich wüsste nicht von großen Überlegungen, dass da substanziell und schnell etwa umgestellt werden soll. Es kann sein, dass man das erneut evaluiert und sich anschaut, ob diese Verteilung aus jeder Sicht wünschenswert ist. Aber ich glaube, 2025 muss man jetzt einmal ganz schnell handeln und eigentlich eine OP am offenen Herzen machen, um dieses System in seiner aktuellen Form zumindest einmal über dieses Jahr zu bringen, damit wir alle weiterarbeiten können.
Bei ÖFI+ wurde hinsichtlich des Wertschöpfungsbonus mit Anfang des Jahres 2025 eine Vielfaltsregelung eingezogen. Wie sehen Sie das? Die Vielfaltsregelung besagt aktuell, dass pro Unternehmen eine Deckelung von Fördersummen von 6 Millionen Euro pro Unternehmen pro Jahr vorgesehen ist. Ich halte das für einen fatalen Weg. Man kann ja nicht für erfolgreiches, nachhaltiges Arbeiten, dafür, dass man Jahre in Vertrauensbeziehungen und in qualitätsvolle Arbeit investiert, bestraft werden, indem man nur mehr eine bestimmte Anzahl an Projekten machen darf. Es muss ja auch einen Wettbewerb geben. Wenn wir unseren Job gut machen, daher viele Projekte akquirieren und viele Anfragen haben, dann kann es ja nicht sein, dass uns das verboten wird. Vor allem nicht im Rahmen einer Förderung, bei der wir niemandem etwas wegnehmen. Es haben ja alle die gleichen Chancen, Projekte zu akquirieren, mit diesen Projekten zur Förderung einzureichen. Wir beschneiden ja niemand anderen damit, wenn wir mehr machen als andere. Zu sagen, pro Firma darf nur eine gewisse Fördersumme abgerufen werden, läuft vollkommen einem unternehmerischen Leistungsgedanken zuwider, da fehlt mir offen gestanden die Fantasie, warum man sich dann überhaupt noch professionalisieren soll, warum man dann überhaupt den Ehrgeiz haben soll, eine Struktur aufzustellen, um große internationale Projekte abzuwickeln, wenn man durch so eine Regelung schon von Beginn an gehandicapt ist und keine Planungssicherheit hat. Ich finde, das geht in eine ganz falsche Richtung.
"Es ist eine gewisse Nervosität da"
Sind einzelne deutsche Partner jetzt schon verschreckt durch die Antragsstopps?
Es ist eine gewisse Nervosität da. Das betrifft nicht nur deutsche Partner, auch international schauen sich alle größeren Unternehmen sehr genau an, in welchem Land es welche Fördermöglichkeiten gibt. Da werden knallhart von jedem einzelnen Land, in dem es institutionalisierte Filmförderung gibt, Risk-Assessments gemacht. Und da ist jetzt schon ein gewisser Vertrauensverlust ins österreichische System vorhanden. Das muss man ganz schnell reparieren. Wir sind nach wie vor im engen Austausch mit den Partnern und der Wille, wirklich internationale Projekte in Österreich anzusiedeln, ist ungebrochen groß. Aber da muss jetzt wirklich ganz schnell ein Signal kommen, dass dieses System weiter besteht, so wie es auch in den Richtlinien niedergeschrieben ist.
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