"Wirklich dramatisch": Kritik an Krisenmanagement bei Filmförderung

Neue Regierung muss budgetäre Probleme lösen, um einzelne heimische Kinofilme durch den Run auf die Förderung nicht zu gefährden
Zusammenfassung
Budgetäre Probleme sind zu lösen, um einzelne heimische Kinofilme durch den Run auf die Filmförderung nicht zu gefährden. Hier ist auch die neue Bundesregierung gefordert.
Bei der Berlinale war Mitte Februar noch vieles in Watte gepackt. Schließlich konnte man sich dort noch über die wenige Tage vor Festivalbeginn fixierte Zwischenlösung für die budgetären Probleme beim Österreichischen Filminstitut (ÖFI) freuen. Mit neun Festivalbeiträgen war es ein guter Jahrgang fürs heimische Kinoschaffen, auch das US-Branchenmagazin Variety würdigte dies, und strich in einem doppelseitigen Bericht die großzügige Fördersituation im Land hervor. Titel: „Money Ball“.
Der große Geldwalzer könnte aber rasch wieder vorbei sein. Dass die mit Anfang 2023 neu geschaffenen Fördertöpfe FISAplus und ÖFI+ in Schieflage geraten sind, habe sich bei der Berlinale rasch herumgesprochen, berichtet Produzent und AAFP-Vorstandsmitglied Alexander Glehr (Film AG): „Das ist mit großem Kopfschütteln wahrgenommen worden. Dafür, wie groß das vor zwei Jahren angekündigt worden ist, wird dem Filmanreizmodell jetzt plötzlich eine kurze Lebensdauer zugemessen. Im Moment warten alle, wie es weitergeht, für die Planungssicherheit ist das eine Katastrophe.“
Dies schrecke potenzielle Partner ab, meint Glehr. „Wir mussten eine sehr renommierte Koproduktion deswegen absagen.“ Zudem halte man bei einem anderen Projekt (mit „Corsage“-Regisseurin Marie Kreutzer) nun Ausschau nach Drehorten im Ausland.

Alexander Glehrs Film AG steht hinter dem Sisi-Film „Corsage“
Ausgeschöpft
Hintergrund ist, dass derzeit keine neuen Anträge für Kinofilmprojekte bei ÖFI+ gestellt werden können, die im Budgetprovisorium für 2025 vorgesehene Fördersumme von 37,5 Millionen Euro ist bereits jetzt ausgeschöpft. Der Präsident des Produzentenverbandes Film Austria, Helmut Grasser (Allegro Film), findet noch drastischere Worte: „Bei ÖFI+ war die Situation wirklich dramatisch. Das hätte bei manchen Firmen zum Konkurs führen können, wenn die Situation nicht gerettet worden wäre.“
Als hauptverantwortlich für die Malaise betrachten die Produzenten die Ausgestaltung des sogenannten „Wertschöpfungsbonus“. Mit ihm wurde ÖFI+ auch zur Anlaufstelle für internationale Koproduktionen. „Das ist prinzipiell zu begrüßen“, sagt Glehr, „es wurde von uns aber darauf hingewiesen, dass das System zu viele Tore öffnet, um ausgenützt zu werden. Mindestens ein Jahr vorher lagen Projekte am Tisch, anhand derer man erkennen hätte müssen, dass es in eine falsche Richtung läuft.“
Dummes Geld
Man habe es „als ,Stupid Austrian Money‘ kritisiert“, sagt Grasser, „das vor allem massiv nach Deutschland abgeflossen ist. Im Unterschied zu FISAplus-Produktionen war die Wertschöpfung im Land nicht ausreichend gegeben. Eigentlich waren das Serviceproduktionen für deutsche Filme. Es wurden reihenweise deutsche Teammitglieder und Cast von österreichischen Produzenten angemeldet, um den Wertschöpfungsbonus zu erhöhen.“
„Aus meiner Sicht war schon im September 2024 relativ klar, dass es ein Budgetproblem geben wird“, sagt Grasser. Auf diese Situation habe man „zu spät reagiert“. Im Dezember 2024 seien dann „die Richtlinien für den Wertschöpfungsbonus so weit verschärft worden, dass er kaum mehr attraktiv war, damit wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“

Helmut Grasser produzierte den Stipsits-Kinohit „Love Machine“ und fürs Fernsehen die "Steirerkrimis"
Nun sieht Grasser einen „Kapitalfehler“: „Als die schärferen Richtlinien, geltend ab 1. Jänner 2025, bekannt gemacht worden sind, hätte man das Antragsportal bis Ende 2024 schließen müssen“, kritisiert er. So aber seien „noch Anträge im zweistelligen Millionenbereich hereingeflattert“, erklärt Grasser. Das Problem sieht er in der Zusammensetzung des ÖFI-Aufsichtsrats: Er ortet „zu wenig wirtschaftlichen Sachverstand“ im 16-köpfigen Gremium. Das grün-geführte Kulturministerium erhöhte seine Stimmmacht im Aufsichtsrat, der z.B. über Richtlinienänderungen entscheidet (siehe Kasten unten).
FISAplus und ÖFI+
Das 2023 installierte Filmanreizmodell besteht hauptsächlich aus den beiden Säulen FISAplus (TV, Streaming, internationale Serviceproduktionen) und ÖFI+ für heimische Kinofilme. Jeweils wird ein Zuschuss von bis zu 35 Prozent auf die förderfähigen Herstellungskosten in Österreich gewährt.
Wertschöpfungsbonus
Attraktiv ist vor allem die Automatik und bei ÖFI+ der „Wertschöpfungsbonus“. Dieser bezuschusst internationale Koproduktionen, die mindestens 100.000 Euro mehr in Österreich ausgeben als der heimische Produktionsanteil beträgt – mit bis zu 60 Prozent (!) auf diesen Überschuss. Vor allem Produktionsfirmen aus Deutschland griffen bereitwillig zu.
ÖFI-Aufsichtsrat
Mit der Korrektur des recht weitmaschigen Förderinstruments war der Aufsichtsrat des Österreichischen Filminstituts (ÖFI) befasst. Mit der Novellierung der Filmförderung hatte das grün-geführte Kulturministerium (BMKÖS) seine Präsenz in dem Gremium aufgestockt. Man konnte nun zwei Ministeriumsvertreter entsenden statt bisher einen. Gemeinsam mit dem (ebenfalls vom BMKÖS entsandten) Vorsitz kann unter den stimmberechtigten Mitgliedern ein 3:3 hergestellt werden – dann entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
Als Gegenmaßnahme zur (legalen) ungezügelten Ausschöpfung des Wertschöpfungsbonus wurde etwa eine Obergrenze von 6 Mio. Euro pro Unternehmen pro Jahr eingezogen. „Das widerspricht wiederum dem Leistungsgedanken, dass man sich als österreichisches, international gut aufgestelltes Unternehmen mehr Möglichkeiten erarbeiten kann“, sagt Glehr. „Ich glaube, wie man auch in anderen europäischen Ländern sieht, dass man diese Förderungen so gestalten kann, dass sie sowohl zielgerichtet als auch effizient im Sinne des Staatshaushalts sind. Darauf wurde aber aufgrund von ideologischen Ansätzen zu wenig Augenmerk gelegt.“
„Es ist klar, dass so ein diffiziles Fördersystem nachjustiert werden muss“, meint Grasser, „es gab aber keinen Dialog nach außen.“ Ein Brief der Produzentenverbände AAFP und Film Austria, der Ende Jänner an den ÖFI-Aufsichtsratsvorsitzenden Rudolf Scholten gerichtet worden sei, sei „knapp und unbefriedigend“ beantwortet worden.
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